Organspende-Skandal

Herzzentrum wusste schon seit Mai von Manipulationen

| Lesedauer: 3 Minuten
Andreas Abel

Foto: Jörg Carstensen / dpa

Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Ärzte des Deutschen Herzzentrums Berlin wegen des Verdachts des versuchten Totschlags. Geprüft wird, ob Patienten wegen möglicher Manipulationen starben.

Auf dem Deutschen Herzzentrum Berlin (DHZB) lastet ein schwerer Verdacht. Dort sollen Ärzte die länderübergreifende Warteliste für Spenderorgane manipuliert haben, möglicherweise zum Nachteil anderer todkranker Herzpatienten.

Die international renommierte Klinik hat am Mittwoch selbst die Staatsanwaltschaft informiert. Diese ermittelt nun gegen Ärzte des Zentrums wegen des Verdachts des versuchten Totschlags, wie Martin Steltner, Sprecher der Staatsanwaltschaft, am Freitag bestätigte.

Zu untersuchen sei, ob Patienten auf der Liste nach oben gesetzt und damit bevorzugt wurden, während andere nach hinten rutschten und damit in Lebensgefahr gerieten.

Geprüft werde auch, ob Patienten wegen möglicher Manipulationen starben und ihr Tod billigend in Kauf genommen worden sei, so Steltner.

>>> Kommentar: Und wieder ist ein guter Ruf dahin <<<

Vorstand des DHZB seit Mai informiert

Nach Informationen der Berliner Morgenpost war der Vorstand des DHZB spätestens seit Mai dieses Jahres über mehrere Verdachtsfälle informiert. Warum die Staatsanwaltschaft nicht früher eingeschaltet wurde, blieb am Freitag unklar. Gesundheitssenator Mario Czaja (CDU) zeigte sich darüber irritiert. Gerade im Bereich der Transplantationsmedizin sei angesichts des bundesdeutschen Organspendeskandals vor zwei Jahren Transparenz unerlässlich.

Die Prüfungs- und Überwachungskommission von Bundesärztekammer, Deutscher Krankenhausgesellschaft und Krankenkassen prüfte im Rahmen ihrer bundesweiten Kontrollen seit April dieses Jahres Akten von Herztransplantationen des DHZB, die in den Jahren 2010 bis 2012 vorgenommen wurden.

Nach zwei Terminen am 1. und 11. April sind nach Informationen der Berliner Morgenpost in neun Fällen „Auffälligkeiten“ festgestellt worden. Daraufhin besuchte die Kommission am 8. Juli noch einmal das Herzzentrum und forderte Einblick in 19 weitere Fälle.

Patientenstatus durch Medikamente auf Warteliste verbessert

Es bestehe der Vorwurf, dass Patienten im Zeitraum 2010 bis 2012 eine hohe Dosierung von herzunterstützenden Medikamenten, sogenannte Katecholamine, verabreicht worden sei, erklärte der Gesundheitssenator. Die Dosissteigerung sei unmittelbar vor einem Dringlichkeitsantrag bei der Organvergabestelle Eurotransplant erfolgt, um so eine besondere Schwere der Erkrankung zu demonstrieren und den Status der Patienten auf der Transplantationsliste zu verbessern. Diese Liste wird für acht europäische Länder, darunter auch Deutschland, geführt.

Czaja wurde am 11. August vom Verwaltungsleiter des Herzzentrums über die bei den Prüfungen zu Tage getretenen Auffälligkeiten informiert. Die Senatsgesundheitsverwaltung habe anschließend das Deutsche Herzzentrum Berlin um „schriftliche und detaillierte Darstellung der zwischenzeitlich ergriffenen Maßnahmen“ gebeten, die sicherstellen, dass Transplantationen nun „vollständig ordnungsgemäß“ vorgenommen werden. Dies sei erfolgt, erklärte der Senator .

Keine Selbstanzeige des Herzzentrums

Das Herzzentrum habe bei der Staatsanwaltschaft Anzeige erstattet, um Transparenz zu ermöglichen, sagte dessen Sprecherin Barbara Nickolaus. Der gute Ruf der Klinik solle nicht beeinträchtigt werden. Weitere Informationen gab Nickolaus mit Verweis auf das laufende Verfahren nicht. Staatsanwaltschaftssprecher Steltner erklärte indes, es sei keine Selbstanzeige des Herzzentrums erfolgt. Dessen Rechtsanwalt habe die Staatsanwälte lediglich informiert, diese ermittelten nun von Amts wegen.

Steltner wollte sich nicht dazu äußern, wie viele Verdachtsfälle untersucht würden und gegen wie viele Ärzte ermittelt werde. Es soll sich bislang um eine Oberärztin handeln, die inzwischen vom klinischen Betrieb freigestellt wurde und derzeit ein Handbuch zum Thema Transplantationen schreibt. Der Medizinerin wird von Kollegen fachlich ein ausgezeichneter Ruf attestiert. Sie gelte aber als extrem ehrgeizig und dominant. Darin sei ein mögliches Motiv zu sehen. Es gibt bisher keine Anzeichen, dass Geldzahlungen bei den Verdachtsfällen eine Rolle spielten. Die Prüfungskommission will ihren Bericht im September vorlegen. Die Vor-Ort-Prüfungen seien bereits abgeschlossen.