Ein Druck auf die Klinke – doch das Tor bewegt sich nicht. „Da sind ja schon Spinnweben dran“, sagt Antje Kapek, Fraktionsvorsitzende der Grünen im Abgeordnetenhaus. Dann erst sieht sie das Schild „Eingang gesperrt“. Seit April müssen die 720 Kinder des Lichterfelder Lilienthal-Gymnasiums einen Seiteneingang nutzen, um in ihre Klassenzimmer zu kommen. Die Pfeiler über dem Eingangsportal des denkmalgeschützten Gebäudes aus dem Jahr 1896 stehen senkrecht und drohen herunterzustürzen. Die Fassade ist gesichert.
Es ist nur eines der vielen baulichen Probleme an der Schule, von denen sich Antje Kapek ein Bild machen wollte. Löcher in den Decken, schimmlige Wände in den Turnhallenumkleiden, Risse in Putz und Farbe – es gibt einen enormen Sanierungsbedarf am Gebäude und in den Klassenzimmern. Antje Kapek weiß, dass das Lilienthal-Gymnasium an der Ringstraße exemplarisch für viele Schulen in der Stadt steht, die dringend saniert werden müssen. Deshalb stellt die Grünen-Fraktion jetzt ihre Forderungen vor, wie dem Sanierungsstau begegnet werden kann. „Was nutzen alle Sonderprogramme, wir benötigen einen Gesamtfahrplan“, sagt die Grünen-Chefin.
20 Prozent mehr Mittel für die Schulsanierung will der Senat im Doppelhaushalt 2016/17 einstellen. Das wird das Problem nicht lösen. Allein Steglitz-Zehlendorf hat einen Sanierungsstau an Schulen von etwa 400 Millionen Euro. Insgesamt liege der Bedarf der Bildungseinrichtungen bei zwei Milliarden Euro. Und das sei konservativ gerechnet, ohne Instandhaltung und Neubau, so Kapek. Deshalb fordert sie, die Kosten für die Instandhaltung am Immobilienrichtwert der Gebäude zu messen. Etwa elf Milliarden Euro werden für den Wert der Schulen angesetzt. 2,5 Prozent dieser Summe müssten für Reparaturen bereitgehalten werden, Jahr für Jahr.
Acht Jahre bis zum Bau
Acht Jahre sind am Lilienthal-Gymnasium vom Antrag bis zur Fertigstellung der neuen Biologieräume vergangen. Effizientere Verwaltungsabläufe, um die Bearbeitung zu beschleunigen, ist eine weitere Forderung der Grünen. Und mehr Hausmeister, die kleine Reparaturen sofort auch selbst machen können. Eine Lösung könnte nach Ansicht der Grünen aber auch ein eigenes Gebäudemanagement für die Schulen sein, ähnlich wie in Hamburg, wo es einen Fachbetrieb Schulbau gibt. „Schulen sollen Unterricht machen und nicht Baustellen planen und beaufsichtigen“, sagt Kapek. Allein im vergangenen Jahr seien 38 Millionen Euro nicht verbaut worden, weil die bezirklichen Verwaltungen überfordert waren. Mit einem eigenen Fachbetrieb oder einem regionalen Immobilienmanagement könnten die Abläufe schneller gestaltet werden, sagt sie.
Einen ähnlichen Vorschlag hatte bereits der Bezirkselternausschuss (BEA) in Steglitz-Zehlendorf gemacht. „Wir halten es für geschickter, die Aufgaben zu bündeln und die Ausschreibungen zu vereinheitlichen“, sagt Vorstandsmitglied Ulrike Kipf. Doch die Idee hat auch Kritiker. Ein eigener regionaler Fachbetrieb für den Schulbau würde die Bezirke schwächen, sagt Stefan Schlede, schulpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus. Denn die Mitarbeiter würden in Konkurrenz zu den Bauleitern der Bezirke stehen und ihnen die Arbeit entziehen. „Wir dürfen die Bezirksämter nicht ausbluten lassen“, sagt Schlede. Sie müssten ihre regionale Kompetenz und Verantwortung behalten. Schlede sieht das Thema Schulsanierung aber schon auf einem guten Weg. Nachdem die Elternvertretungen mit den Problemen an die Öffentlichkeit gegangen seien, hätte sich viel bewegt. Er lobt die verschiedenen Sonderprogramme mit mehr als 200 Millionen Euro. „Die müssen erst einmal verbaut werden.“
Hamburger Modell lässt sich nicht übertragen
Auch Cerstin Richter-Kotowski (CDU), Bildungsstadträtin in Steglitz-Zehlendorf, lehnt die Idee ab. „Wir wollen nicht den Zugriff auf die bezirkseigenen Gebäude verlieren“, sagt die Stadträtin. Zudem lasse sich das Hamburger Modell nicht einfach übertragen, weil Berlin zu groß sei. Zustimmen kann sie jedoch der Feststellung, dass zu viele Sonderprogramme nicht weiterhelfen. „Jedes Programm hat seine eigenen Spielregeln in Fragen der Beantragung“, sagt Richter-Kotowski. Sie plädiere eher dafür, die Summen aus den Einzelprogrammen komplett der baulichen Unterhaltung der Bezirke zur Verfügung zu stellen. Darunter fallen auch die Schulen. Mehr Hausmeister beziehungsweise generell mehr Personal, auch zur Unterstützung der Schulleiter – auch diese Forderung trägt sie mit. Den Schulsanierungsbedarf von 400 Millionen Euro erklärt sie damit, dass sie „den tatsächlichen Bedarf ehrlich ermittelt“ habe. Wenn andere Bezirke ihre Kriterien anwenden würden, kämen sie auf ähnliche Summen, sagt die Stadträtin.
Für die Senatsbildungsverwaltung steht fest: „Die Umsetzung der Baumaßnahmen an den Schulen obliegt den Bezirken“, so Sprecherin Beate Stoffers. Aus verschiedenen Gründen stelle sich die Situation der Schulen von Bezirk zu Bezirk jedoch sehr unterschiedlich dar. Dieses beginne schon bei der Erhebung des Sanierungsbedarfs.
Neue Bewertung der Schulen
Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) ist derzeit dabei, im Rahmen einer hauseigenen AG mit Vertretern der Bauämter der Bezirke die Grundlagen für eine einheitliche Bewertung des Sanierungsbedarfs zu entwickeln. „Ziel ist ein einheitlicher Gebäudescan, um Entscheidungsprozesse und Prioritätensetzung transparent auch für Schulen nachvollziehen zu können“, so Sandra Scheeres. Damit sollen auch Bauvorhaben nachvollziehbarer werden.
Noch im Sommer sollen Duschen, Toiletten und die schimmligen Wände in den Umkleiden des Lilienthal-Gymnasiums saniert werden. Seit im Jahr 2012 Legionellen festgestellt wurden, gibt es nur noch kaltes Wasser. 300.000 Euro stehen dafür aus dem Sanitär-Sonderprogramm zur Verfügung. Die Schulleiterin hat aber noch einen Wunsch: Im Januar 2016, zum Tag der offenen Tür für die zukünftigen Schüler, soll der Haupteingang wieder offen sein.