In Berlin sollen künftig Energieexperten ausgebildet werden – an einer Privat-Uni, die sich als Schnittstelle zwischen Technik, Politik und Wirtschaft verstehen will. Doch die Intiatoren sind heillos zerstritten – zuletzt über mögliche Standorte. Nun ist klar: Die Uni kommt an den Schöneberger Gasometer. Oder sie kommt gar nicht.
An jenem Freitag im Februar ist die Welt noch in Ordnung. Weit lassen die illustren Gäste den Blick aus Hugos Restaurant im 14. Stock des Hotels Intercontinental über Berlin schweifen. In der Ferne erkennen Außenminister Frank-Walter Steinmeier, Ex-Umweltminister Klaus Töpfer und der letzte DDR-Ministerpräsident Lothar de Maizière auch den Schöneberger Gasometer. Und sie stoßen an auf ein ehrgeiziges Projekt: Auf dem ehemaligen Gasag-Gelände soll eine internationale, private Energie-Universität entstehen. Die Herren sind von der Idee sehr angetan.
Ein gutes halbes Jahr später überschattet jedoch ein handfester Streit der Initiatoren den Fortgang des großen Vorhabens. Wissenschaftler sind irritiert. Die Struktur zur Gründung der Universität ist zerplatzt. Nachdem zuletzt von mehreren Standortalternativen die Rede war, unter anderem vom Flughafen Tempelhof, ist nun klar: Die Hochschule kommt an den Gasometer. Oder sie kommt gar nicht.
Das Verhältnis ist zerrüttet
Hintergrund der Turbulenzen ist das Zerwürfnis zweier stadtbekannter Bauunternehmer und Projektentwickler. Der Architekt Reinhard Müller, der unter anderem die Schultheiß-Brauerei an der Moabiter Stromstraße in ein Dienstleistungsquartier umbaut und die Speicher am Osthafen saniert hat. Und Klaus Groth, der derzeit Stadtvillen am Tiergarten baut und unter anderem das Gebiet rund um die CDU-Bundeszentrale an der Klingelhöfer Straße erstellte.
Müller steht der SPD nahe, Groth der CDU. Für das Gasometer-Projekt hatten sie sich zusammengetan. Inzwischen sind Müller und Groth geschiedene Leute. "Das Verhältnis ist zerrüttet", sagt ein Insider. Vor sechs Wochen firmierten sie noch gemeinsam als Vorstände der Euref AG.
Die Abkürzung steht für Europäisches Energieforum. Der Plan: Den Gasometer wieder herrichten, die denkmalgeschützten Backsteingebäude sanieren, Neubauten daneben setzen und als Clou in der Mitte des runden Stahlskeletts einen gläsernen Kubus hochziehen. Das Volumen ist gigantisch. 1,5 Mal das Sony-Center soll zum Ärger mancher Anwohner im Kiez wachsen.
Um den nicht optimalen Büro-Standort am Rande der Innenstadt zu bespielen, soll das Projekt, das auf 500 Millionen Euro Investitionsvolumen kalkuliert wird, dem Zukunftsthema Energie gewidmet sein. Wichtigstes Zugpferd für Unternehmen, die sich hier ansiedeln sollen: Eine Internationale Energie-Universität. Von 360 Millionen Euro Stiftungskapital ist die Rede, von 500 Studenten, 50 Doktoranten und dem "Dialog zwischen Wirtschaft, Wissenschaft und Politik zu den Energiefragen der Zukunft."
Die Euref wandte sich an die Zeit-Stiftung. Die Hamburger Förderer von Kultur und Wissenschaft haben mit der Bucerius Law School gezeigt, wie man eine private Hochschule aufbaut. Deren Tochterfirma, die Bucerius Education GmbH, übernahm gegen Honorar in sechsstelliger Höhe den Auftrag, das Konzept zu verfeinern und vor allem Wissenschaftler ins Boot zu holen. Als Berater wurde der Zeit-Stiftungsvorstand Markus Baumanns engagiert. Ihm gelang es, große Forschungsgesellschaften, potenzielle Stifter und Sponsoren sowie wissenschaftliche Koryphäen für die Idee einer Energie-Universität zu interessieren.
Die Energie-Experten reagierten aufgeschlossen. "Ich halte es für sinnvoll, verschiedene Expertisen miteinander zu verbinden. Dabei soll es ja nicht um einen Standort für Technik gehen, sondern um eine Schnittstelle zur Ökonomie und der politischen Einordnung", sagt etwa Claudia Kemfert, Umweltökonomin und Energiewirtschaftsexpertin des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung: "So etwas macht in Berlin Sinn."
Als die Hochschulgründer jedoch den nächsten Schritt machten, kam es zum Bruch. Der Streit entzündete sich an der Frage, wie unabhängig das Universitäts-Projekt von dem Immobilienprojekt am Gasometer sein darf.
Die Universität sollte in einer selbstständig agierenden gemeinnützigen GmbH vorangetrieben werden. Sollte sich ein anderer Standort als das Areal am Gasometer ergeben, verliere das Projekt die Rechte am Namen Euref, heißt es im Vertragsentwurf, der Ende Juni verhandelt wurde. Aber Reinhard Müller beharrte nach Informationen dieser Zeitung auf ein geheimes Zusatzabkommen, von dem Geldgeber und Partner aus der Wissenschaft nichts hätten wissen sollen. Demnach hätte sich die Uni fest ans Gasometergelände binden sollen.
Groth fühlte sich von Müller nicht informiert und in wesentlichen Fragen übergangen. In einem Brief an Müller erklärte er seinen Ausstieg. Gemeinsam mit dem Berater Baumanns wollte Groth das Hochschulprojekt weiter begleiten. Damit werde die von vielen möglichen Kooperationspartnern befürchtete Verbindung zwischen Universität und Immobilienprojektentwicklung nachvollziehbar beendet, erklärte Groth.
Wissenschaftler rekrutiert
Die Hochschule ging nun unter der Regie des Zeit-Stiftungsvorstandes Baumanns an den Start, nannte das Kind nun nicht mehr Euref, sondern "Global Energy Institute Berlin" (GEI). Baumanns rekrutierte hochkarätige Wissenschaftler wie Claudia Kemfert, den Potsdamer Klimafolgenforschers Ottmar Edenhofer und den Chemiker Robert Schlögl, Direktor des Fritz-Haber-Instituts der Max-Planck-Gesellschaft, für den Beraterkreis. Die Experten trafen sich, entwickelten erste Ideen über Strukturen und Lehrinhalte.
Gleichzeitig ließ Groth in der Öffentlichkeit Zweifel am Standort Gasometer streuen. Die dort geforderten Konditionen für die neue Hochschule seien viel zu teuer, deshalb suche die neue Energie-Universität auch anderswo in Berlin nach Räumen. Zuletzt brachte die Groth-Seite auch den Flughafen Tempelhof ins Gespräch.
Die Müller-Seite konterte, ließ entsprechende Meldungen dementieren. Anwälte schickten Abmahnungen an die GEI, verlangten eine Löschung ihrer Internetseite, reklamierten das geistige Eigentum an dem Hochschulprojekt für die Euref, die Bucerius Education beauftragt hatte. Denn die Hochschule sollte der Leuchtturm sein für das Gasometer-Projekt. Die Hochschule wird sogar im Bebauungsplan genannt. Ohne Hochschule wäre die Baugenehmigung möglicherweise gefährdet.
Gleichzeitig versuchte Klaus Groth, sich aus der Euref AG herauszuziehen und seinen Einsatz, mehrere 100 000 Euro, dabei wieder mitzunehmen. Es kam zum Junktim: Die GEI-GmbH wird aufgelöst, dafür findet sich eine Lösung für Groths Ausstieg aus der Euref. Der Deal hängt noch in der Schwebe. Nur die Web-Seiten der GEI sind nicht mehr zu erreichen.
Die honorigen Hamburger aus dem Umfeld der Zeit-Stiftung hatten Sorge, in einen auch politisch aufgeladenen Streit zwischen dem SPD-nahen Müller und dem mit der CDU verbandelten Groth hineingezogen zu werden - und ließen ihre Beratertätigkeit zum 30. September auslaufen. Damit ist die rechtliche Hülle des Energie-Uni-Projektes leer, ohne dass das Vorhaben wirklich auf der Spur wäre.
Der Ball liegt wieder bei Müller. Seine Helfer versuchen fieberhaft, den Verlust von Baumanns guten Kontakten auszugleichen und ihrerseits wissenschaftliche Expertisen und Sponsoren zu gewinnen. Ob das gelingt, ist offen. Sie brauchen zum Start 50 bis 60 Millionen Euro, die sollen aus Deutschland, Russland und dem Nahen Osten kommen. Der Name Gazprom fällt als Sponsor. Aber in der Deutschland-Zentrale des russischen Multis gibt man sich zurückhaltend. Man kenne das Projekt, habe sich aber gerade als Stifter an der privaten Wirtschaftshochschule ESMT am Schloßplatz engagiert.
Politische Protektion
Aber die Müller-Seite ist optimistisch, zumal sie auf höchste politische Protektion zählen darf. Als die Euref kürzlich eine Werbe-Leuchttafel am Gasometer anknipsen ließ, erschienen unter anderem Ex-Außenminister Joschka Fischer und Klaus-Uwe Benneter, Bundestagsabgeordneter und Vertrauter des Ex-Kanzlers Gerhard Schröder.
Am 5. November ist im Rathaus Schöneberg der feierliche Gründungsakt einer unabhängigen gemeinnützigen Gesellschaft namens Euref Institute geplant. Als Ehrengast der SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier erwartet.
Die neue Gesellschaft für die Hochschulgründung wäre fest an das Gasometer-Projekt gekettet. Die Wissenschaftler sollen dort zwar ein günstiges Grundstück für einen Neubau erhalten. Sollte das Projekt jedoch wegen Finanzierungsschwierigkeiten in Zeiten der internationalen Finanzkrise scheitern, wäre auch die Idee einer Energie-Hochschule in Berlin in Gefahr.
Das schließt der Euref-Sprecher allerdings aus. Im nächsten Frühjahr werde mit den Bauarbeiten am Gasometer begonnen, sagt er.