Der Präsident der Berliner Ärztekammer, Günther Jonitz, fordert eine Reform der Vergabekriterien für die Organspende. „Organe, die zum Beispiel in Berlin entnommen wurden, könnten auch dort wieder transplantiert werden“, sagte Jonitz der Berliner Morgenpost.
Der Anreiz, Organe zu spenden, könne sich so erhöhen. Die Zahl der Spender ist seit Jahren rückläufig. 2013 erreichte sie den tiefsten Stand seit der Verabschiedung des Transplantationsgesetzes 1997. Von Januar bis Juli 2014 gab es in Deutschland 513 Spender, im Vergleichszeitraum 2013 waren es noch 548 Spender. Insgesamt warten in Deutschland etwa 10.700 Menschen auf ein Spenderorgan. „Das System der Organvergabe ist seelenlos. Es ist völlig egal, ob der Patient in Kiel, in Antwerpen oder der Uckermark liegt“, sagte Jonitz.
Nicht nur potenziellen Spendern bereitet der Gedanke Schwierigkeiten, nicht zu wissen, wo die gespendeten Organe landen könnten. Auch für die behandelnden Ärzte ist die Situation oft schwierig, da sie das Gefühl haben, für die eigenen Patienten nichts tun zu können.
Vergabe nach Dringlichkeit und Nutzen
„Die Ärzte in der Transplantationsmedizin haben immer mit Menschen zu tun, die um ihr Leben ringen. Die gucken Ihnen jeden Tag mit großen Augen in die eigenen und fragen, Herr Doktor, was ist denn jetzt? Halten Sie das mal aus.“ Durch die Einführung einer Vergabe mit regionalem Schwerpunkt könnte sich dieses Gefühl der Ohnmacht verringern, glaubt der Präsident der Berliner Ärztekammer.
Auch die Motivation der Kliniken, um Spenden zu bitten, würde sich erhöhen: „Denn warum sollten Krankenhäuser darum bitten, zu spenden, wenn sie wissen, die Organe gehen sowieso woandershin?“ Bislang laufen alle Organspenden der Beneluxländer, Österreichs, Ungarns, Kroatiens, Sloweniens und Deutschlands zentral über die Vermittlungsstelle Eurotransplant in den Niederlanden.
„Gerade in der jetzigen Situation sollte man einfach noch einmal in Ruhe über die Kriterien der Vergabe nachdenken“, sagte Jonitz. Im August war bekannt geworden, dass zwischen 2010 und 2012 am Berliner Herzzentrum die Wartelisten für Spenderorgane möglicherweise manipuliert wurden. Die Staatsanwaltschaft ermittelt nun wegen Totschlags.
Neben einer regionalen Komponente fordert Jonitz auch, die Kriterien weg von der Schwere der Erkrankung hin zu einer Orientierung an der Lebenserwartung zu verändern. „Organe sollen vergeben werden nach den Kriterien der Dringlichkeit und des Nutzens für den Patienten“, so Jonitz. Dringlich sei ein Organ für jemanden, der im Sterben liege, doch der habe die geringste Lebenserwartung. „Den größten Nutzen hat derjenige, dem ich mit der Diagnose eines kranken Herzens frühzeitig ein neues Organ gebe. Er hat die beste Lebenserwartung.“ Bis vor wenigen Jahren seien über 80 Prozent der Herzen an Menschen vergeben worden, die im Sterben lagen. „Das ist ein deutliches Signal.“