Verwaltungschaos

Wie Berlins Bürgerämter funktionieren könnten

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Nina Paulsen
Berliner warten vor dem Bürgeramt in der Sonnenallee in Berlin-Neukölln

Berliner warten vor dem Bürgeramt in der Sonnenallee in Berlin-Neukölln

Foto: dpa Picture-Alliance / Gregor Fischer / picture alliance / dpa

Sonntagsöffnung, SB-Terminals und eine besondere Nähe zu den Mitarbeitern: So will eine Gruppe Berliner das Bürgeramts-Chaos beseitigen.

Der nächste freie Termin im Bürgeramt Prenzlauer Berg: In frühestens zwei Monaten. Im Rathaus Reinickendorf: Am 22. März. Im Bürgeramt Rathaus Spandau: ebenfalls keine Chance. Die kommenden zwei Monate sind komplett voll.

Die kleine Stichprobe am Freitagnachmittag ist symptomatisch für die katastrophale Situation in den Bürgerämtern der Stadt. Wer einen Reisepass oder einen Personalausweis beantragen will, kann dies nur noch mit Termin tun – und die Termine sind Monate vorher ausgebucht. Besserung ist derzeit kaum in Sicht. Zumal genau in diesen Tagen Berlins Bürgerämter komplett geschlossen sind, weil die Computer dort eine neue Software bekommen. Erst am 26. Januar geht der Betrieb weiter.

Zwar soll das Personal in den Bezirken aufgestockt werden, wie Berlins Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD) ankündigte. Doch einer Gruppe von Berlinern reicht das nicht.

Konzept wurde an Parteien übergeben

Eine Gruppe aus rund 70 Selbständigen, Künstlern, Bloggern, Führungskräften oder ehemaligen Verwaltungsmitarbeitern rund um das Netzwerk „Außergewöhnlich Berlin“ hat ein Konzept entworfen, wie das Problem an den Bürgerämtern angegangen werden könnte. „Wir haben uns einen Vormittag lang zusammen gesetzt und Ideen entwickelt“, sagt Netzwerkgründer und Dozent Alexander Wolf der Berliner Morgenpost.

Nur ein Vormittag, um das große Chaos zu bewältigen? „Klar“, sagt Wolf. „Wir haben genügend gute Ideen.“ Das Konzept wurde am Freitag an die Büros der Fraktionsführer der Parteien im Berliner Abgeordnetenhaus übergeben.

Und so sieht es aus: Zunächst wird vorgeschlagen, die Terminvergabe zu verbessern - etwa durch eine Online-Wartezeitanzeige oder ein Notfall-Terminkontingent. Außerdem könne es in Einkaufszentren oder öffentlichen Gebäuden „mobile Bürgeramt-Teams“ geben. „Diese mobilen Teams können auch von zertifizierten Dienstleistern betrieben werden“, heißt es in dem Konzept. Auch die Sonnabend- und Sonntagsöffnung steht darin.

Die Finanzierungsfrage ist offen

Weitere Vorschläge: Die Anstellung von Zuarbeitern oder Azubis, die Teilaufgaben außerhalb der regulären Arbeitszeit in den Bürgerämtern abarbeiten sollen; SB-Terminals, an denen die benötigten Papiere selbst beantragt werden können – und eine bessere Motivation der Mitarbeiter in den Bürgerämtern selbst.

Dazu zählt laut der Liste von Wolf und seinen Mitstreitern: 13. Monatsgehalt, Kultur- und Freizeitgeschenke für Bürgeramts-Mitarbeiter, eine Image- und Respektkampagne. Und: „Öfter mal die armen Mitarbeiter der Bürgerämter umarmen.“ Wobei offen bleibt, ob die überhaupt von fremden Menschen umarmt werden möchten.


Klingt ja alles gut - aber ist das Konzept überhaupt realitätstauglich? „Das ist eine erste Wunschliste“, gibt Wolf zu. „Dann muss man gucken, wie man das finanziert.“ Ein paar Gedanken hat sich die Gruppe aber gemacht. „Es ist viel teurer, wenn man nichts unternimmt“, ist er überzeugt. „Eine billigere Verwaltung ist immer die, die auch funktioniert.“ Außerdem habe die Stadt ja das Geld – es sei nur falsch verteilt. Und wenn der politische Wille fehlt, könne man ja auch bei Privatleuten „ein paar Hunterttausend Euro einsammeln“.

Positive Reaktionen bekommen

Obwohl das Konzept nicht ganz ausgereift ist, habe es von den Parteien „überraschend“ positive Reaktionen gegeben, als es überreicht wurde. „Positiv und erstaunlich offen“, sagt Wolf. „Das hätte ich nicht gedacht.“

Sieht er denn eine Chance, dass sein Konzept wirklich auch in die Tat umgesetzt wird? „Das Schöne ist: Es ist Wahlkampf“, sagt Wolf. Heißt also: Ja. Und wenn nicht, will er mit der hinter dem Konzept stehenden Gruppe zumindest einzelne Maßnahmen auf eigene Faust umsetzen und anschieben. „Zum Beispiel das mit dem Umarmen ist ja kein Problem.“ Den Rest müsse man abwarten. „Wir geben jedenfalls nicht so schnell auf“, versichert Wolf. "Wir sind gekommen und zu bleiben.“