Der Name ist nicht beliebt und der neuhochdeutsche Anglizismus wird oft belächelt. Doch eine wirkliche Alternative hat sich für das Herz des alten Westens nicht oder noch nicht finden wollen. Die City West ist kein offizielles Stadtgebiet mit einer klar definierten Grenze. Gemeint ist damit in der Regel ein rund 636 Hektar großes Areal, das sich etwa vom Stuttgarter Platz bis hin zur Urania und vom Tiergarten bis zur Lietzenburger Straße erstreckt.
Nach der Wende schien es, als ob das Zentrum West-Berlins seine Funktion verloren hätte. Doch tot war die City West nie. Lange wurde hier über Traufhöhen gestritten, doch längst hat die Ruine der Gedächtniskirche ihr weithin sichtbares Alleinstellungsmerkmal verloren. Jetzt beherrscht das Zoofenster den Breitscheidplatz, das „Upper West“ wächst, der Zoopalast wurde saniert. Auch das Bikini-Haus, lange ein Stiefkind am nördlichen Rand des Breitscheidplatzes, durfte bleiben. Das Beate-Uhse-Museum ist einem Neubau gewichen. Der Bahnhof Zoo wird modernisiert.
Regierungsparteien fordern einen Masterplan
Doch wie die neue Kontur der City West aussehen soll, ist strittig. Architekten, wie jüngst in der Berliner Morgenpost Daniel Libeskind, träumen von noch mehr Hochhäusern. Andere Stadtplaner warnen hingegen vor immer höheren Mieten für Wohnungen und damit vor einer Entmenschlichung der City West, deren Charme noch immer darin besteht, dass auf den Boulevards und in den Seitenstraßen Menschen leben und die Stadt abends nach Büroschluss nicht verwaist.
Die Fraktionen der CDU und der SPD im Abgeordnetenhaus fordern jetzt für den Bereich des Universitätscampus City West eine Fortschreibung des Masterplans, also einen großen Wurf, der den Interessen von Grundeigentümern, Investoren, Stadtplanern, Händlern und auch der Menschen, die in der City West leben und arbeiten, gerecht wird. In groben Zügen ist damit das Areal zwischen Bahnhof Zoo, Hardenbergstraße, Ernst-Reuter-Platz mit der Technischen Universität, der Straße des 17. Juni, sowie dem Landwehrkanal und dem Zoologischen Garten gemeint.
Werkbund sucht „erfrischenden Blick von außen“
Der Berliner Werkbund konnte für die Idee gewonnen werden und hat für das Gebiet einen studentischen Ideenwettbewerb ausgelobt. Beteiligt daran sind die Bauhaus Universität Weimar, die „Potsdam School of Architecture“ und die Technische Universität München. Eine Berliner Universität ist nicht dabei. „Die Universität der Künste hatte keine Kapazitäten und wir haben uns gedacht, dass ein Blick von außen auf die City West ganz erfrischend sein könnte“, sagt Werkbund-Geschäftsführerin Angelika Günther.
„Wir beschäftigen uns schon seit vielen Jahren damit, wie sich vor allem die Technische Universität mit einigen ihrer eher abweisend wirkenden Gebäude besser in das Stadtbild integrieren kann. Jetzt hat diese Entwicklung mit den neuen Hochhäusern, die am Rand des Breitscheidplatzes entstehen, eine neue Dynamik bekommen.“
Harald Bodenschatz, ebenfalls im Vorstand des Werkbunds und Professor am „Center for Metropolitan Studies“ der TU Berlin, bedauert, dass große Teile der City West „so vor sich hin dümpeln“. Es fehle nicht nur an Plänen, sondern auch an politischer Umsetzungskraft. Der Stadtplaner hat sich intensiv mit der Geschichte der City West befasst. Für ihn ist das, was derzeit passiert, die dritte Auflage des Zentrums des Westens, die sich aber deutlich von ihren beiden Vorgängern aus der Zeit um 1900 und aus den 50er-Jahren unterscheidet.
Vom Stil Kaiser Wilhelm II. zum modernen Nachkriegsberlin
Als Geburtsstunde des „ersten“ Zentrums des neuen Westens nennt der Stadtplaner die Eröffnung des Bahnhofs Zoo im Jahr 1882. Damit habe eine Entwicklung eingesetzt, die die City West in kurzer Zeit zu einem wichtigen Zentrum des zusammenwachsenden Groß-Berlins machte.
Um dem gesichtslosen Ort eine erste Kontur zu geben, entstand auf dem Auguste-Viktoria-Platz, dem heutigen Breitscheidplatz, um die neo-romanische Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche herum, das sogenannte Romanische Forum. „Das war alles ein bisschen mittelalterlich, ganz nach dem Geschmack von Kaiser Wilhelm II“, sagt Bodenschatz. Dem Konzept war trotz aller Kritik Erfolg beschieden. Der Neue Westen war beliebt bei Künstlern und Intellektuellen.
Dieses erste Zentrum überlebte die Weimarer Republik und weitestgehend auch die Zeit des Nationalsozialismus. Erst die Bombardierung 1943 zerstörte das Romanische Forum. „Es waren aber auch die Schritte zur Spaltung der Stadt, die zu einer zweiten Auflage des Zentrums für West-Berlin führten“, sagt Bodenschatz.
Die dritte Phase weitgehend den Investoren überlassen
Das sollte ein modernes Berlin verkörpern. Aus dem Auguste-Viktoria-Platz wurde schon 1947 der Breitscheidplatz, in Erinnerung an den Sozialdemokraten Rudolf Breitscheid, der von den Nationalsozialisten verfolgt worden war. Rundherum entstanden Gebäude wie das Zentrum am Zoo, der Zoopalast, das Bikini-Haus und das Schimmelpfeng-Haus. Die Ruine der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche blieb als Mahnmal erhalten.
Der Umbau dieses „dritten“ Zentrums begann 2007. Doch nun waren es hauptsächlich private Investoren, die daran arbeiteten. Bodenschatz moniert, dass man versäumt habe, „die Rolle der City West in der neuen, vereinigten Stadtregion zu klären“. Jetzt könne jeder Investor ein Hochhaus bauen, wenn er nur geschickt genug verhandelte, sagt er. Hochhäuser seien städtebaulich aber nicht der Weisheit letzter Schluss.