Die Polizei in Berlin hat ein Problem mit ihren Schießständen. Von 73 Bahnen sind nur 40 uneingeschränkt nutzbar, weil sie mit Schadstoffen belastet sind und Lüftungsanlagen nicht funktionieren. Das hat zur Folge, dass die 16.500 Beamten der Behörde nicht mehr regelmäßig mit scharfen Waffen üben können. Der Ärger darüber wächst unter den Polizeibeamten. Polizeipräsident Klaus Kandt hat jetzt in einer ungewöhnlichen Aktion versucht, diesen Unmut zu kanalisieren.
Wie berichtet hatte er die Beamten dazu aufgefordert, in einem internen Blog über die Zustände in den Schießanlagen zu diskutieren und Fragen zu stellen. Dabei ist herausgekommen, dass die Situation offenbar noch dramatischer ist als bislang bekannt. So berichtet ein Beamter aus der Polizeidirektion 2, wie stark das Üben des scharfen Schusses in den vergangen Jahren eingeschränkt wurde. Er belegt das anhand der verbrauchten Munition.
Jahrelang untätig dem Verschleiß zugesehen
„Lag der Jahresverbrauch 2011 und 2012 noch bei über 200.000 Schuss, fallen seit dem Jahr 2013 (96.000 Schuss) die Verbräuche kontinuierlich in den Keller. 2014 wurden 83.000 Schuss abgegeben und 2015 erreichten wir mit nur noch 35.000 Schuss den negativen Rekord“, schreibt der Beamte in seinem Blogbeitrag vom 10. Dezember.
Benedikt Lux, innenpolitischer Sprecher der Grünen, sagt zu der Blogaktion von Kandt: „Beteiligung ist ja ganz nett, kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass jahrelang die Schießstände verschlissen wurden. Statt jetzt zu sanieren und externe Schießstände zu nutzen, scheinen Kandt und Innensenator Henkel das Problem auf die lange Bank schieben zu wollen.“
Zwar hat die Koalition aus SPD und CDU jüngst beschlossen zusätzlich 50 Millionen Euro für die innere Sicherheit in den nächsten beiden Jahren auszugeben. In den Einzelposten finden sich Geld für Waffen, Anti-Terror-Ausstattung und 75 Stellen für eine Taskforce zur Bewältigung besonderer Sicherheitslagen.
Von weiteren Mitteln für die Sanierung von Schießanlagen oder den Aufbau von Einsatztrainingszentren in Ruhleben, Lankwitz und weiteren Orten, wie sie der Polizeipräsident seinen Beamten verspricht, ist aber nicht die Rede. Dabei gesteht selbst der innenpolitische Sprecher der CDU, Robbin Juhnke ein: „Wir haben bei der Schießausbildung zu lange gewartet, etwas zu tun.“
"Möglicherweise verheerende Konsequenzen"
Auch deshalb kritisiert Benedikt Lux: "Mit dem Paket werden viele Wünsche erfüllt, aber es wird sich nicht um die elementare Grundversorgung bei Schießausbildung und -training gekümmert. Fehler bei Schusswechseln in der täglichen Polizeiarbeit werden die Folge sein, mit möglicherweise verheerenden Konsequenzen." Und Udo Wolf (Linke) hält neue Waffen und Personal ebenfalls für "sinnlos, weil wir das Training und die Ausbildung nicht gewährleisten können."
Von "Weihrauch vor Weihnacht" spricht SPD-Innenpolitiker Tom Schreiber im Zusammenhang mit der Blog-Aktion des Polizeipräsidenten. Mit den Beamten zu kommunizieren, das sei legitim, so Schreiber. Er hält aber die Aussage Kandts in der Einladung zum Blog, wonach "die aktuell genutzten Schießstände gesundheitlich unbedenklich sind", für mutig. "Wenn er sich so sicher ist, muss ihm doch ein Gutachten vorliegen", sagt Schreiber. "Und das sollte er dann auch öffentlich machen, schon um den Anschein zu vermeiden, dass in dieser Frage gemauschelt wird", fordert der Innenpolitiker.