Der Anschlag auf den Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz liegt nun einen Monat zurück. Wie aus dem Nichts brachte ein Islamist den Terror in die Stadt und mordete Unschuldige. Seither säumen mehrere provisorische Gedenkorte mit zahllosen Blumen und Windlichtern den zentralen Platz in der City-West. Täglich aufgesucht von Hunderten, wenn nicht Tausenden Berlinern und Touristen.
Am Donnerstag erinnerte nun auch der Bundestag an den Schrecken und gedachte der Opfer mit einer Schweigeminute. Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) kündigte eine besonnene und konsequente Reaktion des Staates an. An der Gedenkveranstaltung des Parlaments nahmen auch Bundespräsident Joachim Gauck, Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Vertreter jener Staaten teil, aus denen die Opfer des Attentats stammten. Zudem waren Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) und Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) anwesend. Am Abend fanden zum Gedenken außerdem Gottesdienste in der St. Hedwig-Kathedrale in Mitte und in der Gedächtniskirche in Charlottenburg statt. Dort hielt zudem eine Frauen-Friedensinitiative zeitgleich eine Mahnwache ab.
Soforthilfen an die Hinterbliebenen ausbezahlt
Im Bundestag sagte Lammert, die Erkenntnisse über den als Gefährder bekannten Attentäter „zwingen uns, die Sicherheitsarchitektur in unserem Land zu überdenken“. Zugleich warnte er, Menschen wegen ihrer Herkunft oder Religion in Sippenhaft zu nehmen „für terroristische Gewalt, vor der sie vielfach selbst geflohen sind“.
Der tunesische Attentäter Anis Amri war am Abend des 19. Dezember mit einem Lastwagen in den Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche gerast und hatte zwölf Menschen getötet. Etwa 50 wurden teils schwer verletzt. Wenige Tage nach dem Anschlag wurde der 24-jährige Tunesier auf der Flucht von der Polizei bei Mailand erschossen. Noch einen Monat nach der Tat werden elf Menschen in Berliner Krankenhäusern behandelt, darunter seien nach Angaben der Senatsgesundheitsverwaltung acht schwerst verletzte Patienten.
Doch auch die seelische Verarbeitung stellt für viele Betroffene eine erhebliche Last dar. Bis zu 30 Menschen sind nach dem Attentat am Breitscheidplatz Ende Dezember noch in der Trauma-Ambulanz Berlin in Behandlung. Darunter sind Verletzte, die vom Lastwagen des Attentäters erfasst wurden, wie auch Menschen, die direkt danebenstanden und das Schreckensszenario miterlebten.
Also Helfer, Polizisten und Feuerwehrleute sowie schwer belastete Angehörige, so der Leiter der Ambulanz, Olaf Schulte-Herbrüggen. Bei vielen Menschen zeigten sich die Symptome erst später. „Sie funktionieren erst mal, weil sie sich zunächst um Verletzte kümmern oder eine Beerdigung organisieren müssen“, so der Psychiater.
Der Bund hat in dieser Woche erste Soforthilfen an die Opfer und Hinterbliebenen des Terroranschlags ausgezahlt. Das habe Justizminister Heiko Maas (SPD) dem Rechtsausschuss des Bundestages mitgeteilt, berichtete das Redaktionsnetzwerk Deutschland unter Berufung auf Koalitionskreise. Die Mittel stammten demnach aus dem Härtefallfonds des Bundestages für die Opfer terroristischer Straftaten. Konkrete Summen wurden nicht genannt. Angehörigen von Terroropfern würde üblicherweise eine Soforthilfe in Höhe von 5000 Euro ausbezahlt. Von der privaten Spendeninitiative der AG City, dem Schaustellerverband und dem DRK, an der sich auch der Verein der Berliner Morgenpost, Berliner helfen e. V., mit 50.000 Euro beteiligt hat, sind bereits Zahlungen an Schwerverletzte und Hinterbliebene erfolgt.
Bundestagspräsident Lammert lobte in seiner Rede die Bürger: „Die Bevölkerung reagiert mit bemerkenswerter Besonnenheit auf den Terror. Sie demonstriere damit eindrücklich, „sich ihr Leben nicht von Drohungen und nicht von Angst diktieren lassen zu wollen“, sagte der Politiker. Die Muslime im Land rief Lammert zur Auseinandersetzung mit ihrer Religion auf. Als Staat, der Religionsfreiheit als Menschenrecht garantiere, „dürfen und müssen wir die Auseinandersetzung der Muslime mit ihrer Religion und dem verhängnisvollen Zusammenhang von Glaube und fanatischer Gewalt mit Nachdruck einfordern“, sagte er. Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, Aiman A. Mazyek, habe dies nach dem Anschlag beispielhaft getan.