Wird ein einzigartiges Baudenkmal der katholischen Kirche für mehr als 43 Millionen Euro unnötigerweise umgebaut? Kritiker des geplanten radikalen Umbaus und der riskanten Arbeiten für die neue bis zu acht Meter reichende Tiefsakristei der St. Hedwigs-Kathedrale in Mitte schlagen jetzt Alarm. Sie hoffen auf ein entsprechendes Votum des Diözesanrates, der am Sonnabend über die äußerst umstrittene vom Erzbistum Berlin geplante Umgestaltung der katholischen St.-Hedwigs-Kathedrale abstimmt. Das Votum der 98 Delegierten des bundesweit zweitgrößten Diözesanrates soll eine Grundlage für die Entscheidung von Erzbischof Heiner Koch liefern.
„Es ist ein rechtlich nicht bindendes, aber gewichtiges Votum, das den Bischof sicher beeinflusst“, sagte Sprecher Stefan Förner der Berliner Morgenpost. Besonders pikant: Wie Insider berichten, stehen Anträge zur Beratung des Themas erst nach der Abstimmung auf der Tagesordnung. Kritiker monieren: „Das entwertet die Vollversammlung zum bloßen formalen Akt eines Zustimmungsvereins.“ So soll unter anderem auch ein Moratorium beantragt sein.
Das Thema ist komplex. Zur Debatte steht, ob die Kirche lediglich saniert oder im Inneren auch umgestaltet wird. Bislang öffnet sich der Raum zu einer Ober- und einer Unterkirche. Ein Architektenentwurf sieht vor, diese Öffnung zu schließen und so einen größeren Hauptraum zu schaffen. Dagegen protestierten Denkmalschützer und auch Gemeindemitglieder.
Für Tiefsakristei neue Unterkellerung nötig
Dabei geht es nicht nur darum, ob die nach den Plänen des Bauhaus-Architekten Hans Schwippert wieder aufgebaute Hedwigs-Kathedrale, die als Meisterwerk der Nachkriegsmoderne gilt, durch den Umbau unwiederbringlich zerstört wird. Kritiker befürchten zudem eine unabsehbare Explosion der bislang auf 43 Millionen Euro geschätzten Kosten. Nicht zuletzt auch wegen der ihrer Ansicht nach riskanten Errichtung einer neuen Tiefsakristei, für die eine neue Unterkellerung erforderlich wird. So sagt der Architekt Werner J. Kohl von der Initiative „Freunde der St.-Hedwigs-Kathedrale“, dass die tatsächlichen Baukosten angesichts der dafür erforderlichen Baugrundfestigung nicht absehbar seien: „Denken Sie nur an die Kostenexplosion bei den Gründungsarbeiten für die Staatsoper.“
Auch Peter Lemburg, Bauhistoriker und Vorstandsmitglied im Architekten- und Ingenieur-Verein zu Berlin (AIV) mahnt, dass im Falle von Bauarbeiten in der Tiefe unbedingt von Anfang an ein Schadensmanagement installiert werden müsse. Mögliche Schäden an der Hedwigs-Kathedrale durch die Arbeiten in der Tiefe müssten sofort gemeldet und der Bau dann gestoppt werden. Indes: Schon jetzt wurden infolge der Arbeiten für die benachbarte Staatsoper Risse in der Kathedrale festgestellt.
Lemburg betont zudem auch: „Wir sehen gar keine Notwendigkeit darin, die intakte Kathedrale zurückzubauen und teilen den denkmalpflegerischen Gedanken, die funktionierende gestalterische und theologische Nachkriegskonzeption zu bewahren.“
Der in einem noch von Bischof Rainer Maria Woelki ausgelobten Architekturwettbewerb ermittelte Siegerentwurf des Büros Sichau & Walter sieht aber die vollständige Beseitigung der weitgehend intakten und denkmalgeschützten Gestaltung aus den Nachkriegsjahren vor. Die besondere Raumfassung des Architekten Hans Schwippert stellt nach Auffassung von Experten ein herausragendes Denkmal der deutsch-deutschen Nachkriegsgeschichte dar. Schwippert bereicherte den einstmals friderizianischen Zentralraum durch eine den Seligen Patres Lichtenberg und Werhun gewidmete Öffnung in der Unterkirche und verband Unterkirchen- und Hauptkirchenaltar.
Plädoyer für Erhalt der Raumgestaltung
„Es gibt kaum ein anderes Bauwerk in Deutschland, das derart symbolisch für die vereinende Kraft der katholischen Kirche steht. Die Hedwigs-Kathedrale ist ein Manifest der Einheit der katholischen Kirche im Kalten Krieg und darüber hinaus ein Manifest gesamtdeutschen Handelns“, sagt auch die Vorsitzende des Landesdenkmalrates und TU-Professorin Kerstin Wittmann-Englert. Es sei zudem zu überlegen, so die Kunsthistorikerin, ob die katholische Kirche in Zeiten der Flüchtlingskrise so viel Geld für den Umbau einer intakten und einzigartigen Kathedrale ausgeben wolle.
Der Entwurf sieht unter anderem vor, die von Schwippert gestaltete Öffnung zu schließen. Die „Freunde der St.-Hedwigs-Kathedrale“ plädieren stattdessen für eine „behutsame und kostengünstige Sanierung und Weiterentwicklung“, was nach ihren Angaben für etwa 4,1 Millionen Euro machbar sei.
Dass der in der Senatsbauverwaltung angesiedelte Denkmalschutz den umstrittenen Umbau nicht verhindern kann, ist im Selbstbestimmungsrecht der Kirchen begründet, wie Senatsbaudirektorin Regula Lüscher bereits 2014 auf eine parlamentarische Anfrage der Linken sagte. Dabei wies Lüscher darauf hin, dass die Umbaupläne nicht mit dem Denkmalschutz vereinbar seien. Eine denkmalverträgliche Sanierung des Innenraums sei durchaus möglich, ohne dass die „hochbedeutende Nachkriegsraumschöpfung von St. Hedwig“ darunter leiden müsse.
Denkmalschützer, Kunsthistoriker und Mitglieder der Initiative für den Erhalt hoffen, „dass der Bischof sich für eine angemessene und kostengünstige Sanierung entscheidet, die diesen einzigartigen Schatz sakraler Baukunst erhält“, so Wolfgang Kohl.