Berlin. Hostel-Eigentümer Skora will geplante Übermalung mit einstweiliger Verfügung stoppen – und bemüht gewagten Vergleich zur Nazi-Zeit.

Neue Eskalationsstufe im Streit zwischen Alexander Skora und dem Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf. Skora ist Eigentümer des „Happy Go Lucky“ Hostels am Stuttgarter Platz. Er weigert sich, dessen bunte Fassade, wie vom Bezirk gefordert, beige oder grau zu übermalen. Die dafür gesetzte Frist ließ er verstreichen. Der Bezirk hat deshalb nun eine Malerfirma beauftragt.

Seit Montag wird das Gerüst für die Übermalung gebaut. Ob die bunte Fassade wirklich grau wird, bleibt aber noch abzuwarten. Denn Skora hat beim Landgericht Berlin einen Antrag auf einstweilige Verfügung gestellt. Bis Montag, den 13. November, 13 Uhr, hatte das Land Berlin Zeit für eine Stellungnahme.

Was für einen Stopp der Übermalung sprechen könnte

Zwei Gründe sprechen in Skoras Augen dafür, dass sein Antrag erfolgreich sein wird. Erstens sei das Urteil des Oberverwaltungsgerichts, auf dessen Basis der Bezirk die Maler kommen lassen will, in seinen Augen „konstruiert“. Das Gericht hatte geurteilt, die bunte Fassade des Hostels beeinträchtige den Blick auf ein denkmalgeschütztes Gebäude zwei Häuser weiter und müsse deshalb übermalt werden. Skora hält dagegen: Zwei Drittel des denkmalgeschützten Eckhauses stehen in der angrenzenden Windscheidstraße, nur der kleinere Teil am Stuttgarter Platz. Das Landgericht wird das ähnlich sehen, hofft er.

Weil das Wandbild am Hostel die Aufmerksamkeit von diesem denkmalgeschützten Haus ablenke, soll es verschwinden, so das Gericht.
Weil das Wandbild am Hostel die Aufmerksamkeit von diesem denkmalgeschützten Haus ablenke, soll es verschwinden, so das Gericht. © FUNKE Foto Services | Sergej Glanze

Die kalten Temperaturen sind der zweite Grund, mit dem er die Richter überzeugen will. Ende der Woche würden minus zwei Grad erwartet, da könne man keine Farbe an die Wand bringen. Sie würde schlicht nicht halten und das Gerüst monatelang ungenutzt stehen, so Skora.

Künstler reist extra nach Berlin, um „Zerstörung“ zu verhindern

Noch gibt es aber keinen Entscheid des Landgerichts und so haben Arbeiter zunächst begonnen, die Fassade einzurüsten. Die Polizei ist vor Ort, um sicherzustellen, dass die Arbeiten ungestört ausgeführt werden können. Sobald das Gerüst steht, soll in den kommenden Tagen mit den Malerarbeiten begonnen werden. Dass es dazu nicht kommt, hoffen die Unterstützerinnen und Unterstützer, die sich vor dem Hostel versammelt haben. Ihr Protest ist genauso bunt wie die Fassade, für deren Erhalt sie sich einsetzen: Sie tragen Blumenketten, Brillen und Warnwesten – alles in knalligem Orange

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Dom Browne hat sich sogar die Haare orange gefärbt. 2016 hat er die Fassade gestaltet, über die seitdem gestritten wird. Er sei extra aus Dublin angereist, um zu verhindern, dass sein Kunstwerk zerstört wird, erfährt man von Skora. Browne selbst sagt im Gespräch mit der Berliner Morgenpost, er verstehe nicht, warum die Stadt Berlin dermaßen viel Energie auf diese Häuserwand konzentriert, wo es doch so viele andere Probleme in der Stadt gebe. Auch in der Nachbarschaft gebe es kein Verständnis für das Vorhaben des Bezirks.

Historische Vergleiche mit Nazi-Deutschland

Eigentümer Skora rechnet mit einem „internationalen Aufstand“ für den Fall, dass die Wand tatsächlich übermalt werden sollte. Schließlich sei Berlin nicht dafür bekannt, dass es Kunstwerke zerstört. „Das haben sie vor 80 Jahren mal gemacht“, sagt Skora und spielt damit auf die Nazi-Zeit an. Er blickt in den Kreis seiner Unterstützer und führt fort: „Es sind auch einige Israelis heute hier, die das auch nicht in Ordnung finden.“ Browne schlägt ähnliche Töne an: Der Street-Art-Künstler bemüht den Vergleich zur Propaganda-Ausstellung „Entartete Kunst“ 1937 in München. Er sagt, es sei eine Schande, dass eine kleine Zahl mächtiger Leute nun die Geschichte wiederholen könne.

Der irische Street-Art-Künstler Dom Browne hat kein Verständnis dafür, dass Berlin seine Kunst partout entfernen lassen will.
Der irische Street-Art-Künstler Dom Browne hat kein Verständnis dafür, dass Berlin seine Kunst partout entfernen lassen will. © Funke Foto Services | Maurizio Gambarini

Dass Skora die ganz großen Vergleiche nicht scheut, hatte er schon in der Vergangenheit bewiesen. Gelegenheiten dazu hatte er viele. Mit dem Bezirksamt liegt er wegen seiner Fassade schon seit Jahren im Clinch. Dem Amt hat er dabei unter anderem vorgeworfen, sich wie die „Zensurbehörde eines totalitären Staats“ aufzuführen. Die Methoden des Amtes würden an „Repressalien gegen Künstler und Kreative in Nordkorea, China, Russland oder in der Türkei“ erinnern, hieß es von Skora.

Bis Ende 2023 sollen die Arbeiten abgeschlossen werden

Zurück in die Gegenwart: Die Arbeiten an der Hostel-Fassade seien grundsätzlich ein Job wie jeder andere, sagt David-Anthony Masuth von der beauftragten Maler-Firma. Nur der Tumult drumherum sei für ihn und seine Kollegen nicht alltäglich. Laufe alles wie geplant, sei man aber bis spätestens Ende dieses Jahres fertig. Allerdings könne man bei einer so bunt übermalten Fassade nicht ausschließen, dass noch Schäden entdeckt werden, die aus der Ferne nicht zu sehen sind, so Masuth.

Am Montagnachmittag hat sich die Lage vor dem Hostel beruhigt. Die Polizei ist abgezogen und die Gerüstbauer führen letzte Arbeiten aus. Die nächsten Tage dürften spannend bleiben.