Interview

"Nicht nur Berlin hat ein großes Wohnungsproblem"

| Lesedauer: 7 Minuten
Isabell Jürgens
In Berlin fehlen Wohnungen

In Berlin fehlen Wohnungen

Foto: tupungato / iStockphoto

Baustaatssekretär Sebastian Scheel über die Mietenpolitik des Senats und das Problem, selbst in der Stadt eine Wohnung zu finden.

Berlin. Sebastian Scheel (42) ist seit Februar vergangenen Jahres Staatssekretär für Wohnen in der Verwaltung von Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke). Die Bausenatorin hatte den stets in Anzug und Krawatte auftretenden Politiker aus dem sächsischen Landtag nach Berlin geholt, nachdem sein Amtsvorgänger Andrej Holm nach wenigen Wochen wegen einer Stasi-Affäre zurücktreten musste. In Berlin soll er nun eine der schwierigsten Aufgaben der rot-rot-grünen Landesregierung meistern: den Wohnungsmangel durch eine Neubauoffensive bei den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften zu beheben und zugleich die rasant steigenden Mieten in der Hauptstadt zu begrenzen. Im Interview mit der Berliner Morgenpost zieht Scheel, der in Kürze zum dritten Mal Vater wird, eine erste Bilanz.

Herr Scheel, haben Sie inzwischen eine Wohnung gefunden?

Sebastian Scheel: Ich habe zunächst monatelang in einem Provisorium gelebt, das mir Freunde vermittelt haben. Aber seit Mitte November habe ich eine eigene Wohnung, endlich konnte auch meine Familie aus Dresden nach Berlin umziehen.

Wo wohnen Sie jetzt?

In Charlottenburg-Wilmersdorf, ich wollte gerne nah am Arbeitsplatz wohnen, der Dienstsitz der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen befindet sich am Fehrbelliner Platz.

Haben Sie die geforderte Miethöhe anhand des Berliner Mietspiegels überprüft?

Das habe ich tatsächlich – und dabei festgestellt, dass die geforderte Miete zu hoch ist. Der Vermieter hat die ortsübliche Vergleichsmiete um mehr als zehn Prozent überschritten. Da in Berlin die Mietpreisbremse gilt, ist maximal die Vormiete zulässig.

Und zahlen Sie nun weniger?

Wir diskutieren noch.

Die Mietpreisbremse gilt doch als gescheitert, weil die Mieten trotzdem steigen.

Gescheitert ist sie nicht, aber sie funktioniert in der Tat nicht so, wie sie es sollte. Die juristischen Schlupflöcher zu schließen, ist eine der wichtigsten Aufgaben für eine neue Bundesregierung. Deshalb schlagen wir in einer Bundesratsinitiative dazu vor, den Bestandsschutz für Mieten, die schon vor Abschluss des neuen Mietvertrages überhöht waren, abzuschaffen. Diese Regel muss weg, genauso wie das Nichtgreifen der Mietpreisbremse, wenn zuvor umfassend modernisiert wurde.

Gibt es weitere Schlupflöcher?

Besonders ärgerlich ist, dass es Ausnahmen für möbliertes Wohnen gibt. Da haben wir bisher noch keine Lösung gefunden, daran arbeiten unsere Juristen noch. Da stellt der Vermieter ein abgeranztes Ikea-Sofa in die Wohnung und schon greifen keine Regeln. Das muss aufhören.

Wie wollen Sie das schaffen?

Tatsächlich sind das alles Regelungen, die das Land Berlin nicht alleine verändern kann, denn Mietrecht ist im Wesentlichen Bundesrecht. Aber natürlich können wir, und das haben wir ja auch bereits schon gemacht, entsprechende Bundesratsinitiativen starten. Aktuell arbeiten wir zusammen mit der Justizverwaltung an einer Vorlage, nach der die Modernisierungsumlage, die derzeit eine der größten Mietpreistreiberinnen in der Stadt ist, nur noch zulässig sein soll, wenn sie die energetische Sanierung, Barrierefreiheit und einbruchshemmende Maßnahmen betrifft. Zudem wollen wir generell, dass die Modernisierungsumlage von derzeit elf auf sechs Prozent gesenkt wird. Wir sind auch schon mit gutem Beispiel vorangegangen: Unsere landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften legen bereits nur sechs Prozent auf die Miete um.

Und weiter?

Wir wollen den Mietspiegel, den beispielsweise die Deutsche Wohnen AG als größter privater Vermieter in Berlin im Falle von Mietstreitigkeiten nicht als qualifiziert, also als wissenschaftlich fundiert, anerkennt, stärken. Dazu fordern wir den Bundesgesetzgeber auf, einheitliche Definitionen zu schaffen. Es muss endlich Klarheit herrschen und es müssen sich sowohl Mieter als auch Vermieter gleichermaßen ohne Ausnahme an der ortsüblichen Vergleichsmiete orientieren können.

Nun ist seit Freitag ziemlich sicher, dass wir wieder eine rot-schwarze Bundesregierung haben werden. Was bedeutet das für Ihre Vorhaben?

Deutschland, und nicht nur Berlin, hat ein großes Wohnungsproblem. Das muss im Sinne der Mieterinnen und Mieter gelöst werden. Wir erwarten daher auch von einer rot-schwarzen Bundesregierung, dass sie unsere Vorschläge ernsthaft prüft. Nicht nur für eine Mietrechtsreform müssen Sie den Bund ins Boot holen, sondern auch in der Grundstücksfrage.

Wie ist denn da der aktuelle Stand?

Leider haben wir gerade wieder aufs Neue erlebt, wie uns die bisherige Grundstückspolitik des Bundes behindert. Am Markgrafendamm in Friedrichshain hat gerade ein bundeseigenes Unternehmen, nämlich die Bahn, das Grundstück, das wir auch erwerben wollten, zum Höchstpreis an einen internationalen Investor veräußert. Und zwar zu einem Vielfachen des Verkehrswertes. Trotzdem geben wir unsere Bemühungen nicht auf, denn es geht dabei für uns um die Möglichkeit, nach einem Tausch auf einem anderen innerstädtischen Grundstück Wohnungen bauen zu können. Wir versuchen nun, mit dem Investor ins Gespräch zu kommen.

Berlin liegt auch mit der Bima, der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, über Kreuz. Zeichnet sich da eine Lösung ab?

Wir brauchen dringend eine Bundesregierung, die das Bima-Gesetz ändert, damit die Bima ihren Beitrag zur Mietpreisdämpfung leisten kann. Bisher ist es leider so, dass die Bima völlig zu Recht darauf verweisen kann, dass sie ihre nicht mehr benötigten Immobilien zum Wohle des Bundeshaushaltes möglichst gewinnbringend veräußern muss.

Nun ist aber voraussichtlich wieder die GroKo am Zug. Bleibt also alles beim Alten?

Nein, es wird sich etwas ändern, davon bin ich überzeugt, denn im Bundesrat hat der Berliner Antrag zur Änderung des Bima-Gesetzes bereits eine Mehrheit. Und nicht nur Berlin, sondern auch andere Ballungsgebiete im Bundesgebiet leiden unter dieser Höchstpreispolitik, die es deutlich erschwert, Grundstücke für den sozialen Wohnungsbau zur Verfügung zu stellen.

Berlin möchte auch 4500 Wohnungen von der Bima übernehmen. Die Verhandlungen hatte die Bima 2017 überraschend gestoppt. Wie geht es nun weiter?

Zunächst einmal sind wir froh, dass der Verkauf an einen privaten Investor nicht geplant ist. Die Bima hat uns versichert, dass im Falle eines späteren Verkaufs das Land Berlin zum Zuge kommen soll. Leider ist es uns nicht gelungen, mit der Bima eine Vereinbarung zu erzielen, die wir auch mit unseren landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften geschlossen haben.

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Zur Person

Brandenburger: Sebastian Scheel wurde 1975 im brandenburgischen Wriezen geboren und wuchs in Frankfurt (Oder) auf. Nach dem Abitur studierte er Politische Wissenschaften, Volkswirtschaft und Philosophie an der Universität Leipzig.

Politik: Unmittelbar nach dem Abschluss zog er für die Linke (damals: PDS) in den sächsischen Landtag ein. Er war unter anderem stellvertretender Fraktionschef, Vorsitzender des Haushaltsausschusses und Parlamentarischer Geschäftsführer seiner Fraktion.

Zahlen: Scheel gilt als „Mann der Zahlen“ dem man nichts vormachen kann. Beobachter bezeichnen ihn als „strukturierten Realo-Linken“, der auch ein begabter Rhetoriker sei.

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