Zensus

Charlottenburg-Wilmersdorf will Volkszählung überprüfen

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Foto: Michael Brunner

Laut dem Zensus sollen in Charlottenburg-Wilmersdorf 30.000 Menschen weniger als angenommen wohnen. Das Bezirksamt traut diesem Ergebnis nicht und will in einer Stichprobe 1000 Adressen überprüfen.

Der Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf bezweifelt die Ergebnisse der jüngsten Volkszählung. „Der Senat muss entscheiden, ob Berlin in Widerspruch geht. Aus unserer Sicht spricht einiges dafür“, sagte Bezirksbürgermeister Reinhard Naumann (SPD) in der jüngsten Sitzung der Bezirksverordneten im Rathaus Charlottenburg. Auch Stadtrat Klaus-Dieter Gröhler (CDU) hält die Zahlen für nicht plausibel. Das Melderegister beim Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten werde vom Bezirk mit aktuellen Daten gepflegt, der Zensus hingegen sei nur eine Hochrechnung auf der Grundlage einer Stichprobe. „Da kann es schon mal zu Verzerrungen kommen“, sagt Gröhler. Unter seiner Leitung wird eine Arbeitsgruppe beim Senat jetzt die Zensusergebnisse überprüfen.

Zehn Prozent weniger Einwohner

Charlottenburg-Wilmersdorf hat nach der jüngsten Volkszählung stadtweit den höchsten Rückgang an Einwohnern zu verzeichnen. Rund 30.000 Menschen, 10,1 Prozent, weniger als angenommen, sollen im Bezirk leben. Insgesamt sagen die Zahlen, dass am Stichtag 7. Mai 2011 in Berlin knapp 3,3 Millionen Einwohner und damit rund 180.000 Menschen weniger als bisher gedacht lebten.

Die große Abweichung soll zu 60 Prozent auf Ausländer zurückgehen, die sich bei ihrem Wegzug nicht abgemeldet haben. Während es bei Umzügen innerhalb Deutschlands keine Abmeldepflicht gibt, müssen sich Bewohner beim Wegzug ins Ausland innerhalb von 14 Tagen abmelden. Innerhalb Deutschlands ist das nicht nötig, weil es ein automatisiertes Rückmeldeverfahren gibt, wie Erhard Portner, Melderechtsreferent in der Senatsverwaltung für Inneres, weiter sagte. Sobald beispielsweise jemand von Berlin nach Köln zieht und sich dort anmeldet, meldet die Kölner Behörde ihn in Berlin ab. Mit dem Ausland gibt es solch ein Melde-Verfahren jedoch nicht.

Stadtrat Gröhler will der Sache auf den Grund gehen. Dazu hat er sich vom Landesamt eine repräsentative Stichprobe per Zufallsgenerator mit 1000 Meldeadressen im Bezirk ziehen lassen. Durch Hausbesuche soll jetzt ermittelt werden, wie viele nicht mehr stimmen. Ob er zur Kontrolle der Klingeln die Auszubildenden des Bezirksamtes einsetzen kann, ist noch offen. Die müssen nämlich helfen, die Unterschriften aus dem Volksbegehren zum Energietisch zu prüfen. Das hat Priorität. Gröhler prüft deshalb, ob er Bürgerdeputierte zur Kontrolle der Klingeltableaus und stillen Portiers einsetzen kann. Zur Verschwiegenheit seien auch die verpflichtet.

Melderegister zählt mehr Einwohner

Als erstes hatte sich Gröhler die aktuellen Daten aus dem Melderegister kommen lassen. Danach haben 320.629 Berliner ihren Hauptwohnsitz in Charlottenburg-Wilmersdorf. Selbst im Jahr des Zensus seien dort 315.000 Menschen gemeldet gewesen, rund 25.000 mehr als die Volkszählung ermittelte. Gröhler glaubt nicht, dass rund 30.000 Charlottenburg-Wilmersdorfer ins Ausland gezogen sind, ohne sich abzumelden. Schließlich hätten vor der Abgeordnetenhauswahl 2011 nur 2000 Wahlunterlagen nicht zugestellt werden können. Diese Karteileichen seien längst aus dem Melderegister gestrichen worden. „Wie auch immer, wir müssen herausfinden, was stimmt, unser Melderegister oder die Volkszählung“, so Gröhler.

Wie berichtet, wird das Land Berlin wegen der neuen Zensuszahlen künftig rund 470 Millionen Euro weniger aus dem Länderfinanzausgleich erhalten. Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos, für SPD) hat die Senatoren und Bezirksbürgermeister deshalb informiert, dass für das laufende Haushaltsjahr wegen der Zensuszahlen aus dem Jahr 2011 mit geringeren Einnahmen bereits für das laufende Haushaltsjahr in Höhe von 940 Millionen Euro zu rechnen ist. Jetzt sollen alle Behörden prüfen, wo die Einnahmen erhöht und die Ausgaben noch gesenkt werden können.