Schlosspark Theater

Drama von Max Frisch: Exitus wegen Unbelehrbarkeit

| Lesedauer: 3 Minuten
Ulrike Borowczyk
Biedermann (Dieter Hallervorden, M.) und seine Frau Babette (Christiane Zander) sterben den Flammentod.

Biedermann (Dieter Hallervorden, M.) und seine Frau Babette (Christiane Zander) sterben den Flammentod.

Foto: Derdehmel, Urbschat

Noch immer brennend aktuell: „Biedermann und die Brandstifter“ im Schlosspark Theater mit dem großen Komödianten Dieter Hallervorden.

Es stinkt zum Himmel. Die Benzinfässer stapeln sich zwar auf seinem Dachboden mit den Zündern, doch Haarwasserfabrikant Biedermann ist unbeirrt davon überzeugt, dass echte Brandstifter auch Streichhölzer in ihren Taschen haben. Also überlässt er ihnen unbekümmert seine Zündhölzer und stirbt daraufhin mit seiner Frau Babette den Flammentod.

Exitus wegen Unbelehrbarkeit und egoistischer Selbstgerechtigkeit. Und alle haben es von der ersten Sekunde an kommen gesehen. Schließlich gehen die Brandstifter nicht gerade subtil vor. Doch Gottlieb Biedermann ist sehr gut darin, sich selbst zu täuschen und zu belügen, um seinen Wohlstand zu wahren.

Die Inszenierung zeigt, wie aktuell die Parabel noch immer ist

Noch unter dem Eindruck des Nazi-Terrors skizzierte der Schweizer Romancier und Dramatiker Max Frisch sein meistgespieltes Stück „Biedermann und die Brandstifter“ bereits im „Tagebuch 1946-1949“, bevor es 1958 uraufgeführt wurde. Nun zeigt die Inszenierung von Philipp Tiedemann im Schlosspark Theater 65 Jahre später, wie aktuell die knapp erzählte Parabel vom opportunistischen Spießerbürger heute noch ist.

Der große Komödiant Dieter Hallervorden gibt den Biedermann meisterhaft als Villenbesitzer aus Steglitz-Zehlendorf. Der Intendant des Schlosspark Theaters wurde gerade erneut vom Publikum zum beliebtesten Bühnenschauspieler der Theatersaison 2021/22 gewählt. Dieser Ehre wird er auch als Biedermann gerecht, der im Wirtshaus markige Sprüche klopft, aber rückgratlos ist, als sich die Brandstifter bei ihm häuslich einrichten.

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Zunächst taucht der obdachlose Ringer Josef Schmitz (Georgios Tsivanoglou) auf. Ein massiver Kerl, dessen rohe Brutalität unter dem behaarten Schmerbauch lauert. Zwischen seinen Unverschämtheiten gibt er sich einschmeichelnd devot und appelliert an Biedermanns Nächstenliebe.Der duckt sich eingeschüchtert weg. Beruhigt seine Frau Babette (Christiane Zander) sogar, als Schmitz seinen Kumpan Willy Eisenring (Mario Ramos) mitsamt der Benzinfässer anschleppt. Einzig Dienstmädchen Anna, von Dagmar Biener herrlich verbiestert gespielt, pustet empört ihren Pony hoch.

Biedermann entgleitet die Situation von Beginn an. Als ein Polizist auftaucht und ihm vom Selbstmord seines Angestellten Knechtling unterrichtet, den er kurz zuvor entlassen hat, macht er sich aus Feigheit zum Komplizen der Brandstifter. Aus Angst, Knechtlings Tod könnte ihn einen Cent kosten. Denn Biedermann ist einzig an Besitzstandswahrung interessiert. Dafür fraternisiert er mit seinen halbseidenen Logiergästen. In der Hoffnung, dass sie ihn verschonen.

Frisch selbst nannte sein Drama ein „Lehrstück ohne Lehre“

Doch mitnichten. Schon zur Eröffnung verweist die Inszenierung mit einer dicken Rauchwolke auf das Ende. Biedermann beschwert sich noch, dass es unmöglich geworden ist, in der Öffentlichkeit zu rauchen. Denn die Feuerwehr eilt prompt mit Wasserschläuchen wie Pistolen im Anschlag herbei. Mit der Sheriff-Attitüde wirkt das Quartett wie eine selbst ernannte Bürgerwehr. Und tritt zudem wie das ironische Abziehbild eines antiken Chors auf, der das Geschehen kommentiert, aber nicht in eingreift.

Wobei es dem ein oder anderen bei der stupenden Blödheit von Biedermann sicherlich in den Fingern juckt. Stattdessen skandiert der Chor: „Viel kann vermeiden Vernunft!“ Daran mangelt es Biedermann, der sich wider besseren Wissens anpasst. Schließlich nannte Max Frisch sein Drama auch „Lehrstück ohne Lehre“.

Schlosspark Theater, Schloßstr. 48, Steglitz. Tel. 78 95 66 71 00. Bis 30. April, Di.-Sbd. 20 Uhr, So. 18 Uhr