Weihnachtsmarkt

Breitscheidplatz wird zum Testgelände für die Terrorabwehr

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Uta Keseling und Andreas Abel
Der Breitscheidplatz mit den massiven Anti-Terror-Sperren.

Der Breitscheidplatz mit den massiven Anti-Terror-Sperren.

Foto: Maurizio Gambarini

Verkehrschaos in der City West: Zwei Jahre nach dem Terroranschlag wird der Weihnachtsmarkt massiver geschützt als je zuvor.

Berlin. Eine Gruppe Japaner kurvt gut gelaunt zwischen halb fertigen Holzbuden, ungeschmückten Weihnachtsbäumen und gestapelten Betonpollern hin und her. Ein älterer Mann mit Hut steht daneben und fragt unverhohlen neugierig: „Das war doch hier mit dem Lkw, oder?“ – und schaut interessiert auf die hüfthohen Betonsperren rund um den Breitscheidplatz. Am kommenden Montag wird hier wieder der Weihnachtsmarkt öffnen. Zum 35. Mal, oder, nach neuer Zählung, zum zweiten Mal – seit dem Terroranschlag vom 19. Dezember 2016, bei dem zwölf Menschen starben und mehr als 70 verletzt wurden.

„Ich fühle mich sicherer durch die Absperrungen, ich muss immer auf dem Weg zur Arbeit hier vorbei“, sagt eine junge Frau. „Und wenn etwas passiert, kann hinterher niemand den Vorwurf erheben, man hätte den Weihnachtsmarkt besser schützen müssen.“ 2016 war der Attentäter Anis Amri mit einem gestohlenen Lastwagen in die Marktstände gerast, allein das automatische Abschaltsystem des Lkw verhinderte noch mehr Opfer. Danach wurde viel gestritten über die Macht von Betonpollern, ihre Symbolwirkung und wer die Kosten trägt.

Diesmal sollen lange Reihen aus Betonpollern den Markt schützen. Auf der Budapester- und der Tauentzienstraße sind je ein Fahrsteifen abtrennt, der Verkehr verläuft hier nur noch in je eine Richtung. Zwischen Hardenberg- und Breitscheidplatz und vor den Eingängen des Marktes sind zusätzlich Poller installiert. Sperrelemente und Aufbau kosten das Land gut 2,5 Millionen Euro, die Kombination soll dafür einen in Deutschland bislang „einzigartigen Zufahrtsschutz“ gegen Terroranschläge mit Lastwagen bieten.

Aus dem Konzept wolle man Erkenntnisse für künftige Großveranstaltungen gewinnen. Und, so betonte der Senat, Poller und Sockel seien wiederverwendbar. So erklärt sich vielleicht, dass die Absperrungen auch ein bisschen wirken wie eine Werbeausstellung von Sicherheitstechnik. „Made in Germany“ steht auf jedem Poller. Die 100 sand- und steingefüllten Drahtkörbe rund um den Platz tragen den Werbespruch des britischen Herstellers, der auch Grenzen und Militärcamps schützt: „Stop everything.“

Hotel „Waldorf Astoria“ ist besonders stark gesichert

Doch das erste, was die Sicherheitsvorkehrungen diese Woche stoppten, war der Verkehr. Radfahrer und Fußgänger rütteln neugierig an den Absperrungen, manche schütteln den Kopf. Hinter ihnen fluchen Busfahrer und Lieferanten im Stau. Wer mit dem Auto zum Breitscheidplatz will, muss bis zum 9. Januar Geduld mitbringen. Bis dahin läuft der Markt.

Besonders gesichert ist das Hotel „Waldorf Astoria“ an der Hardenbergstraße, dessen Gäste zwischen Pollern und Absperrgittern aus Limousinen steigen. „Ich kann verstehen, dass die Menschen jeglichen Schutz wollen, der möglich ist“, sagt eine Geschäftsfrau aus Bayern. Sie selbst sei am Tag des Anschlags in der Nähe gewesen. Eine andere Passantin sagt: „Ein bisschen wirkt es wie Fort Knox, aber an Flughäfen nehmen wir Sicherheitsmaßnahmen auch hin.“

Zufrieden ist Michael Roden, Vorsitzender des Berliner Schaustellerverbandes. „Die Öffentlichkeit hat Sicherheit gefordert, die Medien haben es verlangt, wir fühlen uns sicher.“ Die Maßnahmen habe der Senat mit den Schaustellern besprochen. Martin Germer, Pfarrer der Gedächtniskirche, weiß dagegen erst seit vergangener Woche von den erhöhten Sicherheitsmaßnahmen.

„Sie wurden im Vorfeld nicht mit uns abgesprochen, es gab offenbar eine hohe Geheimhaltungsstufe“, sagt Germer. Er sei zwar nicht sicher, „ob das die Art von Sicherheit ist, die wir tatsächlich brauchen. Aber wenn Politiker diese Maßnahmen anordnen, akzeptieren wir das“. Ob und wie sich die Absperrungen auf das Umfeld der Kirche und die Atmosphäre des Weihnachtsmarktes auswirken, müsse sich zeigen.

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