Berlin. Bis zu 19 Viertel in Pankow sollen Sperren gegen den Durchgangsverkehr bekommen. Dazu gehören auch zwei Spitzenreiter der Bürger.
Es ist wohl das großflächigste Projekte zur Verkehrsberuhigung in Berlin: Nicht weniger als 19 Vorschläge von Nachbarschaftsinitiativen zur Abwehr von unerwünschten Durchgangsverkehr liegen dem Bezirksamt Pankow inzwischen vor. Wenn man alle 19 „Kiezblocks“ umsetzt, wären weite Teile des Bezirks mit Sperren und Einbahnstraßen so umgestaltet, dass Autofahrern die beliebtesten Schleichwege verleidet würden .
Aber die hohe Zahl der Kieze, aus denen Bürger ihre Konzepte eingereicht haben, erschwert eine entscheidende Frage: Wo fängt der Feldversuch an? Wie berichtet, sind nicht alle politischen Fraktionen und Kiez-Initiativen mit einer Favoritenliste des Bezirks glücklich. Ganz vorne landete beim ersten Eignungstest überraschend der Langhanskiez in Weißensee – auch weil Pankow hier Fördergeld anzapfen kann, um die Neugestaltung der Straßen zu bezahlen. Aber nicht nur das Geld, auch das Gefühl soll mitentscheiden. Oder der „Leidensdruck“, wie es eine Anwohnerin der Arnimkiezes in Prenzlauer Berg nun im Verkehrsausschuss formulierte.
Zwei weitere Viertel in Pankow zu Favoriten ernannt
Eine Verkehrszählung durch Laien ergab hier in Spitzenzeiten bis zu 600 Autos pro Stunde in den Wohnstraßen. Dieses Viertel in Prenzlauer Berg ist in der Rangliste des Bezirksamts trotzdem abgeschlagen – weit hinter den Favoriten: dem Langhanskiez, dem Winsviertel, dem Kollwitz- und Helmholtzkiez.
Dank einer nun beschlossenen Regelung kommt die Wohngegend am Arnimplatz aber trotzdem in den engsten Kreis für das Pilotprojekt. Auf Vorschlag der Grünen-Bezirksverordneten Almuth Tharan einigten sich die Mitglieder der Verkehrsausschusses auf folgendes Modell: Neben den bisherigen Favoriten des Bezirksamts kommen auch zwei subjektive Spitzenreiter der Bürger und Fraktionen in die Endauswahl: der Arnimplatz und das Komponistenviertel in Weißensee.
Zustimmung kommt von SPD-Fraktionschef Roland Schröder, der sagt: „Es ist wichtig, von einer technokratischen, erbsenzählerischen Sicht auf das Projekt wegzukommen.“ Johannes Kraft von der CDU stört ein prinzipieller Schwachpunkt: In der Kriterienliste des Bezirks waren zwar die Finanzierbarkeit und verkehrstechnische Machbarkeit enthalten, aber keine einzige Verkehrszählung. „Wir müssen wissen: Über wie viel Verkehr reden wir in welchem Viertel?“, meint Kraft. Ganz ungewollt könnte man mit der Auswahl eines falschen Stadtgebiets die Unsinnigkeit der Sperren beweisen.
Changing Cities warnt vor „übervorsichtigem Zaudern“
Bei der Verkehrswende-Initiative „Changing Cities“ besteht eher die Sorge, dass sich das Bezirksamt Pankow zu lange mit der Erörterungen der Vorbedingungen für den Feldversuch aufhält . Es brauche „agiles Verwaltungshandeln statt übervorsichtiges Zaudern“, sagt Sprecher Tobias Kraudzun.
Dass die Verwaltung auf das Gefühl der Kiezinitiative zur Dringlichkeit der Verkehrsberuhigung vertraut, hält er für richtig. Das „Kiezblock“-Projekt sei im letzten Winter gerade deshalb in Gang gekommen. Es gehe um die „täglich erlebte Gefährdung, die die Anwohnenden überhaupt erst dazu gebracht hat, sich zu engagieren.“ Diese Gefährdung könne man auch leicht überprüfen durch eine einfach Zählung des Kraftfahrzeugverkehrs. Damit wäre der subjektive Leidensdruck durch Fakten belegt.