Berlin. Der Streit über die Neugestaltung des Inneren der katholischen St.-Hedwigs-Kathedrale in Mitte schwelt weiter. Wie berichtet, will das Erzbistum den Kirchenraum komplett neu gestalten, das kritisieren etliche Gemeindemitglieder als Zerstörung eines Denkmals und auch als Geldverschwendung. Jetzt hat sich ein Verein gegründet, der die Pläne des Erzbistums unterstützt.
Jede Gestaltung habe ihre Berechtigung zu ihrer Zeit gehabt, sagte Vereinsvorsitzender Christoph Lehmann. Doch heute gebe es im Bistum andere Aufgaben als früher, als die katholische Kirche im Ost-Teil der Stadt nicht besonders populär gewesen sei. Inzwischen gehe es darum, zu zeigen, dass die katholische Kirche wichtiger Teil der Gesellschaft sei. Die Kirche müsse den Gottesdiensten zudem einen Ort bieten, der den heutigen Standards entspreche, so Lehmann weiter. Mit ihrem Verein „hedwig21“ wollen die Unterstützer mithelfen, dass die „wichtigste katholische Kirche in der Hauptstadt für die neuen Aufgaben fortentwickelt“ wird, so wie der Bischof es entschieden habe.
Lehmann ist einer der sieben Gründungsmitglieder des neuen Vereins, dem auch Prälat Tobias Przytarski angehört, der für die Kathedrale und das Bernhard-Lichtenberg-Haus als Dompropst zuständig ist. Viele kirchlichen Gremien hätten sich, so Lehmann weiter, „mit überwältigender Mehrheit“ für den Umbau ausgesprochen.
Vorwurf: „Verein propagiert die Denkmalzerstörung“
Für die Initiative „Freunde der St.-Hedwigs-Kathedrale“ ist das Vorhaben „pure Geldverschwendung“ und die Zerstörung eines ihnen wichtigen Denkmals. Sie setzt sich für eine maßvolle Sanierung ein und wirft dem neuen Verein „hedwig21“ vor, die Denkmalzerstörung zu propagieren. Die Initiative kämpft dafür, das Innere der Kirche beizubehalten. Auf ihrer Seite hat sie Denkmalschützer, die der Kathedrale vor allem wegen ihres eigenwilligen Innenausbaus eine hohe liturgie- und zeitgeschichtliche Bedeutung beimessen. Die Gestalt und die weitgehend erhaltene Nachkriegsausstattung der Bischofskirche seien in Deutschland beispiellos. Die Bischofskirche am Bebelplatz habe einen „einzigartigen Zeugniswert“, attestierte Senatsbaudirektorin Regula Lüscher dem Kirchengebäude beispielsweise schon vor Jahren.
Für eine denkmalgerechte Sanierung statt einer kompletten Neugestaltung setzt sich auch der Kulturwissenschaftler, Theologe und ehemalige Berliner CDU-Abgeordnete Alfred-Mario Molter ein. Zum Totalumbau sagt er „ganz klar nein“. Und nicht nur er. Er hat inzwischen fast 900 Unterschriften gegen die Pläne gesammelt. „Denkmale gibt es nur, weil es Bürger gibt, welche die Erinnerungskultur wachhalten. Wer sie zerstört, zerstört unsere Geschichte“, mahnt Molter. Und die Hedwigs-Kathedrale sei ein Denkmal von höchstem Wert, sogar nationaler Bedeutung.
Dabei verweist er auf die Arbeit der Kunst- und Architekturhistorikerin sowie Denkmalpflegerin Sabine Schulte „Kreis, Kreuz und Kosmos – Hans Schwipperts Innenraum für die Berliner Hedwigs-Kathedrale“, deren Veröffentlichung er als Herausgeber durch die Förderung der „Rudolf-August-Oetker-Stiftung für Kunst, Kultur, Wissenschaft und Denkmalpflege“ und in Zusammenarbeit mit der „Deutschen Gesellschaft e. V.“ ermöglichte. Molter versteht die Hedwigs-Kathedrale zudem als Symbol der Einheit, weil sie auch nach dem Bau der Mauer Bischofskirche des ungeteilten Bistums blieb.
Alfred Bengsch habe nicht nur ihren Wiederaufbau durchgesetzt. „Der erste und bisher einzige Berliner auf dem Bischofsthron, 1967 zum Kardinal erhoben, hat 1979 in seinem Testament eindringlich gemahnt, an der Einheit des Bistums festzuhalten“, erinnert Molter. Er sieht diese mit dem geplanten Totalumbau gefährdet: „Wer die Axt an St. Hedwig legt, der spaltet das Bistum.“ Als engagierter Katholik appelliere er deshalb an Erzbischof Koch: „Greifen Sie zum Hirtenstab, nicht zum Presslufthammer!“
Als Kosten veranschlagt für den Umbau im Innern mit der Schließung des Bodens sowie dem Neubau einer Tiefsakristei unterhalb des Hofes zum Bernhard-Lichtenberg-Haus sind 43 Millionen Euro. Außerdem 17 Millionen Euro für die Sanierung des alten Bernhard-Lichtenberg-Hauses sowie den Abriss des neuen Teils, der durch einen Neubau ersetzt werden soll. Der Bund hat zwölf Millionen Euro in Aussicht gestellt, Berlin hat im Haushaltsentwurf für das Bauvorhaben acht Millionen Euro eingestellt. Dabei handelt es sich um Siwana-Mittel (Sondervermögen Infrastruktur der Wachsenden Stadt und Nachhaltigkeitsfonds) die vorbehaltlich der Zustimmung des Abgeordnetenhauses zum Haushalt für die Sanierung der Kathedrale zur Verfügung stehen. Nicht jedoch für deren Umbau, wie ein Sprecher der Senatsverwaltung für Kultur und Europa, bei der der Denkmalschutz angesiedelt ist, auf Anfrage der Berliner Morgenpost sagte.
Behörden prüfen Argument der religiösen Nutzung
Nach Auskunft des Sprechers des Erzbistums, Stefan Förner, geht ohne die Zustimmung des Denkmalschutzes nichts, allerdings nur im Außenbereich. „Wenn es um die Innengestaltung, also um liturgische Belange geht, sollte die Kirche die Entscheidung darüber treffen“, sagte er. Und so wie der Raum momentan konzipiert sei, werde er als geteilt wahrgenommen; eine Gemeinschaft stelle sich nur schwer ein. „Dieser Gemeinschaftsgedanke ist jedoch von zentraler Bedeutung für die Art, wie wir Gottesdienst feiern. Wir sind deshalb im Gespräch mit den Behörden“, sagte Förner. Das Erzbistum habe beim Bezirksamt den Antrag auf eine denkmalrechtliche Genehmigung gestellt. Der Bauantrag für das Vorhaben sei aber noch nicht eingereicht worden. Es sei nicht Ziel, den Denkmalschutz aufzuheben.
Gegenwärtig beschäftigt sich mit dem Vorhaben die Untere Denkmalschutzbehörde des Bezirks Mitte. Stadtrat Ephraim Gothe (SPD) bestätigte der Berliner Morgenpost, dass es Baupläne gibt anhand derer die Fachleute die denkmalrechtlichen Fragen beurteilen. Das Argument der religiösen Nutzung nehme die Behörde sehr ernst, sagte Gothe weiter. Er habe sich bereits in der Kathedrale die Nutzungszusammenhänge in der Kirche im Beisein der Unteren Denkmalschutzbehörde genau erläutern lassen. „Mit Staatssekretär Gerry Woop bin ich noch in Abstimmung zum weiteren Verfahrensweg“, sagte Gothe abschließend.
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