Wie gelingt in einer klassischen Berliner Altbauwohnung mit 86 Quadratmetern die Wärmewende? Ein Experte entdeckt ungeahnte Optionen.
- Ein Experte unterzieht einer klassischen Berliner Altbauwohnung den Wärme-Check
- Der Versorgungstechniker überprüft Abrechnungen, Gastherme, den Grundriss – und geht alle möglichen Heizungs-Optionen durch
- Am Ende steht für die Wohnungseigentümerin eine überraschende Erkenntnis
Berlin. Als Daniela Lehmann sich 2017 den langgehegten Traum einer Eigentumswohnung im Wilmersdorfer Rheingauviertel erfüllte, waren der russische Angriffskrieg auf die Ukraine und seine Folgen auf die Gasversorgung in Deutschland nicht absehbar. Auch das umstrittene Heizungsgesetz aus dem Hause des Wirtschaftsministers Robert Habeck (Grüne), das nun noch vor der Sommerpause durch Bundestag und Bundesrat gewunken werden soll, war noch kein Thema. Entsprechend investierte sie bei der Sanierung ihrer neu erworbenen Altbauwohnung in eine neue Gastherme und Heizkörper. Eine Entscheidung, die sie heute definitiv anders treffen würde, so die 56-Jährige. Lesen Sie auch: Wärmepumpen-Einbau: Experte beantwortet wichtige Fragen
Inzwischen haben sich die Gas- und Ölpreise zwar wieder etwas nach unten bewegt und auch von Versorgungsengpässen ist, zumal in der Sommerzeit, derzeit nicht die Rede. Auch das Habecksche „Heizungsgesetz “ wurde etwas entschärft. Haus- und Wohnungsbesitzer können ihre Öl- und Gasheizungen auch nach dem 1. Januar 2024 weiterbetreiben und auch reparieren, wenn sie ausfallen. Neu eingebaute Heizungen – mit wenigen Ausnahmen – müssen ab 2024 zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden. Auch wenn die Ampel um viele Details noch immer streitet, ist klar, dass über kurz oder lang der Abschied von Gas und Öl ansteht, zumal seit 2020 die im Gebäudeenergiegesetz (GEG) verankerte Austauschpflicht für eine alte Heizung nach 30 Jahren Nutzung gilt.
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Heizung: Kostenschock in der Gas-Grundversorgung
„Auch wenn meine Therme recht neu ist und ich sie noch viele Jahre nutzen könnte, möchte ich weg vom Gas“, sagt Daniela Lehmann. Und das nicht nur aus Klimaschutz-Gründen: Der Kostenschock bei den Gaspreisen wirkt nach: „Als mir mein Gasversorger Ende 2021 kündigte, weil er den Gaspreis nicht mehr halten konnte, bin ich in die Grundversorgung bei der Gasag gerutscht“, berichtet sie.
Mit teuren Folgen: „Für drei Wochen musste ich für meine 86 Quadratmeter große Wohnung 402 Euro zahlen“, erinnert sie sich. Inzwischen zahle sie zwar wieder einen vergleichsweise günstigen Tarif: „Aber so wie vor der Gaskrise, als ich monatlich 38 Euro gezahlt habe, wird es sicher nicht wieder werden“, weiß sie. Und da ab 2026 die CO2-Abgabe richtig teuer für die Verbraucher werde, sei es nicht verkehrt, sich rechtzeitig nach Alternativen umzusehen.
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Sanierungsfahrpläne helfen bei der Suche nach Alternativen

Die gemeinsame Aktion der Berliner Morgenpost und der Gasag, die fünf sogenannte Sanierungsfahrpläne verloste, kam da gerade richtig: „Ich bin ja Laiin und habe keine Ahnung, was technisch in so einer Altbauwohnung eigentlich möglich ist – und was nicht“, sagt die Mitarbeiterin in der Kommunikationsabteilung eines großen Konzerns. In den Medien werde zudem viel von Einfamilienhäusern und Wärmepumpen berichtet. Doch über die Möglichkeiten in einem klassischen Berliner Altbau mit 20 bis 40 Parteien, womöglich noch aufgeteilt in Einzeleigentum, sei zu wenig berichtet worden, findet sie.
Dann ist es endlich so weit: Versorgungstechniker Marko Berthold kommt vorbei, um sich die im zweiten Stock gelegene Wohnung in dem gepflegten, aber ungedämmten Mehrfamilienhaus, Baujahr 1914, genau anzuschauen. Der 38-Jährige, der an der TU Cottbus seinen Master im Studiengang Klimagerechtes Bauen und Betreiben gemacht hat und bei der Gasag Solution Plus beschäftigt ist, kommt zum Beratungsgespräch vorbei. Am Telefon hatten die beiden zuvor bereits abgesprochen, welche Unterlagen wichtig sind. Daniela Lehmann hat alle wichtigen Dokumente vorsorglich kopiert und auf dem Esszimmertisch bereit gelegt.
Gasrechnung, Grundriss und andere wichtige Papiere
Zunächst beugen die beiden sich nun über die Papiere: Darunter etwa die letzten drei Gasabrechnungen, alle Unterlagen zur Gastherme sowie der Grundriss der Wohnung. Marko Berthold macht sich Notizen und sammelt die Papiere ein. Erst dann nimmt er die Wohnung unter die Lupe.

Doch er hat keinen Blick für den liebevoll bepflanzten Balkon oder die schönen Flügeltüren, die Wohn- und Esszimmer verbinden. Ihn interessiert vielmehr, wie gut die Doppelkastenfenster und Balkontüren abgedichtet sind – da lässt sich noch einiges verbessern etwa durch eingefräste Abdichtungen oder sogar, wenn auch kostenintensiver, den Austausch der innenliegenden Fensterscheibe durch Isolierglas. „Leider wird diese Lösung derzeit noch nicht gefördert“, bedauert Berthold. Gerade bei den vielen und großen Fensterflächen in der Wohnung haben aber Frau Lehmann „hier einen sehr großen Hebel, um Energie zu sparen – unabhängig von der eingesetzten Heizung.“
„Gasetagenheizungen sind ein Gräuel für die Energiewende“
Weiter geht es in den Flur zur Gastherme. „Mit den sogenannten Gasetagenheizungen sind ganz viele Berliner Bauten ausgestattet“, erläutert Berthold. Diese seien ein Gräuel für die Energiewende, „weil man keine Zentrale hat, sondern jede Wohnung einzeln versorgt wird“.
Die Möglichkeit einer zentralen Versorgung des gesamten Wohnhauses mit seinen 30 Parteien interessiert Daniela Lehmann ebenfalls: „Ende Juni haben wir eine Eigentümerversammlung, dann werde ich das, was ich hier erfahre, vortragen“, sagt sie. Und dass sie die Hausverwaltung informiert hat, dass sie heute mit einem Berater von der Gasag über einen Sanierungsfahrplan spricht. „Die waren sehr interessiert, haben aber auch gleich gesagt, dass es im Keller keinen freien Raum gibt, der genutzt werden kann – weder für die Übergabestation der Fernwärmeleitung, die in der Straße vorhanden ist. Und auch nicht für eine zentrale Wärmepumpenanlage“, bedauert sie.
Geothermie, Luft, Abwasser- oder Industrie- oder Fernwärme
Trotzdem, Marko Berthold macht sich auch darüber Notizen: „Wir schauen, welche Wärmequellen infrage kommen – ob Geothermie, Luft, Abwasser- oder Industriewärme oder auch Fernwärme – und wie das technisch umsetzbar ist“, sagt er. Von vornherein ausschließen solle man nichts. Eine zentrale Lösung sei jedenfalls in Summe immer günstiger als eine dezentrale, bei der jeder einzelne Wohnungseigentümer eine eigene Heizungsanlage in seiner Wohnung einbaut.

Doch zurück zu der Therme im Flur. Hier interessiert Marko Berthold besonders, auf welche Vorlauftemperatur die Gastherme im Flur eingestellt ist – und wie viel Platz in der abgeteilten Nische, in der die Therme hängt, vorhanden ist. „Es könnte knapp werden – aber für eine Wärmepumpe wäre hier Platz“, erklärt er der freudig überraschten Wohnungsbesitzerin. „Die ist ungefähr so groß und auch so leise wie ein amerikanischer Kühlschrank“, erklärt Berthold. Der Nachteil wäre allerdings, dass man an den Abgasschacht ranmüsste, um dort die Quellleitung für die Wärmepumpe reinzulegen: „Das macht viel Dreck.“
Im Hof ist Platz für Wärmesonden

Zum Schluss führt Berthold der Weg noch in den begrünten Hinterhof: Platz für eine zentrale Luftwärmepumpe, die alle 30 Wohnungen versorgt, sei hier schon aus Lärmschutzgründen schwer vorstellbar, lautet sein Urteil. Aber Platz für Erdwärmesonden biete der Hof – auch das ist eine Möglichkeit.
Berthold fasst am Ende des Rundgangs zusammen, wie es nun weitergeht. „Wir haben zusammen den Fragebogen ausgefüllt, wir sind die wesentlichen Punkte durchgegangen. Dann haben wir gemeinsam die Bestandsaufnahme gemacht und haben vielleicht schon mal erste Maßnahmen identifiziert.“ Nun werde er etwa vier Wochen benötigen, um den Sanierungsfahrplan zu erstellen. Danach müsse Frau Lehmann dann entscheiden, wie es weitergehe.
Individuelle oder gemeinschaftliche Lösungen – das ist hier die Frage
Die Wohnungsbesitzerin resümiert: „Das Gespräch hat mir tatsächlich viel gebracht. Ich wusste ja überhaupt nicht, dass eine individuelle Lösung geben könnte in Form eines Kühlschranks.“ Nun käme es drauf an, mit welchen Kosten die einzelnen Möglichkeiten verbunden seien: „Wichtig ist, dass ich das finanziell stemmen kann, die Wohnung ist noch nicht abbezahlt, das muss man sehen“, sagt sie. Generell sei sie aber etwas beruhigt, dass es überhaupt individuelle und auch verschiedene gemeinschaftliche Lösungen gebe. Und das mit den Fenstern, das werde sie unabhängig davon, ob die Heizung ausgetauscht wird, als erstes angehen. „Und schön wäre es, wenn es eine zentrale Lösung gibt, einfach deswegen, weil die wahrscheinlich finanziell besser wäre“, sagt sie. Fortsetzung folgt.
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