Berlin. Trotz Morddrohungen hält der Pankower CDU-Politiker David Paul am Abriss-Antrag für das Ernst-Thälmann-Denkmal fest. Und er legt nach.

Nach seinem Antrag zum Abriss des Ernst-Thälmann-Denkmals geriet David Paul in die Schlagzeilen, erhielt Schmähungen, selbst Morddrohungen – aber auch lobende Kommentare. Noch immer steht die Abstimmung dieses Antrag aus. Zum Interview traf die Berliner Morgenpost den 33-jährigen Bankkaufmann und CDU-Bezirksverordneten aus Prenzlauer Berg nun vor Ort am Monument. Bereits vor dem Gespräch hat er am Thälmann-Denkmal die neuesten politischen Slogans inspiziert. An der Seite prangt neuerdings der Ausspruch „Die BRD ist die Hure der USA“. Für Paul sind solche Sprüche in Zeiten des Ukraine-Kriegs eine Bestätigung für seine Forderung, dass man das Denkmal abbauen und einschmelzen muss – weil es Anhänger einer pro-russischen Weltsicht für sich eingenommen haben.

Berliner Morgenpost: Herr Paul, Ihr Antrag, das Ernst-Thälmann-Monument von der Denkmal-Liste zu streichen, abzubauen und zu verwerten wurde in den Medien heftig diskutiert. Kritiker nennen diesen Plan populistisch und pietätlos. Was halten Sie von der Kritik?

David Paul: Was daran pietätlos ist, hat sich mir noch nicht erschlossen. Der Denkmalschutz kann aufgehoben werden, wenn so ein Denkmal historisch anders eingeordnet wird. Und das sollte es meines Erachtens. Wir müssen das, was wir bisher am Ernst-Thälmann-Monument unternommen haben, kritisch hinterfragen. Wir müssen jetzt fragen: War Thälmann der Demokrat, den wir ehren wollen? Er war es wohl nicht. Wenn er mit der NSDAP 1931 Seit an Seit geschritten ist, dann hatte er wohl ein Demokratie-Problem. Zudem war Thälmann Vorsitzender der KPD, die heute richtigerweise verboten ist. Ich sehe an der Entfernung seines Denkmals deshalb nichts Pietätloses. Thälmann stand auf der linken Seite des Parteienspektrums. Wenn es um jemanden ginge, der sich auf der anderen Seite befindet, gäbe es gar keine Diskussion, ob wir hier ein Denkmal abbauen müssen. Und auch das fände ich richtig.

Wurden Sie und die CDU in Pankow für den Antrag angefeindet?

Wir wurden angefeindet. Ich als Person und Antragsteller – und auch bei der Partei und Fraktion gingen Schreiben ein. Wenn es inhaltliche Punkte betraf, habe ich sie beantwortet. Aber es gab leider auch Morddrohungen – und davon nicht wenige. Es gab sie in sozialen Netzwerken oder per E-Mail an mich.

Wie gehen Sie damit um?

Es stecken Wegwerf-Adressen dahinter. Es gibt keine Personen, die man greifen könnte. In sozialen Netzwerken weiß man auch nicht, ob die Namen die richtigen sind. Aber eines muss auch klar sein: Der digitale Raum ist kein rechtsfreier. Und man darf eins nicht vergessen: Wir Bezirksverordnete machen Politik ehrenamtlich neben unserer Vollzeit-Arbeit. Wenn man dabei auch noch angefeindet wird, dann weiß ich nicht, ob das die Attraktivität der Kommunalpolitik stärkt – wohl eher nicht. Ich, als jemand, der mit Rückgrat zu seinen Inhalten stehen will, versuche damit umzugehen. Wenn so etwas Leute machen, die etwas zarter besaitet sind, für die ist das sehr belastend.

Ihr Antrag wurde bislang noch nicht in der Bezirksverordnetenversammlung debattiert und abgestimmt. Dies soll nun geschehen. Inwiefern halten Sie an Ihren Forderungen fest?

Der Antrag ist gestellt, der bleibt auch so. Er wird voraussichtlich in der nächsten Bezirksverordnetenversammlung im Mai debattiert werden. Meine Forderung ist klar: Das Thälmann-Denkmal muss abgebaut werden, weil Thälmann ein Demokratiefeind war. Dieses Denkmal ist eine Projektionsfläche für antidemokratische Inhalte und Slogans. Hier hängen jetzt schon wochenlang Plakate für Demonstrationen, bei denen es darum geht, die NATO abzuschaffen.

Sie möchten ja auch den Materialwert des Denkmals der Ukraine-Hilfe zur Verfügung stellen, was mit einer Einschmelzung verbunden wäre. Gilt auch das weiterhin?

Das bleibt bestehen, das bleibt im Antrag drin. Aber wir werden sehen, wie die Diskussion zu diesem Antrag in der BVV läuft. Wenn sich andere Fraktionen an diesem Punkt reiben, aber der Rest des Antrags Konsens ist, werden wir noch einmal sehen, was wir machen.

CDU-Politiker David Paul aus Prenzlauer Berg sieht das Thälmann-Denkmal als Magnet für Anhänger von linksextremen und pro-russischen Inhalten. Er sagt: Den riesigen Platz an der Greifswalder Straße muss man sinnvoller nutzen – etwa als Spielplatz oder Park.
CDU-Politiker David Paul aus Prenzlauer Berg sieht das Thälmann-Denkmal als Magnet für Anhänger von linksextremen und pro-russischen Inhalten. Er sagt: Den riesigen Platz an der Greifswalder Straße muss man sinnvoller nutzen – etwa als Spielplatz oder Park. © Thomas Schubert

Aber es wurde doch in früheren Jahren bei einem Abrissantrag schon einmal festgestellt, dass der Aufwand für die Entfernung des Monuments wohl größer ist als der Erlös.

Wenn man den Nutzen nur monetär betrachtet, ist das schon möglich. Allerdings geht es auch das Symbolische. Wir müssen uns fragen: Was ist uns unsere Demokratie wert? Mir ist sie sehr viel wert. Und deswegen möchte ich, dass im öffentlichen Raum keine Feinde der Demokratie geehrt werden. Außerdem müssen wir das im größeren Kontext sehen. Wir reden davon, dass wir Flächen entsiegeln wollen. Das können wir hier machen. Wir reden davon, dass wir Platz für Wohnhäuser brauchen. Hier würde ein Wohnhaus hinpassen. Oder ein Spielplatz. Oder eine eine Vergrößerung des Thälmann-Parks. Oder eine Hunde-Auslauffläche. Der Platz wäre dafür besser verwendet, als darauf einen Anti-Demokraten zu ehren. Und ein ganz wichtiger Punkt: Man muss sich die Folgekosten anschauen. Das Denkmal wird ständig angeschmiert, das Saubermachen ist sehr teuer. Und auch das sollte man in die Rechnung miteinbeziehen.

Besonders umstritten ist der Bezug zwischen dem Abriss-Antrag der Pankower CDU-Fraktion und dem Krieg Russlands gegen die Ukraine. Können Sie uns diesen Bezug noch einmal erläutern?

Es ist so, dass Ernst Thälmann ein Anhänger des Stalinismus war. Eine Form des Kommunismus, die sehr stark mit Aggression unterlegt ist. An der Spitze des Denkmals sieht man Hammer und Sichel. Diese Zeichen waren die Zeichen der Sowjetunion. Putin hat in einer Ansprache zu Lage der Nation darauf hingewiesen, dass er so einen Zustand wieder herstellen möchte. Wir sehen bei diesem schrecklichen Überfall Russlands auf die Ukraine, dass dort auch Panzer mit sowjetischen Flaggen ausgestattet sind. Für mich ist der Bezug relativ klar. Wir sollten Menschen wie Putin keinen Spielraum geben. Weder in der Ukraine noch in Deutschland.

Was halten Sie davon, dass das Thälmann-Denkmal mit Bezug auf den Krieg mit politischen Parolen beschmiert wird?

Es sind immer die gleichen Parolen – es sind linksextreme Parolen. Der neueste Schriftzug lautet „Die BRD ist die Hure der USA“. Das Denkmal ist eine Projektionsfläche für Linksextreme, die sich nach einer Zeit zurücksehnen, die wir nicht mehr haben wollen. Ich bin sehr froh, in einem freien Land zu leben. Mit einer demokratischen Grundordnung und einem hohen Grad an Freiheit. Wenn ich die Erzählungen meiner Eltern und Großeltern über die DDR höre, dann war dieses Land unfrei. Ich möchte keine Unfreiheit für Deutschland.

Wie bewertet die Pankower CDU die Umsetzung der künstlerischen und historischen Kommentierung des Denkmals?

Für mich ist sie nicht zufriedenstellend. Ich kann die künstlerische Kommentierung offen gesagt hier auch nicht wirklich erkennen. Touristen, die hier lang kommen, sehen rote Blöcke mit verschiedenen Slogans darauf. Wer kein digitales Endgerät hat, kann die QR-Codes darauf nicht scannen und dementsprechend die Filme des Kunstprojekts nicht sehen. Schon deswegen ist das Projekt verfehlt.

Wir wissen ja, dass Thälmann statt der Blöcke mit QR-Codes auch eine riesige Rapper-Kette hätte bekommen können. Wäre das adäquat?

Adäquat für mich ist nur der Abbau des Ernst-Thälmann-Denkmals. Eine inhaltliche Kommentierung, wer Ernst-Thälmann war, ist hingegen angemessen. Eine solche Beschreibung könnte am vorderen Ende des Platzes dargestellt werden. Wenn das Denkmal abgebaut wird, bliebe der Name Ernst-Thälmann-Park mit einer Erklärung weiter erhalten. Deswegen betreiben wir mit unserem Antrag auch keine Geschichtsklitterung.

Hat man als junger CDU-Politiker in Prenzlauer Berg einen schwereren Stand als zum Beispiel in Reinickendorf?

Hat man. Das äußert sich in der täglichen Arbeit. Ich merke, wenn ich auf der Straße mit Leuten spreche, dass auch kritischere Reaktionen kommen. Ich finde das aber auch sehr fruchtbar, weil man dadurch andere Impulse bekommt. Die CDU in Berlin unterscheidet sich ja auch deutlich von der CDU auf dem Land. Großstädtische Politik ist eine andere Politik. Sie ist im Zweifel auch schneller. Trotzdem hinkt die Berliner Politik den Entwicklungen in Deutschland und der Welt hinterher. Wir sehen das etwa bei der Digitalisierung. Gesetzgeberisch haben wir sie nicht verschlafen, aber bei der Umsetzung. Es gibt das E-Government-Gesetz – aber wir als Bürger kriegen kaum einen Termin im Bürgeramt. Das Online-Zugangsgesetz sieht vor, dass bis 2022 alle Verwaltungsdienstleistungen auch online angeboten werden sollen. Aber in Berlin deutet sich an, dass es bis 2026 dauern wird. Da drohen wir schon wieder hinterherzuhinken. Das sollte so nicht sein.

Und auf Prenzlauer Berg gemünzt? Welche Akzente würden Sie gern setzen?

Ich glaube, wir setzen Akzente. Die Frage ist, wie es aufgenommen wird. Wir haben als CDU gefordert, dass es eine U-Bahnlinie 10 geben soll. Die Strecke würde am Ernst-Thälmann-Denkmal vorbei über die Greifswalder Straße nach Weißensee führen. Das würde uns helfen, die Tram zu verlegen – um zum Beispiel das neue Quartier an der Michelangelostraße zu erschließen, wo es mit der Umsetzung noch hapert. Wir haben in Prenzlauer Berg ein Problem mit steigenden Mieten. Aber der Ruf nach Sozialmieten ist für uns nicht der richtige. Wir müssen überlegen, warum Mieten steigen. Das ist so, weil die Grundstückspreise teurer werden, weil die Rohstoffpreise steigen. Und wo wenig Angebot ist, steigt der Preis. Wir müssten im mittleren Preissegment Wohnungen bauen. Sehr vermögende Leute bekommen immer eine Wohnung oder ein Haus. Leute mit wenig Einkommen haben Anspruch auf eine Sozialwohnung. Aber der Mittelteil der Gesellschaft, der bricht uns weg. Es gibt Polizeidienststellen in Pankow, wo Polizisten aus Brandenburg einpendeln, weil sie sich Wohnungen hier nicht leisten können. Warum keine Wohnungen anstelle des Thälmann-Denkmals?

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