Der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) will Berlin zu einer Stadt der Arbeit machen. Sein Ziel sei Vollbeschäftigung, also eine Arbeitslosenquote von höchstens drei bis vier Prozent, erklärte Müller am Sonnabend auf der Klausurtagung der SPD-Abgeordnetenhausfraktion in Jena. Derzeit liegt die Quote bei 10,1 Prozent. "Wir brauchen eine aktive und offensive Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik" sagte der Regierungschef.
Dabei wolle er sich auf die Ressourcen der Stadt konzentrieren, auf diejenigen Cluster, in denen bereits in den vergangenen zehn Jahren die meisten der 300.000 neuen Arbeitsplätze entstanden sind: Informationstechnologie, Medizintechnik, Biotechnologie, Gesundheitswirtschaft und Wissenschaft.
Die SPD müsse aber auch stärker betonen, welchen hohen Stellenwert eine duale betriebliche Ausbildung habe, sagte Müller. Die Grundidee der Partei, dass Bildung von der Kita bis zur Universität kostenfrei sein müsse, sei zwar richtig. Dennoch müsse deutlich werden, "dass ein guter Lebensweg nicht abhängig ist von akademischer Bildung". Die SPD müsse sich von dem Anspruch verabschieden, dass möglichst jeder über eine Hochschulbildung verfügen sollte.
Müller lobt Berliner Wirtschaft
Die betriebliche Ausbildung biete gerade ein Berlin ein riesiges Potenzial, das aber viele junge Menschen nicht erkennen würden. Die Wirtschaft habe schneller als mit ihm verabredet war 1000 neue Ausbildungsplätze geschaffen, lobte der Regierende Bürgermeister. Nun seien aber nicht genügend Bewerber für diese Plätze da. Um die betriebliche Ausbildung zu stärken, will Müller ein "duales Abitur" einführen.
Schüler würden dann nach der neunten Klasse in einen Ausbildungsbetrieb gehen, gleichzeitig aber ihre schulische Bildung fortsetzen. Nach vier Jahren hätten sie ihr Abitur und eine abgeschlossene Lehre und könnten auf dieser Basis entscheiden, ob sie tatsächlich ein Studium beginnen wollen, erläuterte der Politiker. In Sachsen und Baden-Württemberg wird ein duales Abitur bereits erprobt.
Neue Ausbildungsberufe im Bereich der Digitalisierung
Müller will noch in diesem Jahr mit Wirtschaftsverbänden, Kammern und Gewerkschaften neue Ausbildungsberufe im Bereich der Digitalisierung verabreden. Zudem müssten bestehende Berufsbilder durch Digitalisierung ergänzt werden und das auch in die Ausbildung einfließen. Insbesondere an kleinen Unternehmen und an Handwerksbetrieben gehe die Digitalisierung noch zu stark vorbei, sagte Müller. Das mindere auch die Attraktivität dieser Betriebe für junge Menschen.
Andererseits gebe es in der Stadt eine breite Szene von Start-up-Firmen, die nicht ausbilden. Meist führten sie als Grund die wirtschaftliche Unsicherheit ihres Unternehmens an. Müller forderte staatliche Programme, die die Weiterführung einer Ausbildung garantieren, wenn es tatsächlich zur Schließung eines Start-ups kommt.
Im Zusammenhang mit seiner Werbung für die betriebliche Ausbildung sprach sich der Regierende Bürgermeister außerdem für ein "freiwilliges industrielles Jahr" analog zum freiwilligen sozialen oder ökologischen Jahr aus. Diese Idee kam allerdings nicht bei allen Klausurteilnehmern gut an. Das würde nur die "Generation Praktikum" vergrößern, kritisierten mehrere Abgeordnete.
Müller hält an der Tegel-Schließung fest
Starken Beifall bekam Müller indes für sein Festhalten an der Schließung des Flughafens Tegel nach Eröffnung des BER. Das sei nicht nur eine Frage der politischen Glaubwürdigkeit, sagte der Regierende Bürgermeister. Berlin brauche auch den auf dem Flughafengelände dann geplanten Technologie- und Forschungspark. Die "Urban Tech Republic" sei ein Referenzprojekt für die Smart City. Berlin verfüge über Entwicklungsflächen für Gewerbe und Industrie mitten in der Stadt. Das gebe es in keiner anderen europäischen Metropole. Als weiteren Baustein seiner aktiven Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik nannte Müller die Rekommunalisierung der Energiebetriebe und -netze. Ein bezahlbarer Zugang zu Energie sei wichtig für Verbraucher wie für Unternehmen. Diese Planungssicherheit sichere auch Arbeitsplätze.
Müller erklärte, Berlin sei auf dem Weg zu einer echten europäischen Metropole. Die Dynamik sorge auch für ein anhaltendes Wirtschaftswachstum über dem Bundesdurchschnitt. "Diese gute Zeit müssen wir nutzen. Wir brauchen eine sich selbst tragende wirtschaftliche Basis, die auch in schlechten Zeiten hält", sagte er. Diese zu schaffen, sei eine ressortübergreifende Aufgabe der Landespolitik. Der Regierende Bürgermeister betonte, keine Wahlkampfaussagen formuliert zu haben, sondern Aufgaben der kommenden Jahre. Müller werden große Chancen eingeräumt, das Amt auch nach der Wahl weiterzuführen.