Berlin. 60 Jahre hat das Einraum-Kino an der Karl-Marx-Allee schon erlebt. Das wird noch kräftig gefeiert, bevor zwei Jahre lang saniert wird.

60 Jahre „Kino International“ – das will schon etwas heißen, in Zeiten, in denen viele Filme vom Sofa aus über Streamingdienste geschaut werden. Doch wie damals schon bei der Eröffnung 1963 als Premierenkino der DDR wollen die Organisatoren auch heute ein echtes Erlebnis bieten. Damit das nach dem Entwurf des Architekten Josef Kaiser errichtete Gebäude weiterhin mitmacht, muss saniert werden. Das „Inter“ wird sich dabei treu bleiben, verspricht die zuständige Yorck-Gruppe. Doch vor dem Abschied wird zunächst gefeiert.

Zwei Jahre muss das Kino für die denkmalgerechte Grundsanierung geschlossen werden. Die nächste Berlinale vom 15. bis 25. Februar will man noch mitmachen. Aber im April 2024 beginnt dann die mindestens zwei Jahre dauernde Umbaupause, sagt Thore Horch. „Das Kino war 60 Jahre lang so gut wie nie geschlossen. Das hat Spuren hinterlassen.“ Der 32-Jährige ist im Kino International für Premieren und Sonderveranstaltungen zuständig.

Wir rekonstruieren so nah am Original wie möglich.
Thore Horch, Yorck-Gruppe

So einiges wurde über die Jahre im Kino International schon mal angefasst, ausgebessert oder ergänzt. Die prächtigen Kronleuchter in der Panoramabar etwa, die sich im über dem Eingangsbereich schwebenden Gebäudeteil befindet, stechen aus dem nahezu im Originalzustand verbliebenen 60er-Jahre Interieur heraus. Kein Wunder, sagt Thore Horch. „Die kamen erst in den 80ern dazu.“

Das Foyer besteht aus einem Mix aus Schwere und Glamour. Typisch Kino International.
Das Foyer besteht aus einem Mix aus Schwere und Glamour. Typisch Kino International. © Funke Foto Services | Maurizio Gambarini

Während die Kronleuchter lediglich aufpoliert zu werden brauchen, benötigt anderes mehr Zuwendung, um wieder zu glänzen. Dem eleganten Echtholzparkett, das die Besucher in der Bar-Ebene empfängt, geht es weitaus schlechter. Wasser und Benutzung haben dem Holz stark zugesetzt. „Wir rekonstruieren so nah am Original wie möglich“, verspricht Horch.

Besucher bekommen ihr Kino International zurück

Das gelte im Übrigen für das gesamte Haus. Die grundlegende Gestaltung, die nicht nur die Handschrift des Architekten Josef Kaiser enthält, sondern auch Ergänzungen aus den Jahrzehnten danach, solle erhalten bleiben. Die großen Fenster und Türen im Foyer und im Barbereich etwa, die charakteristische Holzverkleidung im Kino-Saal oder die blauen Samtsitze. Vieles wird erneuert, vor allem im Bereich der Technik oder des Dachs, manches nur aufgefrischt, doch am Ende sollen Besucher ihr Kino International so wiederbekommen, wie sie es kennen.

Der Kino-Saal bietet heute Platz für 550 Besucherinnen und Besucher. Früher waren es mehr, die Sitze aber auch schmaler und weniger gemütlich.
Der Kino-Saal bietet heute Platz für 550 Besucherinnen und Besucher. Früher waren es mehr, die Sitze aber auch schmaler und weniger gemütlich. © Funke Foto Services | Maurizio Gambarini

Wo es möglich ist, will man aber mit der Zeit gehen. „Die Lüftungsanlage wird zum Beispiel eine Wärmerückgewinnung bekommen, um die warme Luft aus dem Inneren wieder nutzen zu können“, erklärt Thore Horch. Von der Idee Solarkollektoren auf dem Dach zu installieren und neue, besser isolierte Fenster einzubauen, musste man aufgrund der Statik des Hauses aber Abstand nehmen. Im Moment rechne man mit Kosten im unteren achtstelligen Bereich, wie es heißt. Dabei kann die Yorck-Gruppe auf Fördermittel vom Bund und der Lottostiftung zurückgreifen.

In der „Honecker-Lounge“ wurden Staatsgäste empfangen

Das International wurde schon bei seiner Entstehung als multifunktionales Gebäude geplant. Bis heute finden sich Orte, an denen Menschen zusammenkommen können. Das als „Honecker-Lounge“ bekannte fensterlose Zimmer diente mal zum Empfang von Staatsgästen, heute wirkt es verwaist.

Der Blick in die Panorama-Bar erklärt ihren Namen von selbst. Die deckenhohen Fenster lassen viel Tageslicht rein. Hier kommen Kino-Gäste vor und nach dem Film zusammen. Aber auch, wer nur ein Getränk zu sich nehmen will, ist willkommen.
Der Blick in die Panorama-Bar erklärt ihren Namen von selbst. Die deckenhohen Fenster lassen viel Tageslicht rein. Hier kommen Kino-Gäste vor und nach dem Film zusammen. Aber auch, wer nur ein Getränk zu sich nehmen will, ist willkommen. © Funke Foto Services | Maurizio Gambarini

Auch den bis in die Nuller-Jahre als Jugendclub genutzten Räume ergeht es so. Ganz ähnlich die damalige Bibliothek, die sich gleich an das Foyer anschließt, damals aber über einen separaten Eingang klar vom Kino-Betrieb getrennt war. Viele Berlinerinnen und Berliner feierten im Inter ihre Jugendweihe, kamen zu Bällen oder im „Klub International“ zum Feiern zusammen. Das alles gibt es zwar nicht mehr. Die Yorck-Gruppe will aber auch in Zukunft Orte schaffen, an denen sich Menschen treffen und Zeit teilen.

Karl-Marx-Allee soll Unesco-Welterbe werden

Doch nicht nur innerhalb des Kinos steht Wandel bevor. Berlin will den Bereich der Karl-Marx-Allee zwischen Strausberger Platz und Alexanderplatz zum Unesco-Welterbe machen. Mit dem Haus der Statistik und neuen Pavillons an der westlichen Karl-Marx-Allee entsteht ein neues Ensemble. Mit dem International als Anker.

Generationen und ihre Spuren: Über dieses versteckt gelegene Treppenhaus gelangten bis in die Nuller-Jahre die Kinder aus dem Kiez in den Jugendclub – und gestalteten es nach ihrem Geschmack.
Generationen und ihre Spuren: Über dieses versteckt gelegene Treppenhaus gelangten bis in die Nuller-Jahre die Kinder aus dem Kiez in den Jugendclub – und gestalteten es nach ihrem Geschmack. © Funke Foto Services | Maurizio Gambarini

Zentral waren im Inter aber schon immer die Filme. DEFA-Filme feierten dort ihre Uraufführung, darunter „Solo Sunny“ (1980). Hinzukamen ausgewählte westliche Produktionen wie „Cabaret“ (1972), „Jenseits von Afrika“ (1985) oder „Dirty Dancing“ (1987). Der Abend des 9. November 1989 war auch im Kino International ein besonderer. Als die Mauer fiel, fand gerade die Premiere von „Coming out“ statt, dem ersten – und letzten – queeren Film der DDR.

1992 übernahm die Yorck-Gruppe das „Inter“

Am 2. Oktober 1990, dem letzten Tag der Existenz der DDR, wurde das Kino International in die Denkmalliste der Stadt Berlin aufgenommen und womöglich war dies der Moment, in dem feststand, dass seine Geschichte noch lange weitergeschrieben werden sollte.

Die sogenannte „Honecker-Lounge“ wirkt heute verlassen. Das Zimmer war bei Gästen nie wirklich beliebt. Denn es hat kein Fenster.
Die sogenannte „Honecker-Lounge“ wirkt heute verlassen. Das Zimmer war bei Gästen nie wirklich beliebt. Denn es hat kein Fenster. © Funke Foto Services | Maurizio Gambarini

1992 übernahm die Yorck-Kinogruppe das Filmtheater und führt es seither vor allem mit Arthouse-Filmen, aber auch die großen Kassenfüller dieses Jahres wie „Oppenheimer“ oder „Barbie“ liefen im Inter. Hinzukommen Konzerte und Festivals, nicht zuletzt die Berlinale. Seit 25 Jahren findet dort zudem die wöchentliche queere Filmreihe „Mongay“ statt.

Zum Jubiläum werden DEFA-Klassiker gezeigt

Und auch zum Jubiläum stehen Filme im Fokus. Bis Anfang nächsten Jahres werden DEFA-Klassiker zum Sondereintrittspreis von sechs Euro gezeigt. Darunter sind Streifen wie „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“, „Die Legende von Paul und Paula“ oder „Spur der Steine“.

Der Vorführraum hat bis heute einen analogen Filmprojektor. Doch genutzt wird er nicht mehr. Alle Filme werden digital abgespielt.
Der Vorführraum hat bis heute einen analogen Filmprojektor. Doch genutzt wird er nicht mehr. Alle Filme werden digital abgespielt. © Funke Foto Services | Maurizio Gambarini

Das Festprogramm wird dann bis in den Januar fortgesetzt. Vom 12. November bis 2. Januar zeigt das International sonntags „Deutsche Filme aus 60 bewegten Jahren“. Auch hier sollten Besucher je sechs Euro pro Ticket dabei haben. Das gesamte Programm gibt es im Internet unter www.yorck.de.

Tag der offenen Tür am 19. November

Am 19. November, ab 11 Uhr, wird zudem ein Tag der offenen Tür veranstaltet. Thore Horch und seine Kollegen führen durch den 60er-Jahre-Charme des Gebäudes und zeigen dabei auch die Abläufe hinter den Kulissen. Im Kino-Foyer wird es zudem eine Ausstellung geben und einen Filmplakate-Basar.

Am Freitag werden zunächst geladene Gäste erwartet. Unter anderem mit dabei sind Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) und Wegbegleiter aus 60 Jahren Kinogeschichte.

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