Berlin muss sich dauerhaft auf einen starken Zuzug von Flüchtlingen einstellen. Das Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) geht davon aus, dass die Zahl der unterzubringenden Asylbewerber innerhalb von nur elf Monaten um rund 8000 steigen wird.
Die Prognose des Landesamtes für Oktober kommenden Jahres geht sogar von 20.400 Personen aus, die in ihren Heimen leben werden. Diese Zahl wird vom Lageso als „Untergrenze eines Zielkorridors“ bezeichnet. Die Obergrenze wird mit 40.000 Menschen angegeben. Derzeit bieten die 48 Gemeinschaftsunterkünfte des Lageso Platz für 12.500 Menschen. 8000 Flüchtlinge leben in Wohnungen. 5500 weitere Plätze halten Bezirke für Wohnungslose vor.
Bis Ende Oktober kamen in diesem Jahr 9012 Asylsuchende nach Berlin – Tendenz steigend. Wurden im Juli 1047 Personen aufgenommen, waren es im Oktober schon 1530. In letzter Zeit kämen viele Flüchtlinge aus Syrien und Nordafrika, so das Lageso. Die meisten dieser Menschen würden bleiben, sagte Sozialsenator Mario Czaja (CDU). „Wir stehen erst am Anfang einer Entwicklung“, so Czaja.
Czaja bittet um 32 Millionen Euro
Auch finanziell macht sich die Versorgung der Flüchtlinge im Landesetat bemerkbar. Czaja bittet den Hauptausschuss in dieser Woche, 32 Millionen Euro zusätzlich für dieses Jahr freizugeben. Der Finanzsenator habe das bereits genehmigt, schreibt Czaja den Abgeordneten. Es ist der dritte finanzielle Nachschlag in diesem Jahr. Denn die Ausgaben für Asylbewerber wurden mit 43 Millionen Euro pro Jahr im Doppelhaushalt 2014/2015 viel zu niedrig angesetzt.
Schon im April gab es 40 Millionen Euro zusätzlich, im August noch einmal 20 Millionen. Mit dem nun von Czaja geforderten Nachschlag werden sich die Gesamtkosten für die Zahlungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz auf rund 135 Millionen Euro summieren – fast doppelt so viel wie 2013.
Der Sozialsenator hofft auf Solidarität aus der Politik und der Gesellschaft. „Wir brauchen einen breiten Zusammenhalt in Berlin, um dieses Problem zu lösen“, so der Senator. Czaja holt sich deshalb Unterstützung, um besser zu kommunizieren, wenn neue Flüchtlingsunterkünfte eröffnet werden. So hat sich ein Berliner Beirat für Zusammenhalt konstituiert. Er besteht aus dem früheren Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU), den ehemaligen Sozialsenatorinnen Ingrid Stahmer (SPD) und Heidi Knake-Werner (Linke) und Wolfgang Wieland, Ex-Justizsenator und langjähriger Bundestagsabgeordneter der Grünen.
Sechs Containerdörfer reichen nicht aus
Um Platz zu schaffen für die Neuankömmlinge, muss das Lageso über die bereits geplanten sechs Containerdörfer hinaus weitere Unterkünfte schaffen. Bisher sind nach Daten des Lageso nur Kapazitäten für knapp 13.000 Menschen über die kommenden Monate hinweg gesichert. Wenn Czaja bei seiner Linie bleiben und die Heime einigermaßen gleichmäßig über die Stadt verteilen will, müssten vor allem in vier Bezirken weitere Kapazitäten geschaffen werden. Am wenigsten Flüchtlinge leben derzeit in Steglitz-Zehlendorf, Pankow, Neukölln und Charlottenburg-Wilmersdorf.
Berlin ist mit seinen Problemen nicht allein. SPD-Chef Sigmar Gabriel forderte am Montag vom Bund, den Kommunen für die Flüchtlingshilfe bis zu eine Milliarde Euro zur Verfügung zu stellen. Die Kommunen seien angesichts steigender Flüchtlingszahlen überfordert und müssten möglicherweise freiwillige Leistungen für Bürger einschränken, sagte Gabriel. Dies würde Rechtsradikalen in die Hände spielen. Wer diese „brisante Mischung“ verhindern wolle, müsse die Kommunen von den Kosten der Flüchtlingshilfe befreien.