Rechtsextremismus

NPD-Verbot würde Berliner Rechtsextreme hart treffen

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Ulrich Kraetzer
Ein Unterstützer der NPD bei einer Parteikundgebung am Strausberger Platz in Berlin

Ein Unterstützer der NPD bei einer Parteikundgebung am Strausberger Platz in Berlin

Foto: Matthias Balk / dpa

Das Bundesverfassungsgericht berät ab Dienstag über ein NPD-Verbot. Das träfe auch den Berliner Landesverband.

An diesem Montag wollen sie es noch mal wissen. „Das Boot ist voll. Asylbetrüger abschieben“, heißt es in gewohnt menschenverachtender Rhetorik auf dem Plakat, mit dem die NPD für eine flüchtlingsfeindliche Demo am S-Bahnhof Wartenberg wirbt.

Es könnte einer der letzten Aufrufe der Neonazis sein. Denn am Dienstag beginnt die mündliche Hauptverhandlung, in der der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichtes über ein NPD-Verbot entscheidet. Wenn die Karlsruher Richter dem Antrag der Bundesländer stattgeben, ist die älteste Neonazi-Partei der Bundesrepublik Deutschland Geschichte.

In Berlin längst gesellschaftlich marginalisiert

Auf die rechtsextremistische Szene der Hauptstadt dürfte ein Verbot erhebliche Auswirkungen haben. Denn anders als etwa in Sachsen oder Mecklenburg-Vorpommern ist die NPD in Berlin zwar seit Jahren nur eine Splitterpartei und gesellschaftlich marginalisiert. Sie ist auch weit davon entfernt, bei der Wahl im Herbst mit einem Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde ins Abgeordnetenhaus einzuziehen. „In der rechtsextremistischen Szene ist die NPD aber nach wie vor die am besten ausgestattete politische Kraft“, sagt Mathias Wörsching von der staatlich geförderten „Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus“.

Wichtige Kampagnen der Neonazi-Szene würden in der Zentrale der Bundespartei an der Seelenbinderstraße in Köpenick geplant. Als legale Partei profitiert die NPD zudem in erheblichem Umfang von der staatlichen Parteienfinanzierung aus Steuergeldern, der sie den Großteil ihrer Einnahmen verdankt. Ein Verbot wäre daher, zumindest kurz- und mittelfristig, ein Schlag gegen die gesamte Infrastruktur der Rechtsextremen. „Es würde den Aktionsradius der Szene zunächst erheblich einschränken“, sagt Wörsching. Ihre Möglichkeiten nutzte die Partei zuletzt vor allem, um gegen Flüchtlinge und Asylbewerber zu hetzen. „Nein zum Heim“, schallte es in den vergangenen Jahren immer häufiger aus den Mündern angeblich besorgter Anwohner – unter denen häufig auch angereiste Rechtsextremisten waren. Organisiert wurden die Proteste maßgeblich von lokalen Rechtsextremisten, oft in enger Zusammenarbeit mit der NPD.

Mobilisierung in rassistischen Kreisen

Vor allem in Treptow-Köpenick würde die NPD durch ihre Vertreter in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) auch an Informationen gelangen, die sie für ihre Aktionen und Propaganda nutzen könnten – etwa über Standorte für geplante Flüchtlingsheime oder durch Flüchtlinge genutzte Turnhallen.

Mit der „Nein zum Heim“-Kampagne versuchen die Rechtsextremisten, mit offen fremdenfeindlichen Parolen ihre Klientel zu bedienen und in rassistischen Kreisen Anhänger zu gewinnen. In Teilen sei dies gelungen, sagt Wörsching. Die NPD habe einige ältere Szene-Anhänger, die in den 90er-Jahren verstärkt aktiv waren, mobilisiert.

Im Pankower Stadtteil Buch habe sie zudem einige wenige, dafür aber sehr aktive jüngere Anhänger hinzugewinnen können, die sich im Pankower Kreisverband der Partei stark engagieren würden. „Die Proteste gegen Flüchtlinge waren für die NPD gewissermaßen eine Frischzellenkur“, sagt Wörsching. Der Versuch, mit einem „Kümmererimage“ – so beschrieb es Ende vergangenen Jahres der Berliner Verfassungsschutz – auch Anschluss an vermeintlich bürgerliche Schichten zu finden, sei dagegen weitgehend misslungen, sagt der rbb-Reporter Olaf Sundermeyer, der die Szene seit Jahren beobachtet und mehrere Bücher über den Rechtsextremismus geschrieben hat.

Verwurzelt in Marzahn-Hellersdorf oder Treptow-Köpenick

Zu Kundgebungen vor geplanten Flüchtlingsheimen seien zwar bis zu 1000 Teilnehmer gekommen, beispielsweise Ende 2014 in Marzahn-Hellersdorf. Der Versuch, die Protestierenden in nennenswerter Größenordnung zur Mitarbeit oder gar zum Parteieintritt zu bewegen, sei aber gescheitert. Verwurzelt sei die Partei allenfalls in einigen östlichen Bezirken wie Marzahn-Hellersdorf oder Treptow-Köpenick.

Konkurrenz im sich bürgerlich gebenden rechten Lager erfuhr die NPD durch die AfD. „Der Erfolg der AfD beschäftigt die NPD über alle Maßen“, sagt Sundermeyer. Die Parteimitglieder seien erkennbar frustriert, dass sie von der zunehmend fremdenfeindlichen Stimmung kaum profitiere. Die Partei liege daher „ziemlich am Boden“. Ihr fehle fähiges Führungspersonal.

Berliner Landesverband zählt zurzeit rund 250 Mitglieder

Der Berliner Landesverband zählt zwar zurzeit rund 250 Mitglieder. Zum harten Kern, der sich um die Parteiarbeit kümmert und Aktionen organisiert, gehörten aber höchstens einige Dutzend. Kurz: Die NPD kämpfe um ihre Existenz, sagt Sundermeyer. Das Verbotsverfahren sei daher überflüssig. Schlimmer noch: Es würde der Partei die lang ersehnte Aufmerksamkeit bescheren. Im Fall eines Scheiterns könnten sich NPD-Mitglieder als zu Unrecht verfolgte „aufrechte Nationale“ inszenieren und so möglicherweise neue Anhänger anziehen. Im Fall eines Erfolgs wäre zwar die NPD verboten, sagt Sundermeyer. Die Mitglieder der Partei wären deswegen aber nicht verschwunden. „Mit einem Parteiverbot erledigt man nicht den Rechtsextremismus.“

Die Erfolgsaussichten des Verbotsantrages stehen indes nicht schlecht. Denn anders als beim gescheiterten ersten Verbotsversuch 2003 haben die Verfassungsschutzämter – eigenen Angaben zufolge – ihre V-Leute aus der Führungsebene der Partei abgezogen.