Herzzentrum

Abgeordnete fordern Aufklärung des Transplantationsskandals

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Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen des Verdachts auf versuchten Totschlag am Deutschen Herzzentrum Berlin. Nun fordern Abgeordnete und Experten neue Kriterien bei der Vergabe von Spenderorganen.

Der Verdacht, am Deutschen Herzzentrum Berlin (DHZB) könnten länderübergreifende Wartelisten für Herztransplantationen manipuliert worden sein, hat ein großes Echo ausgelöst.

Berlins Ärztekammerpräsident Günther Jonitz forderte neue Kriterien für die Vergabe von Spenderorganen. „Derzeit erhalten vor allem jene Patienten ein neues Organ, die besonders krank sind. In Zukunft sollte die voraussichtliche Lebenserwartung eine größere Rolle spielen“, sagte Jonitz dem Magazin „Focus“. Zwei Jahre nach dem Organspende-Skandal in Deutschland könnten die neuen Vorwürfe das Vertrauen in das System weiter beschädigen.

Wie berichtet, ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts auf versuchten Totschlag. Geprüft werde, ob Patienten im Zeitraum 2010 bis 2012 auf der Liste bevorzugt wurden, während andere nach hinten rutschten und damit in Lebensgefahr gerieten beziehungsweise wegen möglicher Manipulationen starben.

„Heute nicht mehr möglich“

Eckhard Nagel, Transplantationsmediziner und Mitglied des Ethikrates, rief zu einer differenzierten Sichtweise auf. „So sehr ich schockiert bin über die Meldung, so sehr gehe ich davon aus, dass dies heute nicht mehr möglich wäre“, sagte der ärztliche Direktor des Universitätsklinikums Essen. Es habe sich viel getan in den Transplantationszentren. Es seien Transplantationskonferenzen eingeführt worden sowie das Sechs-Augen-Prinzip zur Prüfung aller Daten bei der Anmeldung auf die Warteliste.

Die Vorgänge müssten in der nächsten Sitzung des Gesundheitsausschusses am 7. September dargelegt werden, forderte Thomas Isenberg, gesundheitspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus. Einerseits sei es gut, dass im Herzzentrum nun das Schweigen gebrochen werde, andererseits frage er sich, warum das so spät geschehe, sagte Isenberg. Am Freitag wurde bekannt, dass der Vorstand spätestens seit Mai über mehrere Verdachtsfälle informiert war. Das sei eine „nicht gelebte Transparenzoffensive“ und letztlich skandalös, kritisierte er.

Immer weniger Organspender

Heiko Thomas, Gesundheitsexperte der Grünen-Fraktion, wertete es positiv, dass die Verdachtsfälle bei den Prüfungen aufgefallen seien. Das zeige, dass nach dem Organspendeskandal der richtige Weg eingeschlagen worden sei. Die Prüfungen müssten nun schnell, aber solide zu Ende gebracht werden, die Auffälligkeiten lückenlos aufgeklärt und transparent gemacht werden.

„Wir bedauern sehr, dass ein weiteres Klinikum in dem Verdacht steht, Patientendaten manipuliert zu haben“, sagte Axel Rahmel, medizinischer Vorstand der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO). Die Organspende sei davon aber nicht betroffen. „Wir hoffen, dass diese Manipulationsvorwürfe nicht zu einer erneuten Verunsicherung in der Bevölkerung und damit einem Rückgang der Organspende-Bereitschaft führen.“

In Deutschland warten etwa 10.700 schwer kranke Menschen auf ein lebensrettendes Spenderorgan. Die Zahl sank auf einen historischen Tiefstand mit nur noch 876 Organspendern im Jahr 2013 nach 1046 im Jahr 2012 und 1200 im Jahr davor. In diesem Jahr setzte sich diese Tendenz fort: Von Januar bis Juli gab es 513 Spender, im Vergleichszeitraum 2013 waren es noch 548 Spender.

( ab/dpa )