Berlin Trend

Dreikampf um das Rote Rathaus

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Joachim Fahrun
Das Rote Rathaus: Der Kampf um die Macht in Berlin ist voll entbrannt.

Das Rote Rathaus: Der Kampf um die Macht in Berlin ist voll entbrannt.

Foto: Paul Zinken / dpa

Im Berlin Trend unterstützen fast zwei Drittel die Gerichtsentscheidung. Welche Partei laut Umfrage vorne liegt.

Berlin.  Die Berlinerinnen und Berliner unterstützen mit breiter Mehrheit die Entscheidung des Landesverfassungsgerichts zur Wiederholung der Wahlen aus dem vergangenen Jahr. Im Berlin Trend der Berliner Morgenpost und der RBB-Abendschau sagten 63 Prozent der Befragten, sie fänden eine komplette Neuauflage des Urnengangs richtig. 15 Prozent hätten eine Teilwiederholung bevorzugt. Aus Sicht von 19 Prozent wäre jegliche Wiederholung verzichtbar gewesen. Die vom Gericht angeordnete Wahl soll am 12. Februar 2023 stattfinden.

Wenn die Wahlen schon am kommenden Sonntag angesetzt wären, würden die Grünen stärkste Kraft und hätten die besten Aussichten, mit ihrer Spitzenkandidatin Bettina Jarasch die Regierende Bürgermeisterin zu stellen. Unverändert zum letzten Berlin Trend im September liegt die Öko-Partei bei 22 Prozent. Die CDU folgt wie vor zwei Monaten mit 21 Prozent, wobei die Christdemokraten im Westteil der Stadt leicht auf 25 Prozent zulegten, während sie im Ostteil um drei Punkte auf 14 Prozent abrutschten.

SPD legt bei Menschen über 65 deutlich zu und bleibt schwach bei Jüngeren

Die SPD bleibt auf Platz drei, konnte aber seit Dezember um zwei Punkte zulegen und erreicht jetzt 19 Prozent. Im Westen legte die SPD drei Punkte zu, im Osten einen Punkt. Auffällig ist die stark gestiegene Zustimmung bei den älteren Bürgern. In der Altersgruppe 65 plus ist die SPD mit 37 Prozent deutlich stärkste Kraft, bei den Jungen zwischen 18 und 34 Jahren erreicht sie aber nur noch neun Prozent. In dieser Gruppe liegen die Grünen mit 29 Prozent weit vorne.

Hinter den drei großen Parteien, die das Rennen um das Rote Rathaus unter sich ausmachen dürften, folgt die Linke, die nach leichten Verlusten von einem Punkt mit elf Prozent rechnen könnte. Der kleinste der rot-grün-roten Koalitionspartner kommt in den westlichen Bezirken auf acht und in den östlichen auf 15 Prozent. Insgesamt liegt sie damit noch knapp vor der AfD, die unverändert zehn Prozent erreicht und damit nicht wie zuletzt in Niedersachsen von der allgemeinen Krisenstimmung profitieren kann. Im Ostteil Berlins kann die AfD zwar leicht um zwei Punkte zulegen, kommt aber nicht über 14 Prozent hinaus.

FDP kommt nur noch auf fünf Prozent

Schwächste der im Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien bleibt die FDP. Nach Verlusten von einem Punkt liegen die Liberalen nur noch bei fünf Prozent und müssen im Februar um den Wiedereinzug ins Landesparlament bangen. Die anderen Parteien bringen es zusammen unverändert auf zwölf Prozent. Für den Berlin Trend befragte Infratest dimap zwischen dem 17. und 21. November 1179 wahlberechtigte Berlinerinnen und Berliner online und am Telefon. Die Ergebnisse sind repräsentativ.

Die Menschen sind weiterhin nicht glücklich mit der Arbeit des rot-grün-roten Senats. Nicht einmal jeder dritte Befragte (30 Prozent, minus einen Punkt) gab an, mit der Regierung zufrieden oder sehr zufrieden zu sein. Der Anteil der Unzufriedenen wuchs seit September von 64 auf 68 Prozent. Selbst im Lager der Regierungsparteien finden sich nur unter den SPD-Sympathisanten mehr Menschen, die zufrieden sind mit dem Senat als solche, die unzufrieden sind. Unter Wählern der Grünen und der Linken überwiegt die Unzufriedenheit, die unter Anhängern der Opposition wenig überraschend noch weiter ausgeprägt ist.

Trotz großer Unzufriedenheit mit der Senatsarbeit hält Rot-Grün-Rot deutliche Mehrheit

Dennoch könnten SPD, Grüne und Linke problemlos wieder ein Regierungsbündnis schließen. Zusammen erreichen sie 54 Prozent der Stimmen, das entspricht fast exakt dem Ergebnis der nun für ungültig erklärten Wahl aus dem September 2021. Die Oppositionsparteien CDU, AfD und FDP können nicht vom Unmut über die Senatsarbeit profitieren. Allerdings haben sich die Gewichte zwischen den derzeitigen Koalitionsparteien leicht zugunsten der Grünen verschoben. Ob das so bleibt, ist offen: Die SPD hat zugelegt, die persönlichen Werte der Regierenden Bürgermeisterin Franziska Giffey sind gestiegen.

Giffey würde Direktwahl zur Regierenden Bürgermeisterin gewinnen

Im September waren im Berlin Trend die Beliebtheitswerte der Regierenden Bürgermeisterin eingebrochen. Bei Älteren und Frauen hatte Franziska Giffey an Ansehen eingebüßt. Zwei Monate danach konnte die Sozialdemokratin diese Delle in den für sie wichtigen Wählergruppen wieder ausbügeln.

Würde die Regierende Bürgermeisterin in Berlin direkt vom Volk gewählt, hätte Giffey ohnehin die besten Karten unter den drei Personen, die sich bei den Wiederholungswahlen am 12. Februar 2023 reelle Hoffnungen auf das Rote Rathaus machen können. 35 Prozent der im Berlin Trend befragten 1179 Wahlberechtigten würden für Giffey stimmen. Das sind zwar ein Punkt weniger als bei der letzten Direktwahlfrage von Infratest dimap vor dem ersten Wahlversuch im September 2021, aber immer noch deutlich mehr als Kai Wegner und Bettina Jarasch bekämen.

Oppositionsführer Kai Wegner ist nur jedem zweiten Wähler in Berlin bekannt

Der Christdemokrat Wegner käme unverändert auf 17 Prozent. Die Spitzenkandidaten der in der Sonntagsfrage führenden Grünen kommt auf 16 Prozent. Aber Bettina Jarasch konnte in dem Jahr als Verkehrs- und Umweltsenatorin ein wenig aufholen und liegt um vier Punkte besser als im September 2021. 32 Prozent der Befragten hatten zu der Bürgermeister-Direktwahl keine Meinung.

Giffey bekäme nicht nur doppelt so viele Stimmen wie ihre beiden Mitbewerber. Sie kann auch auf viel mehr Unterstützung im eigenen Lager bauen als Wegner und Jarasch. Unter den SPD-Anhängern würden 79 Prozent für Giffey stimmen. Die Spitzenleute von CDU und Grünen überzeugen mit 56 beziehungsweise 55 Prozent nur gut die Hälfte der eigenen Leute. Und: Fast alle Wählerinnen und Wähler (93 Prozent) kennen die Regierende Bürgermeisterin. Senatorin Jarasch ist nur zwei Dritteln, der Oppositionsführer Wegner nur jedem Zweiten in Berlin bekannt.

Die Menschen sind wieder etwas zufriedener mit der Arbeit von Franziska Giffey

Das Meinungsbild zur imaginären Bürgermeister-Direktwahl spiegelt sich in der Bewertung der geleisteten Arbeit der Politiker. Mit Giffey sind im November 2022 37 Prozent zufrieden oder sehr zufrieden. Das sind sechs Punkte mehr als bei ihrem Absturz im September, aber immer noch weniger als vor der Wahl 2021. Der positiven Bewertung entgegen steht die Ablehnung vieler Menschen. Der Anteil derjenigen, die Giffey negativ beurteilen ist von 55 auf 56 Prozent sogar noch leicht gestiegen. Unter SPD-Sympathisanten ist Giffey aber unangefochten. 78 Prozent bewerten ihr Wirken im Rathaus als positiv.

Ihre Konkurrentin und Koalitionspartnerin Bettina Jarasch, deren Arbeit im Berlin Trend zuletzt nicht bewertet wurde, konnte zwar im Vergleich zu der Zeit vor der letzten Wahl deutlich zulegen. Inzwischen geben 22 Prozent an, mit der Verkehrssenatorin zufrieden zu sein. Aber auch der Anteil derjenigen, die Jarasch negativ einschätzen, hat sich auf 42 Prozent verdoppelt. Im eigenen Lager sind 59 Prozent mit Jarasch zufrieden, 17 Prozent beurteilen ihre Arbeit negativ. Aber vielen Anhängern der Grünen ist die Spitzenfrau immer noch unbekannt.

Czaja und Lederer sind mit ihren persönlichen Werten deutlich besser als FDP und Linke

Christdemokrat Wegner konnte seine Beliebtheit bei den Berlinern in einem Jahr im Abgeordnetenhaus kaum steigern. Statt 19 Prozent wie vor den letzten Wahlen schätzen nun 20 Prozent den Oppositionsführer positiv ein. 32 Prozent gaben an, mit Wegner unzufrieden zu sein.

Mit seinen persönlichen Werten liegt der Bürgermeister-Kandidat der Konservativen noch hinter dem FDP-Fraktionschef Sebastian Czaja zurück. Mit dem Liberalen sind 22 Prozent zufrieden. Damit bleibt Czaja ein Aktivposten für seine Partei, die in der Sonntagsfrage aktuell an der Fünf-Prozent-Hürde kratzt.

Dieselbe Rolle spielt Kultursenator Klaus Lederer für die Linkspartei. 33 Prozent sind mit dem Kultursenator zufrieden, das sind dreimal so viele, wie seine Partei wählen würden. Die AfD-Spitzenkandidatin Kristin Brinker beurteilen sechs Prozent positiv. Auch unter Anhängern ihrer Partei ist die Landes- und Fraktionsvorsitzende kaum bekannt.

30 Prozent halten die CDU für die größte Profiteurin der Wiederholungswahl

Infratest dimap hat für den Berlin Trend auch gefragt, wer wohl am meisten von der Wahlwiederholung profitiere. 30 Prozent nannten hier die CDU, 24 Prozent die Grünen, 14 Prozent die AfD. Für die SPD sehen nur sieben Prozent Vorteile eines zweiten Anlaufs, für die FDP nur zwei Prozent, für die im Bund kriselnde Linke hält nur ein Prozent eine Wahlwiederholung für positiv.