Berlin. Die computergesteuerte Fräse gleitet über den Holzrahmen, wählt für jede Aufgabe das richtige Werkzeug aus, fräst hier ein Loch und da eine Nut. Nach einer Viertelstunde ist die Tür fertig. Ein Tischler hätte mit Hammer, Säge und Stecheisen dafür einen Arbeitstag gebraucht.
Alltag in der Tischlerei Trzcinski im Innovationspark Wuhlheide, einem Musterbetrieb und Beispiel für die Innovationskraft des Berliner Handwerks mit seinen 30.000 Betrieben und 180.000 Beschäftigten. Handwerkskammerpräsident Stephan Schwarz und Wirtschaftssenatorin Cornelia Yzer (CDU) überzeugten sich am Montag bei ihrer Unternehmenstour im Südosten der Hauptstadt von den innovativen Produktionsprozessen.
Tischlermeister Christian Trzcinski hat früh angefangen, seinen Betrieb technologisch aufzurüsten: 2002 kaufte er die erste computergesteuerte (CNC) Fräse. Sie ermöglichte, mehrere zuvor programmierte Arbeitsgänge mit verschiedenen Werkzeugen an einer Maschine auszuführen. Dann spezialisierte er sich auf Brand-und Schallschutztüren sowie komplizierte Verglasungselemente besonders für denkmalgeschützte Gebäude.
Investition im Innovationspark Wuhlheide
Vor zwei Jahren baute das Unternehmen an die Wuhlheide ein Gebäude für die neue Werkstatt und die in einjähriger Arbeit entwickelte Superfräse, die automatisch aus 72 Werkzeugen das richtige auswählt und eine halbe Million Euro kostete.
Das Unternehmen hat mehrere prominente Referenzobjekte vorzuweisen: Türen und Fenster im Schloss Biesdorf oder das gebogene acht Meter breite Regieraumfenster im Deutschen Theater. Mit der Hightech-Fräse können Aufträge um ein Vielfaches schneller als bei industriellen Anbietern bearbeitet werden.
Ohne öffentliche Hilfe hätten Beate und Christian Trzcinski diese Investitionen nicht leisten können, unterstrich Kammerpräsident Schwarz. Das Land Berlin stellte nicht nur ein kostengünstiges Baugrundstück auf dem Gelände des Innovationsparks, sondern auch einen Investitionszuschuss aus Bundesmitteln bereit.
Bis zu 30 Prozent Investitionszuschuss
Mit dem Kapital aus dem Programm der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ (GRW) konnte die Handwerkerfamilie Arbeitsplätze in Berlin sichern. Bei diesem Programm werden bis zu 30 Prozent der Investitionskosten unter strengen Auflagen erstattet.
In früheren Jahren sei ein erheblicher Teil des Fördergeldes verfallen, weil es nicht beantragt worden sei, sagt Wirtschaftssenatorin Cornelia Yzer (CDU). Das habe sie geändert. Inzwischen werde das komplette Berliner Budget abgerufen und an Unternehmen weitergereicht. Im vergangenen Jahr waren das 122 Millionen Euro. „Diese Investition sicherte 10.000 Arbeitsplätze und schuf 2600 neue“, sagte die Senatorin.
Sogar einen Nachschlag von 20 Millionen Euro habe sich Berlin gesichert, weil andere Bundesländer dieses Kapital übrig gelassen haben. „Wir hoffen, dass uns das auch im Jahr 2015 wieder gelingt“, sagte Yzer. In den kommenden beiden Jahren sollen im Rahmen einer Mittelstandsoffensive weitere 200 Millionen Euro an die gewerbliche Wirtschaft in Berlin ausgeschüttet werden, um Innovation und Wettbewerbsfähigkeit zu stärken.
3D-Modelle für die Industrie
Auch der Industrie-Modellbauer Heinz Jahn, der wie Trzcinski in der Wuhlheide eine Werkstatt gebaut hat, nutzte das GRW-Programm und die Ansiedlungshilfe des Landes. „So haben wir unsere Firma für Jahrzehnte gesichert. Sonst wären wir vermutlich aus Berlin rausgegangen“, sagt er. Das Bauland in der Stadt sei für einen Handwerksbetrieb zu teuer. Er kritisiert aber den hohen bürokratischen Aufwand bei der Antragstellung. „Die Finanzierung wird für Handwerker immer schwieriger“, sagt der Unternehmer.
Jahn und seine zehn Angestellten stellen Prototypen und Formen für die Industrie und für Designer her: zum Beispiel Modelle für Gussformen von Motorteilen oder Armaturen. Auch dieser Betrieb hat die komplette Fertigungskette digitalisiert: vom Entwurf des Konstrukteurs bis hin zum Modell, das nach der Produktion mit Hilfe eines 3D-Scanners auf Maßhaltigkeit geprüft wird. Eine Viertelmillion Euro hat Jahn in eine CNC-Fräse investiert, die Modelle aus Kunststoffblöcken herausschneidet.
Nicht nur die Finanzierung, auch die Rekrutierung von Fachpersonal stellt für die Handwerksbetriebe ein Problem dar, wie beide Unternehmen berichten. Es reicht nicht mehr hobeln oder feilen zu können. Abstraktionsvermögen und Computerkenntnisse sind zwingend erforderlich. „Jeder fünfte Auszubildende im Berliner Handwerk hat Abitur“, sagt Kammerpräsident Stephan Schwarz.