Berlin. Dass in Europa Krieg herrscht, zeigt sich jetzt auch auf den Tellern der Berliner Kinder. 7,5 Prozent mehr pro Portion wird beim Schulessen fällig – so rechnen es die Bezirke vor. Eine Neukalkulation, erbeten von der Senatsverwaltung für Bildung. „Die Folgen des Ukraine-Kriegs machen sich unter anderem auch bei den erhöhten Kosten der Lebensmittelbeschaffung bemerkbar“, schrieben dort die Verantwortlichen an Pankows Bildungsstadträtin Dominique Krössin (Linke) und ihre Amtskollegen. Sie sollen sich zu dieser Kostensteigerung mit den Caterern auseinandersetzen, lautet die Bitte aus dem Haus von Senatorin Astrid Busse (SPD).
In Pankow, dem mit Abstand kinderreichsten Bezirk Berlins, hat die Inflation beim Schulessen besonders teuere Folgen. Das Plus von 7,5 Prozent, also die aktuell berechnete Kostensteigerung, schlägt direkt durch auf den Bezirkshaushalt. Denn Bestellungen für Hunderttausende Würstchen, Kartoffeln und Gemüse bei Caterer geschehen in Berlin nicht etwa zentral, sondern in den zwölf Bezirken einzeln. Allgemein gilt, dass Schulessen in den Klassen eins bis sechs für die Kinder kostenlos serviert wird.
Berlins kinderreichster Bezirk Pankow sieht sich durch Mehrkosten überfordert
Laut Krössins Rechnung steigt der Preis pro Portion und Kind um 32 Cent auf nun 4,68 Euro. Eine Belastung, die das kinderreiche Pankow völlig überfordert. „Die Mehrkosten können weder durch das Schul- und Sportamt noch durch den Bezirk getragen werden“, meldet Stadträtin Krössin nun auf Anfrage des CDU-Verordneten David Paul.
Tatsächlich sieht der Lösungsvorschlag der Bildungsverwaltung vor, dass sich die zwölf Bildungsstadträte gemeinsam an eine andere Senatsverwaltung, nämlich die für Finanzen, wenden. Und sich die Mehrkosten dort erstatten lassen. In Form einer so genannten Basiskorrektur will Pankow die Zuzahlung für das teurere Schulessen zurückhaben – so hat es Stadträtin Krössin bereits beantragt.
Berliner Caterer müssen teurere Lebensmittel kaufen und mehr für Energie zahlen
Ein umständlicher und unsicherer Weg, warnt CDU-Jungpolitiker David Paul. Er kann sich selbst noch gut an die „bescheidene Qualität“ seines eigenen Schulmittagessens erinnern. Und befürchtet, dass Caterer durch den Krieg entweder bedeutend teurer kochen müssen – oder bei Zutaten und Zubereitung sparen. „7,5 Prozent Mehrkosten sind nur eine Momentaufnahme“, sagt er mit Blick auf eine sich weiter drehende Preisspirale. So müssten die Caterer nicht nur teurere Lebensmittel kaufen, sondern auch mit höheren Energiekosten und steigenden Gehaltsforderungen von Köchen umgehen. Weil auch sie einen Inflationsausgleich verlangen dürften.
Dass die Betriebe an der Menge des Essens sparen, scheint ausgeschlossen. „Man würde es ja sofort auf dem Teller sehen. Und an hungrigen Kindern“, sagt Paul. Deshalb sieht er die Gefahr, dass Betriebe versucht sein könnten, an der Qualität zu sparen. Dann wären Kinder zwar satt – aber auf Kosten des Geschmacks. „Der Senat muss schnellstmöglich mehr Geld geben“, fordert Paul. „Und man darf es nicht bei 7,5 Prozent Preisanpassung belassen, sondern muss rollierend nachbessern.“
Pankow will auf keinen Fall an gutem Essen sparen
Einen schnellen und unkomplizierten „Nachschlag“ für Pankow und alle anderen Bezirke aus den Berliner Landeskassen erhofft sich auch Schulstadträtin Krössin. Wobei sie Pauls Befürchtung nicht teilt, wonach in den Mensen minderwertigere Speisen auf den Tellern landen. „Der Bezirk erwägt keine vertraglichen Veränderungen hinsichtlich der Qualität und der Quantität“, stellt sie klar. Möglichst viele regionale und Bio-Produkte aufzutischen – diese Zielsetzung soll weiter gelten. Grundlage bleiben die Expertenempfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung.
Selbst wenn Pankow eigene Wege gehen wollte, ist dies im Rahmen von neuen Vertragsverhandlungen mit Caterern gar nicht möglich. „Das Schulmittagessen wird anhand Berlin-einheitlicher Qualitätsstandards ausgeschrieben und vergeben“, erklärt Krössin. Maßgebend seien Standards, die von der „AG Schulmittagessen“ unter der Steuerung der Senatsbildungsverwaltung festgeschrieben wurden.
Berliner Vorgaben für Schulessen gelten als besonders streng
Dass Schulessen zwar teurer wird, aber nicht schlechter, betont auch Katja Ahrens, die Vorsitzende des Pankower Bezirkselternausschusses. „Berlins ist eines der Länder mit den strengsten Anforderungen. Die sehr hohen Standards sind Teil der Vertragsbedingungen mit den Caterern“, verweist sie auf rechtliche Verpflichtungen.
Aus Ahrens Sicht ist die Lösung des Senats, wonach Bezirke ihre Mehrkosten nachträglich erstattet bekommen, schlüssig. Am Essen für Kinder zu sparen hält Ahrens auch bei einer langwierigen Krise durch den russischen Krieg in der Ukraine für ausgeschlossen: „Zur Not müsste der Bund einspringen.“
„Tofu-Würstchen sind lecker. Auch wenn sie nicht immer appetitlich aussehen“
Unter welchen Bedingungen es Kindern schmeckt oder nicht schmeckt – dafür ist Katja Ahrens eine Expertin. Für ihre Abschlussarbeit „Qualitätsstudie zum Berliner Schulessen“ erhielt die Lebensmittelchemikerin einen Preis. Berichte über Schulessen, das womöglich häufig im Müll landet, sieht sie entsprechend differenziert und skeptisch.
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Es lasse sich objektiv nur schwer überprüfen, ob Kinder aufessen oder wie viel sie wegwerfen. Dass es schmeckt, wird dadurch gesichert, wenn Kinder möglichst viel mitbestimmen können. „Die Anforderungen sind zu starr“, sagt Ahrens. „Mehr Einfluss der Wünsche von Kindern wäre hilfreich.“ In Berlin gebe es zum Teil auch eine gewisse Diskrepanz zwischen der Optik von Speisen und ihrem Geschmack: „Tofu-Würstchen sind lecker. Auch wenn sie nicht immer appetitlich aussehen.“
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