Bereits um 9 Uhr, eine Stunde vor der Eröffnung der ersten Jobbörse für Flüchtlinge, warten hunderte Menschen vor dem Kongresscenter des Estrel an der Sonnenallee. Von Minute zu Minute schwillt das Stimmengewirr an.
Es scheint, als sei der halbe Globus sprachlich vertreten. „Ich bin erst seit vier Monaten in Deutschland, doch ich will einen Job“, sagt junge Syrer Salem in gebrochenem Deutsch. Der 23-Jährige will die Börse nutzen, um sich einen Überblick zu verschaffen. In seiner Heimat habe der junge Mann als Pfleger gearbeitet.

Kurz vor zehn Uhr muss die Polizei dafür sorgen, dass der Straßenverkehr vor dem Estrel ungehindert weiter fließen kann. Denn die Wartenden stehen jetzt nicht nur auf dem Bürgersteig, sondern auch auf der Fahrbahn.
Pünktlich um zehn Uhr öffnen sich die Tore des Kongresscenters. 211 Unternehmen haben ihre Stände aufgebaut und sind für den Ansturm gerüstet. Rund 4100 Geflüchtete haben sich im Vorfeld zu der Veranstaltung angemeldet. Das teilte der Organisator, die Agentur für Arbeit Berlin Süd, mit. Mit der Messe sende Berlin die Botschaft aus, dass Flüchtlinge hier „nicht nur willkommen, sondern willkommen in Arbeit sind“, sagte die Berliner Senatorin für Arbeit und Integration, Dilek Kolat (SPD).
Der stellvertretende IHK-Hauptgeschäftsführer Christian Wiesenhütter wertete das Engagement von Unternehmen bei der Jobbörse als Zeichen, „dass die Berliner Wirtschaft den Integrationsprozess von Flüchtlingen in Ausbildung und Arbeit selbst aktiv mitgestaltet“. Es komme jetzt darauf an, die Geflüchteten mit gesichertem Aufenthaltsstatus für den Berliner Arbeitsmarkt fit zu machen.
Ohne das Erlernen der deutschen Sprache werde eine erfolgreiche Integration jedoch nicht gelingen, mahnte Wiesenhütter. Deshalb müssten ausreichende Kapazitäten für Sprachkurse geschaffen werden.
Viele renommierte Berliner Hotels suche Personal
Doch bevor die Jobsuchenden an die Stände gelangen, müssen sie sich am Eingang registrieren. Dann geht es weiter mit einer kurzen Taschenkontrolle und dann geht es auch schon rein in die Ausstellungsräume.
Dort drängen sich die Flüchtlinge an den Ständen. Neben der Agentur für Arbeit sind viele renommierte Berliner Hotels, aber auch Wohnungsgesellschaften vertreten. Sie bieten eine breite Palette an Tätigkeiten. Zu den teilnehmenden Firmen gehören große Konzerne wie Bayer und Vattenfall, aber auch kleine wie die örtliche Reederei Riedel, die Schiffsführer und Matrosen sucht. Die Aussteller hätten 1000 Stellen - darunter auch Praktika - zu besetzen, hatte das Hotel Estrel als Veranstalter angekündigt. Für die Bewerber heißt es erst einmal einen Fragebogen auszufüllen und sich mit den Informationsblättern der Unternehmen zu beschäftigen.
„Mit der Jobbörse schaffen wir eine Plattform zur Information und persönlichen Begegnung mit Unternehmen, die Arbeitskräfte suchen“, sagt Mario Lehwald, Vorsitzender der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Berlin Süd. Die Einführung der Schutzsuchenden in den Arbeitsmarkt sei aber kein kurzer Prozess, so Lehwald.
Erste Erfolge bei der Vermittlung
Zur Bewältigung dieser Aufgabe müssen individuelle Vorbereitungen getroffen werden. Man müsse die Flüchtlinge an der Stelle abholen, an der sie sind. Zunächst werden die bisherigen Berufserfahrungen und die aktuellen Sprachkenntnisse geprüft. In anschließenden Gesprächen mit den Arbeitgebern können die arbeitssuchenden Flüchtlinge über die ausgeschriebenen Stellen informieren.
Schon nach kurzer Zeit verzeichnen die Organisatoren erste Erfolge. Es sei ihnen bereits gelungen, die ersten Jobsuchenden in den Arbeitsmarkt zu vermitteln, so Mario Lehwald.
Doch gleich mit einem Arbeitsvertrag verlässt kaum jemand diesen Ort. Es gehe darum, sich gegenseitig kennenzulernen, die Qualifikation der Bewerber abzufragen, heißt es unisono bei den Unternehmen und der Arbeitsagentur. „Die Interessenten kommen super positiv auf uns zu“, erzählt Vodafone-Personalberaterin Lisanne Lauer von ihren Begegnungen. Oft sei deren Erwartungshaltung aber auch groß, und sie müsse erst einmal zurückfragen: „Sag mir, was Du mitbringst.“
211 Stände von Unternehmen
Die meisten Interessenten am Montag kommen meist aus dem Bürgerkriegsland Syrien, aus dem Irak, dem Iran, Eritrea, Afghanistan oder Ägypten. An 211 Ständen von Unternehmen und Bildungsträgern können sie sich informieren und erste Kontakte knüpfen.
Dazu gehört auch Adel Idris, der sich selbst als Video-Künstler bezeichnet. Der 39-Jährige kam aus Moldawien nach Deutschland und hat den rechtlichen Status eines Geduldeten. Damit ist es kaum möglich, eine feste Stelle zu finden - doch er hofft auf ein Praktikum in der Software-Entwicklung von Vodafone.
Denn der Telekommunikationskonzern suche Arbeitskräfte in vielen Bereichen - Technik, Kommunikation, Marketing, Einzelhandel. Lauer hat schon einen kleinen Stapel von Lebensläufen gesammelt, die sie im Büro gemeinsam mit ihren Kollegen genauer durchsehen will. Innerhalb von zwei Wochen werde jeder Bewerber Bescheid bekommen, ob und wie es weitergeht.
Manche Firmen bieten auch eigene Deutschkurse an
Den Syrer Bilal Nasser (30) hat die ärztliche Behandlung nach einem Motorradunfall nach Deutschland geführt. Er kann einen Bachelor-Abschluss in Elektrotechnik vorweisen. Seine Online-Bewerbungen hätten bislang „null Ergebnisse“ gebracht. Deshalb versuche er nun auf der Jobbörse sein Glück. Er erkundigt sich beim Versandhändler Zalando nach Arbeitsmöglichkeiten.
Viel Betrieb herrscht auch am Infostand des Dienstleisters 3B Premium Hotelservice. Die 26 Jahre alte Syrerin Navan Hassan, als Sekretärin ausgebildet, möchte gern als Reinigungskraft arbeiten. Wie an allen Ständen auf der Messe üblich, füllt sie einen Bewerberbogen aus, mit den wichtigsten persönlichen Daten, dem Aufenthaltsstatus, Schulabschluss, Berufsausbildung, Arbeitserfahrungen und sonstigen Qualifikationen. 3B-Geschäftsführerin Petra Toller sagt, Quereinsteiger seien in ihrem Unternehmen nicht unüblich. Die Firma biete auch eigene Deutschkurse an.
Klar ist: Ohne Deutsch geht es in der Regel nicht. Das bestätigen auf der Jobbörse alle Personalberater, mit denen man spricht. Allenfalls bei Technikern könne Englisch als Arbeitssprache ausreichend sein. Die Bezirksbürgermeisterin von Neukölln, Franziska Giffey (SPD), sagt, es müssten mehr Deutschkurse als bisher eingerichtet werden. „Man kann nicht mehr diskutieren, ob wir es schaffen oder nicht. Die Menschen sind da.“
Jetzt beginne, nach der Notversorgung, „Phase zwei“: die Integration der Flüchtlinge. Die Berliner Arbeitssenatorin Dilek Kolat fügt hinzu: „Sie sind motiviert, sie wollen nicht vom Staat alimentiert werden.“