Berlin. Neue Kleingärten aus dem Nichts: So gelang Freiwilligen aus Prenzlauer Berg die grüne Transformation der Stadt.
„Erde gut, alles gut“ - ein Ausspruch auf einer bedruckten Plane drückt in vier Worten die Gefühlslage aus. Das Glück der Schöpfer, Kleingärten aus dem Nichts erschaffen zu haben, mitten im dicht bebauten Prenzlauer Berg. „Schleifengarten“ nennt das Gärtnerkollektiv um Robert Ide die Grünfläche, die man der Großstadt abgerungen hat. In monatelanger Eigenleistung erwirkten Anwohner den Abriss eines alten Garagen-Komplexes in der Wendeschleife der BVG-Tram-Linie 50 an der Björnsonstraße. Mit eigenen Händen und Ideen beseitigten sie die betonierte Fläche. Und schufen stattdessen entlang der Schleife einen Saum aus Sonnenblumen, Spitzpaprika, Tomaten und Kräutern.
Zehn Monate nach dem Baustart blickt das Gärtner-Kollektiv nun einer offiziellen Vereinsgründung für den „Schleifengarten“ entgegen. Das Signal lautet: Hier entstehen an einer tristen Verkehrsfläche neue Kleingärten mitten in der Innenstadt. Grau wird zu Grün, die Natur sprengt den Beton. Und der Eigensinn der Anwohner ersetzt starre Planungsvorgaben aus Senat und Bezirk.
Beim Erntedankfest der Bornholmer Gärten, der über 125 Jahre alten historischen Kolonie gleich neben dem neuen Schleifengarten, gibt es für diesen Eigensinn Applaus. „Hier entsteht eine neue Grünfläche in der Stadt durch Entsiegelung“, nennt Berlins Umweltsenatorin Bettina Jarasch (Grüne) den Pluspunkt des Pilotvorhabens, was ihre Verwaltung begleitet hat. Dieser Punkt habe nicht nur Bedeutung für die Berliner Stadtentwicklung, sondern auch für das Schicksal von Laubenpiepern in der Hauptstadt. „Die Zukunft des Kleingartenwesens liegt in der Öffnung“, ermuntert Jarasch Parzellen-Eigentümer zu Experimenten wie diesem.
Senatoren wollen von Kleingarten-Pilotprojekt in Prenzlauer Berg lernen

Auch Bausenator Andreas Geisel (SPD) sieht die Selbstermächtigung der Gärtner als Inspiration, wenn er sagt: „Unsere Stadt ist zu groß, als dass wir ihre Entsiegelung zentral steuern könnten.“ Expertise für die Entsiegelung kam von nebenan. Robert Ide und die Mitstreiter der Kleingartenanlage Bornholm wirkten bei der Schaffung des Schleifengartens als „Hüter des Projekts“. Aus den Bornholmer Gärten habe man Infrastruktur und Know-How auf die Brache übertragen, berichtet Ide.
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Ehrenamtliche Bau-Einsätze in einer Temperaturspanne von minus 10 Gard bis plus 38 Grad verlangten den „Schleifengarten“-Schöpfern einiges ab. Und nun sprießen die Sonnenblumen an einem Lattenzaun, der die Tram-Gleise der Schleife vom neuen Gartenreich trennt.
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Interessantes Detail laut Pankows Stadträtin Manuela Anders Granitzki (CDU): Ausgerechnet die Beschaffung dieses Lattenzauns erwies sich als eines der schwierigsten Details. „Wir mussten lange darauf warten – wegen gestörter Lieferketten.“ Hier teilt das Entsiegelungs-Vorhaben also kurioserweise das Schicksal das Schicksal so mancher Bauvorhaben, die Berlin grauer und naturferner werden lassen.
„Schleifengarten“ in der Straßenbahn-Kehre entstand mit gespendeten Pflanzen

Aber wie funktioniert der Prenzlauer Berger Schleifengarten in der Praxis? Valeria und Oliver, zwei der „Schleifengarten“-Gründer, beschreiben eine selbstverwaltete Struktur. Rund 20 Erbauer bepflanzt Beete und Kästen mit gespendeten Pflanzen. Zucht und Pflege erfolgen gemeinschaftlich ohne Besitzdenken und Anspruch auf Eigentum. So organisch, wie sich die Natur Räume erobert, so soll die Schleifengarten-Gemeinschaft nun zu einer Organisationsform finden.
Besucher sind zu folgenden vorläufigen Öffnungszeiten willkommen: Mi 16 bis 19 Uhr, Do 16 bis 18 Uhr, Sa 10 bis 16 Uhr.
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