Berliner Museen

Fotografie und mehr in der Villa Oppenheim

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Katrin Starke
Anne Schönharting fotografierte Alexander Iskin

Anne Schönharting fotografierte Alexander Iskin

Foto: Anne Schönharting, Hartmann Books, 2022

In der Ausstellung „Habitat im Dialog“ korrespondieren zeitgenössische Fotografien mit Werken des 19. Jahrhunderts.

Berlin. „Habitat“? Noch einmal? Die Fotoserie von Anne Schönharting war doch im vergangenen Herbst im Haus am Kleistpark zwei Monate lang zu sehen. Und jetzt sind ihre Arbeiten schon wieder seit gut einem Monat in der Villa Oppenheim, dem Charlottenburg-Wilmersdorfer Bezirksmuseum, ausgestellt. Macht das denn Sinn? – das mag man sich fragen.

Die Antwort ist ein klares Ja. Denn die jetzige Ausstellung ist nicht dieselbe wie die im Haus am Kleistpark. Das Museum Charlottenburg-Wilmersdorf hat die „Habitat“-Serie, für die Anne Schönharting mehr als zehn Jahre lang Menschen in ihren Wohnungen in Charlottenburg porträtiert hat, eingebettet in seine eigene Dauerausstellung „SammlerStücke“, einer Schau mit Werken des 19. Jahrhunderts und der Berliner Secession. Die von Laura Benz kuratierte Zusammenschau „Habi­tat im Dialog“ lädt dazu ein, sich dem Kosmos Charlottenburg sowohl in Gemälden und Skulpturen als auch in Fotografien zu nähern.

Zugegeben, die Autorin dieser ­Zeilen hat die Ausstellung an einem Tag besucht, an dem viele Berliner­innen und Berliner nicht arbeiten mussten. Aber es war dennoch unübersehbar: Der Zulauf zu dieser besonderen Schau ist enorm. Junge Leute aus Charlottenburg waren ebenso unter den Besuchern wie ältere Berliner aus anderen Bezirken. Sie betrachteten die aussagestarken Fotografien genauso intensiv wie die historischen Gemälde und Skulpturen, suchten nach ­Gemeinsamkeiten und Unterschieden. Der Dialog ist also gelungen.

Charlottenburger haben Anne Schönharting ihre Türen geöffnet

Anne Schönharting, 1973 in Meißen geboren, wurde am Lette-Verein Berlin zur Fotografin ausgebildet und ist seit 1999 Mitglied der renommierten Fotoagentur Ostkreuz. In ihren Langzeitprojekten widmet sie sich den unterschiedlichsten Themen und bewegt sich dabei spielerisch zwischen den Genres. Der künstlerischen Doku­mentarfotografie hat sie sich ebenso verschrieben wie dem Porträtfoto, sie macht Modefotos und fotografische Sozialstudien.

Während ihres Langzeitprojekts „Habitat“ haben Menschen, die in Charlottenburg leben, der Fotografin ihre Wohnungstüren geöffnet. Vornehmlich sind es Frauen und Männer aus der Berliner Kulturszene und Geschäftsleute, die Anne Schönharting Einblicke in ihre privaten vier Wände gestattet haben. Entstanden sind Interieurs und Stilleben, Inszenierungen, aber auch Porträts.

So hat die Fotografin die Schauspielerin Johanna Polley mit einem Porträtfoto in Szene gesetzt. Den ehemaligen Intendanten der Berliner Festspiele, Joachim Sartorius, hat sie im Sessel sitzend abgebildet, neben sich auf dem Tisch einen Stapel ­Bücher. Den Künstler Jacob Mattner fotografierte sie in seinem Badezimmer, die Unternehmerin Hosta ­Müller mit ihren Hunden, den Galeristen Alfred Kornfeld in seiner Küche. Zudem hat sie Menschen abgelichtet, die nicht namentlich genannt werden, „ohne Namen“ lauten die Titel dann schlicht.

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Einige Fotos wirken selbst wie Gemälde

Nicht nur die Gesten, Haltungen und Ausstattungen der Wohnräume sind Ausdruck des gesellschaftlichen Status und des Selbstverständnisses der Porträtierten – auch die Kunstwerke in den Wohnungen geben Auskunft über deren Besitzer, ihre stilistischen Vorlieben. Einige Fotos von Anne Schönharting wirken selbst wie Gemälde – und zwar in der Tradition der Alten Meister. Nur ein Beispiel dafür ist das Foto des 2021 verstorbenen Stadthistorikers Fred ­Riedel: Es zeigt ihn in einem recht dunklen Raum auf einem Stuhl ­sitzend, den Kopf gesenkt. Das Foto fügt sich ein in die Reihe der Gemälde aus der Kunstsammlung Charlottenburg mit Werken von Walter Leistikow, Franz Skarbina oder Max Liebermann.

Vielfach korrespondieren Gemälde und Fotos miteinander, mal stilistisch, mal thematisch. So weist das Foto, das den Kostümbildner Bernd Skodzig an seinem Esstisch zeigt, durch seine dunkle Lichtstimmung durchaus gewisse Ähnlichkeiten mit dem Ölgemälde „Die Testamentseröffnung“ von Johann Wilhelm Rudolf Geyer auf. Geyer malte das Bild zwischen 1830 und 1850. Es stammt aus der umfangreichen Kunstsammlung des Industriellen Hugo Raussendorff, die der Mäzen 1912 in Form einer Stiftung der damals noch eigenständigen Stadt Charlottenburg überließ. Oder da ist das Foto, das die Kunsthistorikerin Alice von Seldeneck mit einem auf ihrem Bett stehenden Kleinkind zeigt, zwei weitere Kinder sitzen im Vordergrund. Gleich daneben ­findet sich das Ölgemälde von Philipp Franck ­„Badende Jungen“ von 1911. Es stammt aus einer Serie, die Franck überwiegend am Stölpchensee im ­Berliner Süden malte.

Viele Bezüge auf das Berliner Umfeld

Nicht selten finden sich in den Gemälden der Kunstsammlung lokale Bezüge. Klar erkennbar sind diese in den Gemälden von Friedrich Kallmorgen wie „Berliner Straße mit Rathaus“ oder „Hardenbergstraße mit Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche“, beide von 1914. Doch auch Landschaftsmalerei, die kaum Rückschlüsse auf Orte zulässt, findet sich in der Ausstellung, beispielsweise das Bild „Kirchgang“ von Carl Gustav Rodde von 1877.

Obwohl mehr als ein Jahrhundert zwischen der Entstehungszeit der ausgestellten Gemälde und den zeitgenössischen Fotos von Anne Schönharting liegt: Komposition, Lichtstimmung und Materialität sind – heute wie vor 100 Jahren – mit Bedacht gesetzte bildnerische Mittel, die beim Gang durch die Ausstellung immer wieder Bezüge zwischen Werken der Malerei und der Fotografie eröffnen.

Museums-Info

  • Museum Charlottenburg-Wilmersdorf Schloßstr. 55, Tel. 902 92 41 06, Di.–Fr. 10–17 Uhr, Sbd.+So. 11–17 Uhr, Eintritt frei, villa-oppenheim-berlin.de
  • „Habitat im Dialog“ bis zum 21.5., Führung mit Anne Schönharting: 2. 4., 13 Uhr und am 13.5., 13 Uhr. Finissage: Rundgang mit Schönharting und Kuratorin Laura Benz, 12 Uhr
  • Bildband „Habitat“, Hartmann Books, 68 Euro

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