BER

Kein Flughafen, keine Einnahmen

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Thomas Fülling
Kay Herrig, Florist im neuen Flughafengebäude, klagt gegen den BER

Kay Herrig, Florist im neuen Flughafengebäude, klagt gegen den BER

Foto: Reto Klar

Weil die Eröffnung des neuen Flughafens abgesagt wurde, blieben die Händler auf ihren Investitionen sitzen. Jetzt klagen die ersten.

Gut zweieinhalb Jahre sind inzwischen vergangen, seitdem der Flughafen BER eröffnet sein sollte, aber passiert ist nichts. Zweieinhalb Jahre, in denen auch die Gewerbetreibenden, die damals Geschäfte in dem internationalen Airport eröffnen wollten, kein Geld verdienen konnten. Im Gegenteil: Sie erlitten zum Teil einen empfindlichen finanziellen Schaden. Mindestens drei von ihnen wollen nun die Flughafengesellschaft Berlin Brandenburg (FBB) auf Schadenersatz verklagen.

Vor Gericht ziehen will etwa Evelin Brandt. Die Berliner Modedesignerin und Inhaberin mehrerer Damenmodegeschäfte mietete schon im August 2010 rund 68 Quadratmeter Verkaufsfläche im BER an. Kurz darauf erhielt sie die Nachricht, dass die Eröffnung von Oktober 2011 auf den 3. Juni 2012 verschoben werden müsse. Die erste Terminabsage bereitete ihr noch keine Sorgen, waren doch noch keine großen Investitionen getätigt.

Knallharte Vorgaben der Flughafengesellschaft

Anders sah es dann im Mai 2012 aus, als die Flughafengesellschaft die BER-Eröffnung erneut absagte. Dieses Mal allerdings nicht einmal vier Wochen vor dem angekündigten Termin. Wie fast alle anderen Geschäftsleute hatte Evelin Brandt zu diesem Zeitpunkt ihre Verkaufseinrichtung bereits komplett ausgebaut und eingerichtet. „Es gab knallharte Terminforderungen der Flughafengesellschaft, bis wann wir mit allem fertig sein müssen“, erinnert sich Brandt. Um die Termine zu halten, musste sie die Baufirmen sogar um mehr Tempo bitten. Das kostete sie zusätzlich Geld. Rund 500.000 Euro hat Frau Brandt nach eigenen Angaben in den Ausbau ihres Geschäftes investiert und für den Warenbestand ausgegeben. Zudem hatte sie vier neue Mitarbeiterinnen eingestellt. „Darunter eine, die eine gut bezahlte Position in einem anderen Unternehmen dafür aufgab“, so Evelin Brandt.

Auch der Florist Kay Herrig will nun Ansprüche geltend machen. Der Inhaber des Wilmersdorfers Blumenhauses Schamp bekam 96 Quadratmeter Verkaufsfläche zugesprochen, mit der Verpflichtung, den gesamten Innenausbau selbst zu übernehmen. Auch er hatte konkrete Terminvorgaben für die Fertigstellung. „Mit deftigen Vertragsstrafen, wenn der Laden nicht rechtzeitig fertig wird.“ Herrig investierte einen sechsstelligen Betrag in ein Geschäft, das er seither nicht nutzen kann.

Spandauer Unternehmer kaufte zwei neue Busse – vergebens

Wie Evelin Brandt hoffte auch der Berliner Florist auf Hilfe und Unterstützung vonseiten der Flughafengesellschaft. „Die trägt ja schließlich die Schuld daran, dass der Flughafen nicht eröffnet werden kann“, so Herrig. Doch auch er wurde enttäuscht. Er habe zwar eine Ersatzfläche im Terminal des Flughafens Tegel angeboten bekommen. „Ein Platz im Gang, wo ich mich bestenfalls mit einem Bauchladen hätte hinstellen können.“ Herrig lehnte ab. Seither gebe es keinerlei Hilfsangebote mehr. „Das ist doch keine Art und Weise, wie man mit Kunden umgeht“, empört sich der Blumenhändler.

Auch der Spandauer Busunternehmer Karsten Schulze will nun vor Gericht um Schadenersatz kämpfen. Das Traditionsunternehmen Haru-Reisen hatte die Lizenz für eine Linie erhalten, die den Berliner Südwesten mit dem neuen Flughafen verbinden sollte. Auch er macht Schäden von mehreren Hunderttausend Euro geltend. So hatte Schulze zwei Busse angeschafft, die speziell als Flughafenzubringer ausgestattet waren. Weil sie nach der BER-Absage nicht zu anderen Zwecken eingesetzt werden konnten, musste er sie schließlich mit Verlust verkaufen.

Viele Betroffene fürchten sich vor langem Rechtsstreit

Nach Ansicht von Rechtsanwalt Oliver Klein stehen die Chancen für die Kläger nicht schlecht. Die Flughafengesellschaft habe in mehreren Rechtsstreitigkeiten schließlich selbst vorgetragen, dass ihre eigene Geschäftsführung und ihr Generalplaner an dem Chaos in den Jahren seit 2010 die Schuld tragen. Dass bislang trotzdem nur wenige Betroffene Ansprüche gerichtlich geltend gemacht haben, liege an dem Krisenmanagement der Flughafengesellschaft. Dieses sei immerhin im Bereich der Abwehr von Schadenersatzansprüchen erfolgreich gewesen.

Mietern, die Schadenersatzforderungen lautstark und öffentlich stellten, sei „ihr Lästigkeitswert durch Kompensationsflächen am Flughafen Tegel entgolten“ worden. Die zaghafter vorgetragenen Ansprüche anderer Betroffener wurden hingegen „rundweg abgelehnt“. Dass diese Geschädigten bislang keine Klagen erhoben hätten, dürfte auch an der Sorge vor einem langjährigen und kostspieligen Rechtsstreit liegen. Zum anderen befürchten offenbar viele Mieter, bei der Flughafengesellschaft in Ungnade zu fallen und die mit viel Energie gewonnenen Mietflächen am BER zu verlieren.

Nicole Ludwig, wirtschaftspolitische Sprecherin der Grünen, sieht auch den Senat in der Pflicht. „Es ist ein Unding, dass man die Betriebe so hängen lässt.“ Ludwig erinnert daran, dass der damalige Regierende Bürgermeister und Flughafen-Aufsichtratschef Klaus Wowereit (SPD) den Betroffenen schnelle und unbürokratische Hilfe versprach. „Davon ist nichts zu sehen.“