- Nach massiver Kritik an der neuen 2G-Regel hat der Senat Berlin am Mittwoch Ausnahmen für Kinder beschlossen.
- Laut dem 2G-Optionsmodell dürfen Gastronomen, Hoteliers und Veranstalter nur noch Geimpfte und Genesene empfangen.
- Im Gegenzug fallen Auflagen wie die Maskenpflicht in Innenräumen und Abstandsregeln weg.
- Kinder unter zwölf Jahren können sich allerdings nicht impfen lassen. Sie wären ausgesperrt geblieben.
Berlin. Kaum entschieden, schon wieder kassiert: Nach breitem Protest vor allem aus den Koalitionsparteien selbst, aber auch von Verbänden hat der rot-rot-grüne Senat am Mittwoch das erst am Vortag beschlossene 2G-Optionsmodell etwa für die Gastronomie oder Veranstaltungen eilig um eine Ausnahme nachgebessert. Neben Geimpften und Genesenen sollen nunmehr auch Kinder unter zwölf Jahren Zugang zu Restaurants, Veranstaltungen, Sport- oder Kulturevents haben, die diese 2G-Regel anwenden. Kinder ab sechs Jahren müssen demnach einen negativen Corona-Test vorweisen, soweit sie nicht im Rahmen des Schulbesuchs regelmäßig getestet werden.
Gleichzeitig bleibt es dabei, dass Betreiber ab Sonnabend selbst entscheiden können, ob sie den Zutritt zu ihren Innenräumen wie bisher Geimpften, Genesenen und Getesteten (3G) erlauben oder nur noch Geimpften und Genesenen (2G). Im letzteren Fall fällt die Maskenpflicht weg und mehr Teilnehmer dürfen dabei sein, darunter auch Kinder unter zwölf Jahren, für die es momentan kein Impfangebote gibt. Für Menschen, die aus medizinischen Gründen nicht geimpft werden können, gibt es hingegen keine Ausnahme.
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2G in Berlin: Kritik von Giffey, Jarasch und Lederer
Dass dann aus der Koalition massive öffentliche Kritik am Senat folgte und sich selbst Senatsmitglieder praktisch gegen das stellten, was sie zuvor mitgetragen hatten, ist ungewöhnlich. Die SPD-Spitzenkandidatin für die Wahl zum Abgeordnetenhaus, Franziska Giffey, forderte ebenso öffentlich Korrekturen wie ihre Grünen-Konkurrentin Bettina Jarasch und Linke-Spitzenkandidat Klaus Lederer sowie die Fraktionsspitzen von SPD und Grünen.
2G als Option sei im Prinzip okay, Kinder unter zwölf Jahren und ihre Familien dürften dabei aber nicht massiv bei der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben benachteiligt werden, argumentierten sie unisono. Jarasch watschte Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) ab, die sich in dem Punkt offensichtlich „verrannt“ habe.
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Ramona Pop entschuldigt sich auf Twitter für 2G-Regel
Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) übte mit Blick auf die Sitzung am Dienstag Selbstkritik: „Gestern ist auch mir ein Fehler unterlaufen. Ich habe versäumt, auf Ausnahmen für Kinder unter 12 Jahren bei der #2GRegel zu drängen“, twitterte sie.
Aus Koalitionskreisen hieß es dazu, im Senat sei über das Thema nicht formal abgestimmt worden. Vielmehr – und das sei bei vielen Themen üblich – habe der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) die Debatte in der Runde zusammengefasst, das sei mitgetragen worden. „Es war klar, dass wir mit der Regelung verklagt werden“, sagte ein hochrangiger Vertreter der Koalition. „Gut, dass nun nachgebessert wird.“
Für die Opposition dürfte das Schlingern des rot-rot-grünen Senats eine Steilvorlage im Wahlkampf sein. CDU-Spitzenkandidat und -Landeschef Kai Wegner verlangte vom Senat augenzwinkernd eine „1D2H-Regel“ („Erst-Denken-Dann-Handeln“). „Die Schaffung eines 2G-Optionsmodells ist grundsätzlich wünschenswert, um das Infektionsgeschehen weiter einzudämmen“, fügte er hinzu. FDP-Gesundheitsfachmann Florian Kluckert merkte an: „Wir können einen Barbesitzer oder Restaurantbetreiber nicht daran hindern, nur Geimpften und Genesenen den Zutritt zu gewähren.“ Es sehe aber so aus, als strebe der Senat eine „Impfpflicht durch die Hintertür“ an.
Kritik an der ursprünglichen Regelung kam auch von Bundesebene. Bundesfamilienministerin Christine Lambrecht (SPD) rief dazu auf, bei der Umsetzung der 2G-Regeln Rücksicht auf Familien mit Kindern zu nehmen. Diese dürften nicht noch einmal zusätzlich belastet werden. Auch der Bundesverband der Hotels und Gaststätten (Dehoga) kritisierte die strikte 2G-Auslegung. Man wolle Gastgeber für alle Menschen sein. Zuvor hatte Berlins Dehoga-Chef Thomas Lengfelder die Einführung begrüßt
2G-Optionsmodell in Berlin: So funktioniert die 2G-Regel im Detail
- Gastronomen, Hoteliers und Veranstalter erhalten mit der 2G-Optionsregel die Möglichkeit, nur noch Geimpfte und Genesene zu empfangen.
- Im Gegenzug fallen Auflagen wie die Maskenpflicht in Innenräumen und Abstandsregeln weg. Damit sollen Geimpfte und Genesene bessergestellt werden.
- Anders als bislang ist ein negativer Test kein gleichwertiger Ersatz. In Kraft treten soll die Neuregelung nach Senatsangaben am kommenden Sonnabend.
Die Landesregierung hatte das Optionsmodell am Dienstag zunächst Ausnahme beschlossen. Das heißt, Menschen, die sich bislang nicht impfen lassen können – zum Beispiel unter Zwölfjährige und Personen mit bestimmten Immunerkrankungen – sollten keine Ausnahmen erhalten. „Das ist ein striktes 2G-Modell“, sagte Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD). „Wenn man Ausnahmen zulässt, ist man ganz schnell wieder bei 3G.“
Eine Mischung von Geimpften und Genesenen mit lediglich Getesteten in Innenräumen sollte verhindert werden, da das Risiko einer verdeckten Infektion für Getestete deutlich höher ist. „Wir schützen damit die Ungeimpften“, sagte Kalayci zur Begründung.
Die Regelung soll auch für Sport- und Freizeitveranstaltungen sowie Körperpflege und körpernahe Dienstleistungen wie Friseure und Pediküre gelten. Dampfbäder dürfen wieder öffnen und Saunen mit Aufguss ist erlaubt. In Sporthallen ist eine 100-prozentige Auslastung möglich, die Obergrenze von 25.000 Teilnehmern bleibt aber bestehen.
Gastgeber, die das 2G-Modell anwenden wollen, müssen dies kenntlich machen. Die Pflicht zum Erstellen eines Hygienekonzepts und einer Anwesenheitsdokumentation bleibt bestehen.
Berliner Gastronomen begrüßen 2G-Optionsmodell
Viele Gastronomen begrüßen die Möglichkeit, mehr Gäste unter 2G-Bedingungen empfangen zu können. „Wenn wir die Chance hätten, würden wir sofort auf 2G bei uns gehen“, sagte Jules Winnfield vom „Bonvivant Cocktail Bistro“ in Schöneberg der Berliner Morgenpost. „Einerseits wollen wir niemanden ausschließen, aber wenn wir wegen begrenzter Platzzahl insolvent gehen, muss ich in Zukunft ohnehin alle Gäste ausschließen.“ Andererseits wäre die Einführung von 2G ein Freifahrtschein für diejenigen Gastronomen, die sich bisher um nichts gekümmert und keine Regeln befolgt hätten. „Denn kontrolliert wurde ja auch vorher leider schon so gut wie fast nichts.“
Auch Björn Swanson, Eigentümer und Küchenchef vom Restaurant „Faelt“ in Schöneberg, begrüßte den Beschluss – grundsätzlich. „Ich glaube, 2G ist für uns alle die beste Option, wieder in die Nähe unseres alten Lebens zu kommen, das wir alle schmerzlich vermissen“, sagte Swanson. „Auf der anderen Seite gibt es Menschen, die sich zum Beispiel aus gesundheitlichen Gründen aktuell nicht impfen lassen können. Deshalb finde ich es wichtig, aus Solidarität diesen Menschen gegenüber bei 3G zu bleiben, bis die Ständige Impfkommission Impfungen für alle Gruppen freigibt.“
Insgesamt begrüßt der Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) das vom Berliner Senat beschlossene 2G-Optionsmodell. „Das Wahlrecht für Betreiber war unsere Präferenz“, sagte Hauptgeschäftsführer Thomas Lengfelder. „Bei geschlossenen Veranstaltungen mit Tanz kann ich mir schon vorstellen, dass einige Betreiber das machen.“ Auch Brandenburg ermöglicht künftig das 2G-Modell, allerdings nur in einigen Freizeit- und Kulturbereichen.
Der Senat kam ebenfalls darüber überein, im Quarantänefall die Lohnfortzahlung für Ungeimpfte einzustellen, wenn eine entsprechende Vorlage der Bundesregierung vorliegt. Es sei allerdings noch unklar, ab wann diese Regel gelten soll. „Wenn so eine Vorgabe kommt, werden wir sie umsetzen“, sagte Kalayci.
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