Umzug

Maison de France sagt dem Kudamm „au revoir“

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Katrin Lange

Foto: ISABELLE WIRTH / AFP

Weil die französische Regierung Geld benötigt, verkauft sie das traditionsreiche Haus in Berlin. Das Institut Français muss in die Botschaft in Mitte umziehen. Ob das Kino „Cinema Paris“ bleibt, ist unklar.

Es ist die Nachricht des Tages in ganz Frankreich. „Attentat anti-français à Berlin“ titelt zum Beispiel die französische Zeitung „France-Soir“ am Freitag, 26. August 1983. Einen Toten und 23 Verletzte gibt es bei dem Anschlag auf das Maison de France am Kurfürstendamm 211.

Ein Mitglied der „Carlos“-Bande soll die mit einem Zeitzünder versehene Bombe am Vormittag des 25. August im vierten Stock des Gebäudes abgelegt haben, wo sie kurz darauf detoniert. Das Attentat gilt dem französischen Generalkonsulat, das in dem Haus residiert. Ziel ist es, in Frankreich inhaftierte Mitglieder einer arabischen Terrorgruppe freizupressen. Das Maison de France wird bei der Bombenexplosion fast vollständig zerstört.

Zwei Jahre später, am 10. Oktober 1985, ist der Kudamm erneut im Ausnahmezustand. Die Straße ist komplett gesperrt, nur ein Polizeiwagen patrouilliert. Hinter den Absperrungen drängeln sich die Schaulustigen. Doch es ist ein guter Tag für den Kudamm, für Berlin, für die deutsch-französische Freundschaft.

In den Büros herrscht Endzeitstimmung

Die Fassade des Maison de France leuchtet wieder in weißer Sachlichkeit, die Spuren des Attentats sind verschwunden. Zur Wiedereröffnung sind Helmut Kohl und François Mitterrand gekommen. Schulter an Schulter demonstrieren sie, wofür das Maison de France steht: Seit 1950 werden in dem halbrunden Haus gutnachbarschaftliche Beziehungen gepflegt, Vertrauen und Verständnis geschaffen, Kultur und Sprache nähergebracht.

An diesem Tag ist eine Institution, die mit dem Kino „Cinema Paris“, der Mediathek und dem Institut Français maßgeblich das Gesicht des Kudamm mitprägt, wieder eine Adresse.

Jetzt, noch einmal fast drei Jahrzehnte später, ist das Maison de France gerade frisch renoviert. Alle Büros sind gestrichen, eine Empfangshalle ist eingerichtet und eine Brasserie hat eröffnet, die natürlich Zwiebelsuppe und Mousse au Chocolat anbietet. Doch in den Büros herrscht Endzeitstimmung.

Umzug nach Mitte in das Botschaftsgebäude

Anfang der Woche haben die Mitarbeiter des Instituts Français erfahren, dass die französische Regierung das Haus am Kurfürstendamm verkaufen will. Sie sollen in das Botschaftsgebäude an der Wilhelmstraße ziehen. Nach Auskunft der französischen Botschaft wird das Geld aus dem Verkauf für die Sanierung der öffentlichen Finanzen Frankreichs gebraucht.

Auf jeden Fall braucht die Botschaft Geld für Umbauten, denn es muss Platz gemacht werden. Dafür wird das Gebäude in zwei Bereiche geteilt: Das Institut mit Publikumsverkehr, Sprachkursen, Mediathek und Kulturprogramm zieht 2015 in das Gebäude an der Wilhelmstraße, die Botschaft mit gesichertem Zugang bleibt im Gebäude am Pariser Platz. „Der neue Standort des Institut Français im Herzen von Berlin wird ein Ort der kulturellen Begegnung sein“, heißt es in einer Mitteilung der Botschaft.

Das sehen nicht nur die Mitarbeiter anders, sondern auch der Bezirksbürgermeister von Charlottenburg-Wilmersdorf. Reinhard Naumann (SPD), der als Schüler Französisch als erste Fremdsprache lernte, nennt die Schließung am Kudamm „une mauvaise idée“. Es sei seiner Meinung nach nicht nur eine schlechte Idee, sondern auch nicht durchdacht.

Unklar, wie es mit dem „Cinema Paris“ weitergeht

„Das Maison de France steht in der ganzen Stadt für die französische Kultur und sorgt am Kudamm für eine ausgewogene Mischung von Shopping und Kultur“, sagt der Bezirksbürgermeister. Er wünsche sich ein Umdenken auf der französischen Seite. „Man kann sich ja auch nicht vorstellen, dass das Goethe-Institut in den Hinterräumen der deutschen Botschaft in Paris untergebracht wird“, sagt Naumann.

Wie es mit der Brasserie und dem Kino „Cinema Paris“ weitergeht, ist noch unklar. „Wir haben einen Mietvertrag, der über das Jahr 2015 hinausgeht“, sagt Jan Rost von der Cinema Paris Betriebs GmbH. Sein Vermieter ist die französische Botschaft. Noch sieht er die Zukunft nicht so schwarz. „Es kommt ja darauf an, wer das Haus kauft und was er vorhat“, sagt der Theaterleiter.

Der Verkauf bedeute nicht automatisch das Aus für alle Mieter. Doch gerade um das schöne und renommierte Lichtspielhaus, in dem wohl nur sehr wenige Berliner Kinogänger noch nie waren, sorgen sich die Kulturinteressierten in der City-West. Für sie ist es die Seele des Hauses – und auch ein Teil der Seele des Kurfürstendamms.

Erste Anzeichen für den Verkauf schon die letzten Jahre

Die Geschichte des Hauses geht auf das Jahr 1897 zurück, in dem es als Wohn- und Geschäftshaus errichtet wird. Am 21. April 1950 wird das Maison de France in dem Haus offiziell eröffnet. Seit 1993 steht das Gebäude unter Denkmalschutz.

Obwohl die Nachricht vom Verkauf des Hauses für die Mitarbeiter des Instituts Français überraschend kam, sehen sie jetzt doch einige Indizien, die darauf hindeuteten. Erst im vergangenen Jahr habe ein Architekturbüro das Haus von oben bis unten fotografiert, sagt Betriebsrätin Nathalie Lakotta. Gedacht hätte sie sich nichts dabei.

Und auch Hervé Poncelet spricht von Gerüchten, die über die Jahre immer wieder aufgetaucht seien. Der junge Mann ist für die Sprachkurse verantwortlich. In den vergangenen 20 Jahren hat sich die Anzahl der Kurse mehr als verdoppelt, von vorher 1000 auf jetzt mehr als 2000 Kurse im Jahr. „Die Leute lernen aus ganz bestimmten privaten oder beruflichen Gründen die Sprache“, sagt Poncelet. Entweder habe der Sohn eine Französin geheiratet oder auf die Leute warte eine Arbeitsstelle in einer EU-Institution.

Mitarbeiter haben Angst vor der Schließung

Etwa 200.000 Besucher kommen jedes Jahr in das Maison de France, darunter Kursteilnehmer und Gäste von Veranstaltungen. Allein die Mediathek ist 300 Quadratmeter groß, 85.000 Ausleihen werden jährlich gezählt. „Es wird schwierig, wieder ein solche große Fläche für die Mediathek im Botschaftsgebäude zu finden“, sagt Nathalie Lakotta.

Sie und Hervé Poncelet befürchten, dass ein Teil des Publikums nicht an die Wilhelmstraße folgen wird. Weniger Kurse, weniger Einnahmen, dann die Schließung, davor haben die Mitarbeiter Angst.