Achim Achilles

Raus aus der Komfortfalle

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Achim Achilles trainiert am liebsten ohne Firlefanz

Achim Achilles trainiert am liebsten ohne Firlefanz

Foto: Frank Johannes

Gutes Bewegen kommt auch ohne Schnickschnack zurecht. Achim Achilles sagt, warum Sport keine Technik braucht.

Fortschritt ist anstrengend. Die neue Pulsuhr etwa, die alle Bewegungsdaten online stellt, braucht viele Stunden Herumgedrücke, bis sie unsere seit Jahren bekannte Stammstrecke rund um den Stadtweiher für die Nachwelt aufzeichnet – vielleicht. Und der Radcomputer muss rasch noch auf den Umfang des Vorderrades eingestellt werden. Leider wurde die Anleitung auf Kroatisch mitgeliefert.

Häufig führen vermeintliche Komfortgerätschaften zum exakten Gegenteil von Bewegung: Stillstand. Hätte ich die Zeit, die ich je mit dem Studieren von Bedienungsanleitungen, dem Umtausch von Geräten, dem Fahnden nach Adaptern vertrödelte, in Bildung und Training investiert, wäre ich womöglich der erste Olympiasieger mit Nobelpreis geworden.

Gutes Bewegen kommt ohne Schnickschnack zurecht. Es gibt Sport ohne Profi-Plan, Rundumversicherung und atmungsaktives Rettungsseil. Komfort ist Mentaldroge. Zu viel davon, und der Mensch ist druff und drin in der Falle. Jede Bewegung verschwindet aus dem Alltag, Muskelkontraktionen gelten als Menschenrechtsverletzung.

Weg mit dem Eierkocher

Wir nutzen den ganzen Tag über Rolltreppen und elektrische Korkenzieher, um abends im Gym die Pfunde zu verbrennen. Die Komfortfalle enttarnte sich mir früh, am Beispiel von Eierkocher und Bügelmaschine. Meine Mutter wünschte sich beides. Technische Geräte, die die Hausarbeit bewältigen, rangierten im letzten Quartal des vergangenen Jahrhunderts ganz oben auf der Prestigeliste.

So standen zwei Erwachsene und zwei Jungs um ein orangegelbes Plastikgerät herum, gebanntes Starren auf den gelben Leuchtknopf. Leuchte verlischt. Sirene schnarrt. Unser Eierkocher hatte vier Eier gekocht.

Ähnlich euphorisch nahmen wir wenig später die Bügelmaschine in unsere Familie auf. Ich schwöre: Mein Vater fotografierte, als meine Mutter den ersten Kopfkissenbezug, akkurat gefaltet, saumwärts zwischen die Rollen schob.

Etwa ein halbes Jahr später verschwanden Eierkocher und Bügelhalbautomat im Keller, wo sie ihre Erwerber nicht täglich daran erinnerten, dass Anschaffungskosten und tatsächliche Lebenserleichterung in krassem Missverhältnis standen. Aber eine weitere Lektion fürs Leben gelernt: Nicht alles, was neu ist und einen Stecker hat, ist besser. Wahrer Luxus dagegen ist nah am Nichts: Socken, Hemd, Hose und ein paar ordentliche Laufschuhe. Und dann nichts wie raus aus der Komfortfalle.


Lese-Tipp: Achim Achilles: Laufen und Lust – In zehn Schritten zu mehr Spaß am Leben, E-Book, Mano-Verlag, 3,99