Der weithin sichtbare Gasometer am S-Bahnhof Schöneberg soll ab August als Kunst- und Werbefläche dienen. Die Einnahmen fließen nach Auskunft von Reinhard Müller, Chef der Remtec-Gesellschaft für Projektentwicklung und Denkmalschutz, in die Sanierung des 78 Meter hohen markanten Wahrzeichens. Die Denkmalschutzbehörden haben nach Auskunft des Investors bereits zugestimmt, ein Dreivierteljahr habe der Weg durch alle Instanzen gedauert. Wie lange die Aktion dauern soll, stehe noch nicht fest.
Die Bürgerinitiative, die sich gegen den Ausbau des alten Gasag-Geländes an der Torgauer Straße zum Europäischen Energie Forum (Euref) mit bis zu 65 Meter hohen Neubauten formiert hat, protestiert gegen die Werbepläne. „Wir lehnen solch eine Verschandelung ab, auch wenn es sich nicht um Werbeplanen, sondern um LED-Zellen handelt. Der Gasometer ist keine Werbefläche“, kritisiert Axel Ziemann. Den Funkturm würde man schließlich auch nicht mit Werbung verhängen.
Die Kunstaktion „Urban Screen“ (Stadtbildschirm) ist ein Teilaspekt des Vorhabens. Bereits im vergangenen Jahr flimmerten in einem sechswöchigen Test nachts nicht nur bewegliche farbige Bilder über das Stahlgerüst, auch Fußball und Werke der Ausstellung „Die schönsten Franzosen kommen aus Berlin“ waren zu sehen. Gerd Henrich, Geschäftsführer der Firma „Ströer Megaposter“, soll die Idee für das Konzept, den Betrieb und die Umsetzung gehabt haben. Neben der Kunstaktion sind Nachrichten und Unterhaltung gemischt mit Werbung geplant – vergleichbar mit dem „Berliner Fenster“ in der U-Bahn. Wie Jörg Lammers, Sprecher der Ströer-Gruppe, weiter mitteilte, „könnte es sich nach unserem Wissen mit 660 Quadratmetern um Europas größte LED-Leinwand“ handeln.
Im Oktober findet in Berlin ein Medien-Fassaden-Festival statt
Die Bedenken der Anwohner teilt Grundstückseigentümer Müller indes nicht. Die Bilder seien nur vom Sachsendamm aus zu sehen, wo es keine Wohnbebauung gebe. Tagsüber sei das dünne Netz ohnehin nicht wahrnehmbar, wie der Test im vergangenen Jahr gezeigt habe. Da mit der Sanierung begonnen worden sei, könne er den Gasometer sogar komplett einhausen. „Das habe ich aber nicht vor. Ich bevorzuge das innovative Konzept mit den winzig-kleinen LEDs“, sagte er. Neben dem Baustellen-Privileg – während der Bauzeit darf am Baugerüst geworben werden –, das es immer schon gab, ist mit der neuen Bauordnung des Landes Berlin auch das Werben im öffentlichen Raum erleichtert worden. So darf Veranstaltungswerbung drei Monate ohne Genehmigung hängen.
Das Kunstvorhaben „Urban Screen“ ist eine Initiative des „Projekts Zukunft“, das von der Senatswirtschaftsverwaltung gefördert wird. „In dem Netzwerk treffen sich Screen-Hersteller und –Betreiber, Fachleute aus Werbung, Medien, Kunst, Architektur und Stadtplanung, um Marktmöglichkeiten zu erschließen für die kommerzielle und kulturelle öffentliche Nutzung und Weiterentwicklung bewegter Bildflächen“, erklärte Petra Schwarz, Sprecherin von Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linke).
Das Netzwerk begleitet auch das Medien-Fassaden-Festival, das im Oktober berlinweit veranstaltet wird. Mit dem Ausbau des alten Gasag-Geländes zum Europäischen Energieforum sollen 150.000 Quadratmeter Nutzfläche und bis zu 2000 unterirdische Parkplätze entstehen. Sobald der Bebauungsplan steht – es gibt jedoch 200 Einwände – will der Investor beginnen, eventuell im Frühjahr 2009.