Berlin hat den Görlitzer Park zur Null-Toleranz-Zone erklärt. Die Dealer suchen nach neuen Standorten wie der Hasenheide oder der Revaler Straße. Das führt zu Gewalt, weil dort schon Konkurrenten sind.

Der Drogenhandel hat Teile von Berlin wie eine Krake im Griff. Seitdem die Berliner Polizei den Handel im Görlitzer Park mit regelmäßigen Razzien und Kontrollen versucht, in den Griff zu bekommen, kämpfen die Dealer an anderen Orten in der Stadt um ihre Verkaufsplätze. Ein Beispiel ist die Hasenheide in Neukölln. Am späten Sonntagabend, wenige Minuten vor 22 Uhr, haben Anwohner eine Schlägerei in dem weitläufigen Park gemeldet. Nach dem Eintreffen der Einsatzkräfte trafen sie in der Grünanlage keine Beteiligten mehr an. Aber der Einsatz sollte sich fortsetzen.

Nur wenig später alarmierten Passanten die Feuerwehr – sie hatten auf dem Gehweg der Hobrechtstraße eine stark blutende Person gefunden, die nicht mehr ansprechbar war. Der Mann hatte eine tiefe Schnittverletzung unterhalb seiner Achsel und war auf offener Straße kollabiert. Ein Notarzt behandelte den 37-Jährigen und brachte ihn mit einem Rettungswagen in ein Krankenhaus. Polizeibeamte fanden eine Blutspur, die bis in die Hasenheide führte, und bei der Absuche des Geländes weitere Beweismittel, darunter ein Messer und Pfefferspray. Die Kriminalpolizei der Direktion 5 ermittelt wegen des Verdachts der gefährlichen Körperverletzung.

Drogenumschlagplatz Hasenheide

Ob es sich in dem jüngsten Fall um Revierkämpfe zwischen Drogendealern gehandelt hat, wird noch ermittelt. Fest steht, dass polizeiintern für die Hasenheide mittlerweile die höchste Alarmstufe gilt. Allein im März seien bei mehreren Polizeieinsätzen Drogen im Wert von mehr als 10.000 Euro beschlagnahmt worden. Für die Einsatzkräfte in der Hasenheide gilt das Höchstmaß an Eigensicherheit. Viele Beamte gehen deswegen mit Schutzwesten in den Park.

„Die Täter versuchen natürlich immer zu fliehen“, sagte ein Fahnder der Berliner Morgenpost. „Wenn wir sie fassen können, leisten sie aber mittlerweile bei nahezu jeder Festnahme erheblichen Widerstand. Für unsere eigene Sicherheit müssten wir eigentlich mit sehr viel mehr Beamten dort die Einsätze durchführen.“ Die aber würden nicht zur Verfügung stehen. „Die Dealer sind doch nicht nur selber mit Messern bewaffnet“, so der Ermittler. „Sie haben auch Messer und Schlagwaffen in ihren Drogenverstecken hinterlegt.“ Auch die Gefahr durch ansteckende Krankheiten würde zunehmen. „Erst vor kurzem wurde bei einem festgenommenen Afrikaner eine offene TBC entdeckt“, sagte der Ermittler. „Davor warnt uns keiner.“

Nach Angaben des Ermittlers hat die Polizeipräsenz im Görlitzer Park dazu geführt, dass die dort vertriebenen Drogenhändler in der Stadt nach neuen Standorten suchen. „Die Dealer gehen doch den Weg des geringsten Widerstandes“, sagte er. „Sie versuchen, an anderen Orten Fuß zu fassen und Drogen zu verkaufen.“

Dementsprechend beobachten die Ermittler an den bekannten Drogenumschlagplätzen in der Stadt gewalttätige Auseinandersetzungen. Diese werden natürlich nicht bei der Polizei zu einer Anzeige gebracht. Am RAW-Gelände an der Revaler Straße/Ecke Warschauer Straße in Friedrichshain versuchen verstärkt Afrikaner in der dort ansässigen Drogenszene Fuß zu fassen. „Das Gebiet ist fest in der Hand arabischer Dealer“, erzählte der Fahnder von seinen überwiegend nächtlichen Observierungen. Da würde es schnell zu Auseinandersetzungen kommen. „Wenn sich die Chefs der Araber blicken lassen, dann flitzen die Afrikaner wie die Hasen.“ Entlang der Revaler Straße gibt es mehrere Tore auf das RAW-Gelände mit den Kneipen und Veranstaltungsorten. An Tor 1 wird der meiste Drogenumsatz beobachtet. Auch dort gibt es Auseinandersetzungen um die besten Plätze. „Da herrschen klare Hierarchien und Strukturen“, so der Ermittler. Entlang der Revaler Straße werden nach Beobachtungen der Polizei mittlerweile deutlich mehr Drogen verkauft, als im Görlitzer Park. „Wenn es wärmer wird und noch mehr junge Touristen nach Berlin kommen, wird der Drogenumsatz dort noch weiter steigen“, so der Beamte.

„Gleiche Drogenbanden, aber neue Gesichter“

„Es war klar, dass intensiveres polizeiliches Handeln am Görlitzer Park konfliktträchtige Folgen hat. In der Hasenheide gibt es kaum noch eine Festnahme ohne erheblichen Widerstand“, sagte Steve Feldmann, Pressesprecher der Gewerkschaft der Polizei. „Ohne ein nachhaltiges Konzept hat die Politik den Polizisten der Direktion 5 eine Aufgabe gestellt, für die wir weder personell noch materiell ausgestattet sind. Die Folgen kriegen unsere Beamten zu spüren. Jetzt könnte in Berlin ein Drogenkrieg eskalieren, den wir Polizisten mit unserer Gesundheit bezahlen sollen. Wer knallhart gegen Drogen vorgehen will, sollte vorher realisieren, dass knallharte Sonntagsreden allein nicht reichen.“

Die Fahnder beobachten, dass die aus dem Görlitzer Park vertriebenen Händler durch neue ersetzt werden. „Das sind die gleichen Drogenbanden, die schicken aber neue Gesichter.“ Innensenator Frank Henkel (CDU) bekräftigt seine Aussage vom April: „Wir hatten nicht die Illusion, dass wir das Problem über Nacht beheben können. Dazu braucht es einen langen Atem, und den haben wir. Wir wollen den Dealern das Geschäft so unattraktiv wie möglich machen, indem wir sie permanent unter Druck setzen.“ Während im Görlitzer Park zu 90 Prozent mit Marihuana gehandelt wird, wird an den anderen Umschlagplätzen von Kokain, Heroin, bis hin zu Crystal Meth und anderen synthetischen Drogen alles verkauft.

Handel auch in der U-Bahn

Neben Afrikanern und Arabern würden sich Türken und immer häufiger auch Russen die „Hotspots“ der Drogenszene unter sich aufteilen beziehungsweise streitig machen, wird beobachtet. Das ist unter anderem am Kottbusser Tor in Kreuzberg, am Hermannplatz und an der Hermannstraße in Neukölln der Fall. Auch entlang der U-Bahnlinien U6, U7 und U8 werde zum Teil heftig um die Umschlagplätze für die illegalen Drogen gekämpft.

„Wir haben die Null-Gramm-Grenze in Parks unterstützt und halten den politischen Kompromiss auch für sinnvoll“, sagte der rechtspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Sven Kohlmeier. „Die Umsetzung beziehungsweise die Vollzugsaufgaben liegen aber bei Innensenator Frank Henkel und Justizsenator Thomas Heilmann.“ Man müsse sich langfristig fragen, ob diese Verbotstaktik der Innenverwaltung dauerhaft zu einem Erfolg führen könne.