Verdrängung

Späti "Ora35": Angst vor der Zwangsräumung

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Denkt überhaupt nicht daran, ihren Laden aufzugeben: Zekiye Tunc, Chefin des Geschäfts Ora35 an der Oranienstraße

Denkt überhaupt nicht daran, ihren Laden aufzugeben: Zekiye Tunc, Chefin des Geschäfts Ora35 an der Oranienstraße

Foto: Patrick Goldstein

Der Späti an der Oranienstraße stemmt sich seit vielen Jahren gegen die Kündigung. Am Donnerstag wird für seinen Erhalt demonstriert.

Berlin. Am heutigen Donnerstag ist zur Protestkundgebung für den Spätkauf „Ora35“ aufgerufen. Trotz Unterstützung von SPD-, Linken- und Grünen-Politikern aus Abgeordnetenhaus und Bundestag sowie der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Friedrichshain-Kreuzberg muss die betreibende Familie Tunç um ihren Laden fürchten. Der Gerichtsvollzieher kündigte bereits die Räumung an. Das Geschäft an der Oranienstraße 35 in Kreuzberg sorgt für den Lebensunterhalt der Eltern sowie der zwei Söhne, die dort arbeiten.

Konstantin Sergiou von der Nachbarschaftsinitiative Bizim Kiez berichtet, dass die Auseinandersetzung mit dem Vorbesitzer des Hauses begann. Dieser hatte der Familie gekündigt. Der nachfolgende Besitzer setzte den Streit fort. Die Situation alarmierte 2017 die BVV, die der Familie Tunç ihre Unterstützung zusagte. In einer Resolution aus dem Oktober heißt es: „Die BVV fordert die Eigentümerin des Hauses, die Bauwerk Immobilien GmbH in Berlin auf, das entgegenkommende Angebot der Betreiberfamilie anzunehmen, welches sich an der wirtschaftlichen Tragfähigkeit des Ladens orientiert.“ Die BVV erklärte, die Forderungen der Eigentümer „einer Miete von faktisch über 40 Euro pro Quadratmeter“ sei „utopisch und mit einem normalen Kleingewerbe nicht zu erwirtschaften“. Auf die Bitte der Berliner Morgenpost um eine Stellungnahme reagierte Bauwerk nicht.

Mietforderungen von 60 Euro pro Quadratmeter

Laut Sergiou zahlt Familie Tunç rund 1350 Euro monatlich. Das Geschäft sei 70 bis 80 Quadratmeter groß, sagt Zekiye Tunç (57), so genau wisse sie das nicht. Sergiou erklärt, es gebe an der Oranienstraße für Gewerberaum bereits vereinzelt Mietforderungen von 60 Euro pro Quadratmeter.

Im Juni erhielt Zekiye Tunç, die Nachricht, dass die Räumung in Kürze vollstreckt wird. Bizim-Kiez-Aktivist Sergiou sagt, dass damit ein Kiez-Treffpunkt verloren gehen werde. „Ora35“ sei anders als übliche Berliner Spätis, deren Allgegenwart Kritik an einer zunehmenden Touristifizierung von Teilen Berlins anfeuert. Statt aber ein weiterer anonymer Ort für angeheiterte Berlinbesucher zu sein, sei das Geschäft Begegnungsstätte für Nachbarn, wo man sich kenne, austausche und als langjähriger Kunde auch mal einen Rabatt bekomme.

Exemplarisch sei, dass Familie Tunç bei der ersten Kündigung schnell 3000 Unterschriften jener zusammenbekam, die sich für den Verbleib des Ladens aussprachen. Sollte in den kommenden Tagen oder Wochen „Ora35“ geräumt werden, so ist sich Sergiou sicher, werde „auf der Landkarte ein schwarzer Fleck zurück bleiben“.

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