Berlin. In Prenzlauer Berg wird eine Grundschule auf einem Parkplatz buchstäblich aus dem Boden gestampft. Doch der Familienboom war schneller.
Man darf das nicht falsch verstehen: Wenn Pankows Bildungsstadträtin weint, dann aus Freude über die Leistungen der Prenzlauer Berg Kinder – nicht wegen ihrer Anzahl. Linken-Politikerin Dominique Krössin, darauf legt sie trotz der in Berlin beispiellosen Schulplatznot wert, hält „jedes Kind für einen Gewinn“. Auch wenn das für ihre Abteilungen im rasend wachsenden Bezirk bedeutet, Schulplätze aus dem Boden zu stampfen.
Im aktuellen Fall ist diese Redewendung keine Übertreibung. Denn der Rohbau der 48. Grundschule von Pankow am Velodrom in Prenzlauer Berg ragt nun auf einem Parkplatz auf, feierte erst im September Grundsteinlegung, nun schon Richtfest. Noch schneller war allerdings das Bevölkerungswachstum im Berlin Boom-Bezirk: 200 Kinder bekommen hier schon Jahre vor der Eröffnung dieser Schule Unterricht – in einem Ergänzungsbau, der aus schierer Platznot 2020 vor dem eigentlichen Hauptgebäude errichtet wurde. Ein Ergänzungsbau, mitbetrieben von einer bereits ausgelasteten Nachbarschule.
576 Schüler werden es sein, wenn die 48. Grundschule in Gänze eröffnet. Dazu gehört dann der Ergänzungsbau von 2020, das jetzige Hauptgebäude und eine riesige Turnhalle mit Spielplatz. Für Außenstehende mag das Taktieren mit dem vorab eröffneten Ergänzungsbau verwirrend erscheinen. Für Pankows Schulplaner und Stadträtin Krössin ist Improvisation unter dem Druck des Einwohner-Booms normal.
Modulare-Schule für Prenzlauer Berg: Nebengebäude aus Not vorab eröffnet

Dass Krössin nun also einige Tränen wegdrückte, liegt nicht an der Last ihres Jobs. Sondern an einem Gesangsbeitrag der 200 bereits eingeschulten Kinder im Rohbau ihres künftigen Schul-Hauptgebäudes – „Freude schöner Götterfunke“ erklang mit Kraft der 200 Stimmen im betongrauen Säulenwald. Das sind noch zwei Besonderheiten dieses speziellen Schulprojekts: Hier handelt es sich um den ersten Lernort in Pankow, den Baufirmen ausschließlich aus Fertigteilen zusammensetzen. Und dies ist die einzige Schule im Berliner Nordosten, in der Star-Dirigent Daniel Barenboim mit seiner Stiftung Musikunterricht spendiert. Derzeit noch im Ergänzungsbau, bald auch im Hauptgebäude.
Schnell, kostengünstig und vollständig recycelbar, wenn nicht mehr gebraucht: Modulare Schulen sind in Zeiten explodierender Baukosten und wachsender Schülerzahlen das Mittel der Wahl. Nach der 48. Grundschule Pankows am Velodrom sollen in Berlin mindestens neun weitere dieses Typs folgen, sagt Thomas Koller vom Generalunternehmer Goldbeck. Richtfest ist für seine Firma ein relativer Begriff bei einem Haus-Typ, der über keinen echten Dachbalken mehr verfügt.
Schulplatz-Not plagt Berliner Ost-Bezirke – aber vor allem Pankow
Am Bauort an der Conrad-Blenkle-Straße erfolgt nur die Endmontage der Fassadenteile, die samt Fenstern in einer Fabrikhalle vorgefertigt worden sind. Genau gesagt, sind es 136 Außenelemente und vier identische Geschossdecken, wie Joachim Bädelt von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung vorzählt. „Es ist das, was wir den steigenden Baukosten entgegenzusetzen haben“, stellt er fest. Über 9000 fertige Einzelteile kommen zum Zusammenstecken nach Prenzlauer Berg. Hier haben Anwohner es fast klaglos akzeptiert, dass 300 Parkplätze verschwinden und dafür 576 Schulplätze entstehen.
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So sagt es CDU-Politiker Torsten Kühne, der „Vater“ dieses Projekts. Inzwischen ist der Schulstadtrat von Pankow nach Marzahn-Hellersdorf gewechselt. Aber dort fand er die gleiche Not: „Die Dringlichkeit zum Schulneubau ist hier genauso hoch“, berichtete Kühne. 7000 neue Schulplätze brauche Marzahn-Hellersdorf bis Ende des Jahrzehnts. „Alle Berliner Ost-Bezirke geben sich bei diesem Thema die Klinke in die Hand“, weiß Kühne. Die Lösung hier wie dort: Modulare Gebäude. Die schnellste Antwort auf Kinder, die das Einmaleins schon lernen, bevor ihre Schule eröffnet.
Pankower Schulstadträtin meldet Lösung für 100 Siebtklässler
Noch dringender erscheint die Not der älteren Jahrgänge – bei der Vergabe von Gymnasialplätzen wird Pankow noch Jahre auf Schützenhilfe anderer Bezirke angewiesen sein. Und mehr als 2000 Schüler mit Fahrtzeiten von bis zu 45 Minuten pro Strecke bis nach Spandau oder Wannsee schicken. Einen akuten Engpass für 100 Siebtklässler, für die es bei der aktuellen Vergabe bislang keinen Platz gab, hat die Abteilung von Stadträtin Krössin aber nun gelöst. „Es sind alles vollwertige Plätze und keine Notlösungen“, erklärt sie zu dieser verspäteten, aber erfolgreichen Zuweisung.
Pankows Bezirkselternausschuss befürchtet Schulplatz-Mangel auf Jahre

Anerkennung gibt es dafür vom Bezirkselternausschuss Pankow. Laut der Vorsitzenden Katja Ahrens soll es sogar gelungen sein, die meisten der 100 „überzähligen“ Kinder durch Nachrück-Verfahren an Lernorte daheim in Pankow zu vermitteln. Bei den Pendelstrecken für Oberschüler in Berlin bezeichnet Ahrens die 45-Minuten-Frist ohnehin als „absolute Schmerzgrenze“. Einen echten Fortschritt für Familien hätte man, wenn der Schulweg in unter 30 Minuten zu bewältigen sei.
Selbst wenn Pankow sein Soll erfüllt und 24 neue Schulen bis 2030 eröffnet, wird es in den Klassenzimmern eng. „Jedes Schulprojekt, das wir ans Netz bringen, ist extrem wichtig“, sagte Ahrens beim Richtfest am Velodrom in Prenzlauer Berg. „Bis wir die 24 Schulen haben, wird es leider ein Weilchen dauern.“ Und so ändert auch eine Fertig-Schulen wie die an der Blenkle-Straße nur wenig daran, dass die Plätze in Pankows Klassen noch auf Jahre kaum reichen.