U-Bahn-Bau

Die Kanzlerlinie U5 wird teurer und kommt später

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Thomas Fülling

Foto: Florian Schuh / dpa

Firmen fordern von Berlin fast 50 Millionen Euro zusätzlich. Wegen vieler Bauverzögerungen wird die U-Bahn-Lücke zwischen Alexanderplatz und Brandenburger Tor erst Mitte 2020 geschlossen werden können.

Stolze 433 Millionen Euro sollte der zwei Kilometer lange U-Bahn-Lückenschluss zwischen Alexanderplatz und Brandenburger Tor eigentlich kosten. Doch dieser Kostenrahmen ist nicht mehr zu halten. Das teilte jetzt der Berliner Senat den Finanzpolitikern im Abgeordnetenhaus mit. Vor allem Nachforderungen der mit dem Rohbau beauftragten Firmen in Höhe von aktuell fast 50 Millionen Euro drohen das im Jahr 2009 bestätigte Budget zu sprengen.

Ein Teil der Forderungen ist schon bezahlt, 37 Millionen Euro sind strittig. „Eine Aussage über die Höhe der Kostensteigerungen ist aktuell noch nicht möglich und kann erst nach Vorlegen entsprechender Ergänzungsunterlagen getroffen werden“, heißt es in dem vertraulichen Papier, das der Berliner Morgenpost vorliegt. Mögliche Mehrkosten für das Projekt müssen der Bund und das Land Berlin tragen.

Im April 2012 hatten die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG), die im Auftrag des Senats die 2,2 Kilometer lange U-Bahn-Strecke durch Berlins historische Mitte bauen, mit den Arbeiten begonnen. Die Strecke soll die Lücke zwischen U5 (Alexanderplatz–Hönow) und U55 (Hauptbahnhof–Brandenburger Tor) schließen. Weil die U-Bahn-Linie Teil des Hauptstadtvertrages zwischen dem Bund und Berlin wurde, ist sie auch unter dem Namen „Kanzler-U-Bahn“ bekannt.

Finanzielle Polster sind „nahezu aufgebraucht“

Anfangs sah es für den U5-Lückenschluss richtig gut aus. Auch finanziell. Bei der Ausschreibung der beiden Bauaufträge – zum einen für die Tunnelröhren zwischen Rotem Rathaus und Brandenburger Tor sowie für die neuen U-Bahnhöfe Museumsinsel und Unter den Linden, zum anderen für den U-Bahnhof Berliner Rathaus – hatten die Baufirmen günstigere Angebote abgegeben, als von der BVG vorher kalkuliert. Rund 22 Millionen Euro konnte das landeseigene Verkehrsunternehmen als „Vergabeerfolge“ erzielen.

Doch inzwischen sind diese finanziellen Polster ebenso wie die vorab einkalkulierten 26 Millionen Euro für „Unvorhergesehenes“ durch bezahlte Nachträge oder bestätigte Mehrkostenanmeldungen „nahezu aufgebraucht“, heißt es in der Information an den Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses. Zahlreiche Gründe werden dafür angeführt: zusätzliche Maßnahmen aufgrund geänderter Vorschriften oder ein verfeinertes Messkonzept, um die Schlossbrücke vor Beschädigungen zu schützen.

Hauptgrund für die Kostensteigerung sind aber Zusatzanforderungen durch Komplikationen beim Tunnelbau. Bereits von Herbst 2013 bis März 2014 musste die Tunnelbohrmaschine „Bärlinde“ pausieren, weil es Schwierigkeiten mit dem Grundwasser unter der Museumsinsel gab. Anfang November 2014 verursachte der U-Bahn-Bau unter der Straße Unter den Linden massive Fahrbahnschäden. Seither steht „Bärlinde“ still. Gutachter suchen noch nach den Ursachen. Die liegen mit großer Wahrscheinlichkeit im Berliner Untergrund mit seinem hohen Grundwasserstand und den geologisch komplizierten Bodenverhältnissen.

Bärlinde kann erst im Frühjahr 2015 wieder bohren

BVG-Chefin Sigrid Nikutta hatte bereits vor einem Jahr davon gesprochen, dass die Kosten für das U-Bahn-Projekt auf 525 Millionen Euro steigen könnten. Dies gilt inzwischen als gesicherte Größe. „Wir gehen aber fest davon aus, dass wir mit den zusätzlichen 92 Millionen Euro auch auskommen werden“, sagte der U5-Projektchef Jörg Seegers der Morgenpost. Erst im Frühjahr 2015 wird seinen Angaben zufolge „Bärlinde“ ihre Arbeit aufnehmen können. Aufgrund der vielen Bauverzögerungen geht die BVG davon aus, die neue U-Bahn-Strecke erst Mitte 2020 in Betrieb nehmen zu können. Ursprünglich war die Eröffnung für Herbst 2019 geplant

„Wir hoffen, sie Ende März oder Anfang April wieder anfahren zu können“, sagte Diplom-Geologe Seegers, der die Projektgesellschaft der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) für den U-Bahn-Bau leitet. Für die erneute Verzögerung des nach dem Hauptstadtflughafen BER zweitwichtigsten Berliner Infrastrukturvorhabens sind Probleme beim Bau der zwei geplanten Tunnelröhren verantwortlich. Die Röhren enden unmittelbar vor der östlichen Abschlusswand des U-Bahnhofs Brandenburger Tor, der seit 2009 bereits für die Stummellinie U55 genutzt wird.

Kurz vor Abschluss der ersten Tunnelbohrung waren auf dem Boulevard Unter den Linden in Höhe Schadowstraße erhebliche Fahrbahnschäden aufgetreten, verursacht wahrscheinlich durch einen vorherigen Wassereinbruch in rund 20 Metern Tiefe. Derzeit sind Sachverständige dabei, die genauen Ursachen für den Vorfall zu klären.

Bauteile für Bohrmaschine müssen noch geliefert werden

Während der Untersuchung müssen wichtige Teile der Tunnelbohrmaschine, die eigentlich demontiert und für die zweite Bohrung zurück zum Startschacht am Roten Rathaus gebracht werden sollten, im Boden verbleiben. „Damit die Verzögerungen nicht noch größer werden, haben wir diese Teile beim Hersteller Herrenknecht nachbestellt“, sagte Seegers. Die Bauteile, darunter das Hauptlager mit dem Antrieb, müssten aber erst noch gefertigt und nach Berlin gebracht werden.

Im Ergebnis einer europaweiten Ausschreibung hatte der Baukonzern Bilfinger Anfang 2012 von der BVG den Auftrag für den Rohbau der beiden 1,6 Kilometer langen Tunnelröhren und der U-Bahnhöfe Museumsinsel und Unter den Linden erhalten. Vereinbart wurde dafür ein Preis von 190 Millionen Euro. Inzwischen hat das Mannheimer Unternehmen in erheblichem Umfang Nachforderungen gestellt. Die Rede ist von Forderungen in Höhe von insgesamt 48 Millionen Euro.

Einen kleinen Teil davon hat die BVG als berechtigt anerkannt. Strittig sind laut einer Information des Senats Nachträge in Höhe von 36,8 Millionen Euro. Diese betreffen allerdings nicht die jüngsten Probleme im Bereich Unter den Linden, sondern den Bereich des künftigen Bahnhofs Museumsinsel. Zur Klärung der Forderungen haben sich Bilfinger und die BVG auf die Bestellung zweiter Gutachter geeinigt. Deren Expertisen sollen noch vor Weihnachten vorliegen.