Wohnen wird teurer. Dass die Bestandsmieten in den vergangenen zwei Jahren deutlich gestiegen sind, hat Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel in einem Interview mit dem Rundfunk Berlin Brandenburg (RBB) erklärt. Seine Verwaltung rechnet damit, dass der im Mai erscheinende neue Mietspiegel auf mehr als sechs Euro pro Quadratmeter steigt.
Die durchschnittliche Nettokaltmiete lag vor zwei Jahren bei 5,54 Euro pro Quadratmeter. Sie war zuvor stetig gestiegen. Diesmal könnte der Sprung noch größer ausfallen als in den Jahren zuvor. Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel sagte: "Wir gehen davon aus, dass wir im Mittel oberhalb von sechs Euro pro Quadratmeter liegen, also eine deutliche Steigerung haben werden."
Das bedeutet eine Steigerung um rund neun Prozent – und übertrifft deutlich die Inflationsrate – also die allgemeine Preissteigerung: Sie belief sich in den vergangenen zwei Jahren auf nur 2,4 Prozent.
Gegensteuern durch Wohnungsbau – trotz Konflikten
Nach Einschätzung Geisels steige mit dem neuen Spitzenwert der "Druck auf die Erschließung von zusätzlichen Grundstücken. Wenn wir es nicht schaffen, bezahlbaren Wohnraum in signifikanten Größenordnungen auf den Markt zu bringen, dann wird diese Steigerung ungebremst weiter gehen", sagt er dem RBB.
Deshalb sollten "schnell Tausende neue Wohnungen gebaut werden, auch in der Innenstadt". Konflikte mit Bürgerinitiativen nehme er in Kauf. Er hätte "großes Verständnis für alle Initiativen, die die liebgewonnene Brache um die Ecke schützen wollen. Das führt dann aber in der Gesamtheit dazu, dass wir die Stückzahlen für bezahlbaren Wohnraum nicht erreichen können". Geisels Vorgänger im Amt, der heutige Regierende Bürgermeister Michael Müller (ebenfalls SPD) hatte dieselbe Haltung vertreten.
Jede fünfte neue Wohnung soll preiswert sein
Doch ob die Gleichung stimmt, ist fraglich. Denn gebaut werde zurzeit nicht für unter zehn Euro pro Quadratmeter. Günstigere Mieten sind durch Subventionen zu erreichen – doch die meisten privaten Bauherren nehmen diese gar nicht in Anspruch. So ist der dämpfende Einfluss von Neubauten auf Bestandsmieten begrenzt.
Deshalb will Geisel die städtischen Wohnungsbaugesellschaften mit finanzieller Förderung und günstigen Grundstücken wieder mehr günstige Wohnungen bauen lassen. Geisel formulierte im RBB konkrete Zielvorgaben: "Wichtig ist uns, dass etwa 20 Prozent der gebauten Wohnungen im sehr preiswerten Sozialsegment gebaut werden, einfach um auch für diese Mieterinnen und Mieter entsprechende Angebote vorhalten zu können." Bislang lief das allerdings eher schleppend an.
Zweifel an den Zahlen
Sowohl Mieter- als auch Wohnungsverbände äußerten am Dienstag Verwunderung über die Ausführungen des neuen Bausenators zu den Mietspiegelzahlen. „Wir haben die Aussagen des Senators mit Erstaunen zur Kenntnis genommen“, sagte Maren Kern, Chefin des Verbandes Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU). Der Arbeitsgruppe Mietspiegel, der der BBU als Vertreter der Wohnungswirtschaft angehöre, lägen bislang noch keine Zahlen zum künftigen Mietspiegel vor. Wie dieser sich entwickeln werde, könne man deshalb erst nach Vorlage des Datenmaterials verlässlich beurteilen.
„Auf Grundlage unserer Zahlen können wir derzeit nur feststellen, dass bei unseren Mitgliedsunternehmen, die immerhin 40 Prozent der Berliner Mietwohnungen bewirtschaften, die Mietenentwicklung weiterhin moderat ist“, sagte Kern. Im Jahr 2013 lag der Mietenanstieg bei diesen Unternehmen in bestehenden Verträgen bei 2,7 Prozent und bei Neuverträgen bei 2,1 Prozent.
Ähnlich überrascht und deutlich verärgert reagierte Reiner Wild, Geschäftsführer des Berliner Mietervereins (BMV) auf die Vorabveröffentlichung der Mietspiegelzahlen. „Der Arbeitskreis Mietspiegel trifft am Donnerstag erstmals zusammen und wird die vorgelegten Daten überprüfen“, sagte Wild. Dann müsse erst einmal genau nachgerechnet werden, ob die vom Forschungsinstitut Gewos gesammelten Daten tatsächlich plausibel seien. Es sei durchaus nicht auszuschließen, dass sich in derart komplexen Datensammlungen Rechenfehler einschlichen, so der BMV-Chef weiter. „Ich schiebe das mal auf die Unerfahrenheit Geisels als Senator, dass er mit solchen ungeprüften Daten an die Öffentlichkeit geht“, sagte Wild.
Mieterverein rechnet mit geringerem Anstieg
Der Mieterverein rechne jedenfalls mit deutlich geringeren Mietsteigerungen. Der Grund: Da die Berliner aufgrund der angespannten Marktsituation deutlich weniger umziehen, sinkt die Zahl der neu abgeschlossenen, in der Regel wesentlich teureren Mietverträge: „Da es wesentlich weniger neue Vertragsabschlüsse gibt, muss sich dies dämpfend auswirken“, so Wild.
Möglicherweise aber habe der Senator den Mietpreiszuwachs auch absichtlich hochgerechnet, um von der verfehlten Sozialwohnungspolitik des Berliner Senats abzulenken, vermutete Wild: „Dann fällt es nicht mehr so unangenehm auf, dass die Einstiegsmieten im sozialen Wohnungsbau bei 6,50 Euro liegen – und damit knapp einen Euro über der bis Mai geltenden Berliner Durchschnittsmiete von 5,54 Euro“, so Wild.
Der Mietspiegel soll Mietern und Vermietern von 1,2 Millionen Wohnungen in Berlin verlässliche und rechtssichere Angaben zu den ortsüblichen Vergleichsmieten liefern. Nicht erfasst werden dabei die Wohnungen aus dem sozialen Wohnungsbau, für die eine Mietpreisbindung besteht. Für den neuen Mietspiegel werden Daten von mehr als 8000 Mietwohnungen herangezogen, die in den vergangenen vier Jahren entweder neu abgeschlossen wurden oder in denen Vertragskonditionen, etwa durch Mieterhöhungen, registriert wurden.