Berlin. Die Kantstraße zwischen Joachimsthaler Straße und Breitscheidplatz ist bereits gesperrt, auf Kurfürstendamm, Tauentzien und Budapester Straße rollt der Verkehr noch. Wenn am Montag nächster Woche der Weihnachtsmarkt auf dem Breitscheidplatz seine Tore öffnet, wird er nur noch einspurig rund um das Areal geführt. Nur Busse, Fahrräder und Lieferverkehr dürfen dann noch auf den üblichen Spuren „gegen den Strom“ fahren. Der Platz braucht Raum für Sicherheit.
Zwei Straßenarbeiter klopfen am Montagmorgen frischen Asphalt auf der Abbiegespur der Budapester zur Kantstraße fest. Auf die Frage, warum sie das tun, sagt einer: „Ich weiß das schon, aber verraten darf ich Ihnen das nicht.“ Geheimnisvoll, das neue Sicherheitskonzept für die City West. Am späten Montagabend beginnt auf dem frisch asphaltierten Stück dann der Aufbau der Absperrungen auf der Budapester Straße. Schluss mit dem Rätselraten. Die südliche Seite des Breitscheidplatzes ist in der zweiten Wochenhälfte dran.
Passanten schlängeln sich am Montagmorgen an Reihen grauer Betonpoller, Metallkörben und Sandsäcken an der Kantstraße entlang, die von einem Sattelschlepper abgeladen werden. Noch haben nicht alle ihren Bestimmungsort gefunden. „Das wird ja eher ein Hochsicherheitstrakt und kein Weihnachtsmarkt“, sagt Passant Peter Michael B. Doch Thomas W. findet: „Der Anlass ist traurig, aber für den Weihnachtsmarkt finde ich die Einbahnstraßenregelung von Vorteil.“ Dirk O. würde sogar noch weitergehen und die Straßen um den Breitscheidplatz komplett sperren: „Dann gäbe es mehr Platz für den Markt. Schön für uns und unsere Touristen“, sagt er. Die ehemalige Piraten-Verordnete Marlene Cieschinger würde die Einbahnstraßenregelung sogar gern für immer haben. „Die Gegend ist schließlich sehr gut an den ÖPNV angebunden“, meint sie.
Es herrscht emsige Betriebsamkeit auf dem Areal rund um die Gedächtniskirche. Buden werden aufgebaut, Arbeiter knoten mit klammen Fingern Girlanden mit Kabelbindern an die Buden, verkleiden Poller an den künftigen Zugangstoren zum Markt mit riesigen Pyramiden aus künstlichem Tannengrün. Andere tragen echte Bäume über den Platz und stecken sie in rot bemalte Poller, die darüber hinwegtäuschen, dass sie hier nicht als Baumständer stehen, sondern einen 40-Tonner wie den, den am 19. Dezember 2016 der Islamist Anis Amri auf den Weihnachtsmarkt gesteuert hat, bremsen sollen.
Zwölf Menschen haben bei dem Anschlag ihr Leben lassen müssen, mehr als 70 wurden zum Teil schwer verletzt. Ein Schock für Berlin und für Deutschland, das bis zu diesem Zeitpunkt im Vergleich mit anderen europäischen Ländern noch eher glimpflich davongekommen war, und ein Trauma, das Sicherheitsbeauftragte der Stadt neue Konzepte entwerfen ließ, um Anschlägen dieser Art künftig besser begegnen zu können.
2,5 Millionen Euro lässt sich das Land Berlin den An- und Aufbau sowie Metallpoller und Betonsockel für den Breitscheidplatz kosten. Martin Pallgen, Sprecher der Innenverwaltung, sagt ausdrücklich „Breitscheidplatz“ und nicht „Weihnachtsmarkt“, denn andere Veranstalter müssen für die Sicherheit ihrer Märkte selbst zahlen. Der Breitscheidplatz habe für Berlin wegen des Anschlags 2016 aber eine ganz besondere symbolische Bedeutung, so Pallgen. Zudem wolle man auch Erkenntnisse aus dem Sicherheitskonzept in diesem Jahr gewinnen, die künftig auch bei anderen Großveranstaltungen Anwendung finden sollen. Die Metallpoller und Betonsockel blieben dem Land ja auch für die Zukunft erhalten.
Kritik an temporären Lösungen
Die FDP-Fraktion Charlottenburg-Wilmersdorf kritisiert unterdessen, dass es zwei Jahre nach dem Attentat vom Breitscheidplatz weiterhin nur temporäre Lösungen für den Weihnachtsmarkt gibt und andere Orte des Bezirks gänzlich außer Acht gelassen werden. „Es ist verständlich, dass wir am Breitscheidplatz eine besondere Verantwortung für schnelle Sicherheitsmaßnahmen der Bürgerinnen und Bürger haben. Nichtsdestotrotz müssen endlich langfristige Ideen her. Vorschläge, wie die der „eingebauten Sicherheit“, bei der Stadtmöbel, wie verankerte Bänke oder Kunst genutzt werden, sind zielführender als ein kurzfristiges Sicherheitsgefühl", sagt Fraktionschef Felix Recke. Die Städte dürfen keine Festungen werden, jedoch müsse überall geprüft werden, wo es kalkulierbare Risiken gebe.
Auf den Stufen der Gedächtniskirche stehen noch immer Kerzen, ein goldener Riss im Pflaster und die Namen erinnern an die zwölf Terroropfer. Trotz des Trubels ein Ort, der viele innehalten lässt. „Ach, hier war das“, raunen sich zwei Touristen zu.
Weihnachtsmarkt: Mehr Schutz am Breitscheidplatz