Autonome Gruppe

Angriff auf Marthashof - Häuserkampf in Prenzlauer Berg

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Raimon Klein

Foto: Steffen Pletl

In der Nacht zu Donnerstag haben Unbekannte die Wohnanlage Marthashof attackiert - und 28 Fenster und Türen beschädigt. Eine autonome Gruppe veröffentlichte im Internet ein Bekennerschreiben.

Unbekannte haben in der Nacht zu Donnerstag Fensterscheiben und Türen einer teuren Wohnanlage an der Schwedter Straße in Prenzlauer Berg attackiert. Dabei wurden nach Angaben der Polizei insgesamt 28 Fensterscheiben und Türen aus Verbundglas durch massive Gewalteinwirkung beschädigt.

Wie Anwohner berichten, soll gegen 1Uhr eine fünf- bis achtköpfige Personengruppe mit Mountainbikes aufgetaucht sein. Die Vermummten hätten dann versucht, mit Gegenständen Scheiben einzuschlagen, die schließlich splitterten.

Die Täter flüchteten anschließend auf ihren Rädern. Polizeibeamte entdeckten zudem auf der Schwedter Straße insgesamt 32 so genannte Krähenfüße. Durch sie wurden letztlich ein Funkwagen, ein Taxi und ein Fahrrad beschädigt.

„Militanter Besuch mit Hämmern“

Diese scharfkantigen Metallgegenstände haben nur einen Zweck: Die Reifen von Fahrzeugen zu beschädigen. Mehrfach wurden solche Krähenfüße bei Anschlägen in der Vergangenheit durch mutmaßlich linksextremistische Täter verwendet, beispielsweise bei einem Brandanschlag auf eine Polizeiwache in Friedrichshain vor einigen Jahren.

Wie hoch der verursachte Gesamtschaden an dem Wohnkomplex ist, blieb zunächst unklar. Da ein politisches Motiv für die Attacke vermutet wird, ermittelt der Staatsschutz des Landeskriminalamtes. In einem einschlägigen Internetforum veröffentlichte eine autonome Gruppe ein Bekennerschreiben. Darin heißt es unter anderem, man habe der Anlage „mit Hämmern einen militanten Besuch abgestattet“.

Musterbeispiel für Gentrifizierung

Prenzlauer Berg gilt in Berlin als Musterbeispiel für die sogenannte Gentrifizierung. Früher eines der bekanntesten Szene- und Künstlerviertel bundesweit, wird der Stadtteil mittlerweile vielfach von jungen Familien mit guten bis sehr guten Einkommen in sanierten Eigentumswohnungen bewohnt.

Gelegen zwischen Kastanienallee, Schwedter und Oderberger Straße und beworben als „urbanes Dorf inmitten der Großstadt“, sollen im Marthashof laut Angaben der Bauherren mehrheitlich Menschen wohnen, die bereits vorher in Prenzlauer Berg lebten. Bei Quadratmeterpreisen von rund 3000 Euro für die Anlage mit Eigentumswohnungen, Penthouses und Stadtvillen mit Garten schien die Zielgruppe jedoch von Anfang an klar definiert.

Abgeschottete Luxuswohnanlage

Gentrifizierungsgegner kritisieren den Marthashof seit dem Baubeginn im Jahr 2010. Für sie war es das „Dorf für die Reichen“ und eine „Gated Community“, also eine abgeschottete Luxuswohnanlage. Streit gab es im 2013 darüber, ob der 3000 Quadratmeter große Garten der Wohnanlage tagsüber für alle Bewohner des Viertels geöffnet sein soll.

Vom Bezirk eigentlich als öffentlicher Park geplant, wurde an der offenen Seite der U-förmigen Anlage ein Zaun hochgezogen. Zwei Tore, die häufig geschlossen waren, verhinderten den freien Zugang für externe Anwohner. Der Bezirk hatte die öffentliche Nutzung des Parks zwar mit dem ursprünglichen Investor, nicht jedoch mit den neuen Wohnungseigentümern vereinbart. Einige sind für, andere gegen die Öffnung. Die Abschottung des Geländes verstärkte jedenfalls den Eindruck, die Anlage sei ein Fremdkörper, und befeuerte die Gegner von Luxussanierungen.

Bauprojekte immer wieder attackiert

Angriffe auf Wohnbauprojekte aus politischen Gründen sind in Berlin vor allem in Kreuzberg und Friedrichshain keine Seltenheit. Zumeist werden die Gebäude während der Bauzeit attackiert, durch Steinwürfe auf Fenster, Fassaden werden mit Farbbeuteln und Farbe gefüllten Flaschen verunziert, mitunter kommt es zu Brandstiftungen. So brannte etwa im Jahr 2009 an der Fichtestraße in Kreuzberg ein Baugerüst.

Im Jahr darauf wurden die dortigen Luxuslofts gleich mehrfach mit Farbe beschädigt. Weitere Lofts sind in Kreuzberg in der Luckauer Straße und am Paul-Lincke-Ufer zu Zielen von rabiaten Anschlägen geworden. Mehrfach waren etwa während der Bauzeit auch die Fensterscheiben des „Carloft“ an der Liegnitzer Straße zertrümmert worden.

In Bekennerschreiben ist dann häufig von „Entglasen“ die Rede. Steinwurfattacken werden zudem gegen Architekten- oder Immobilienbüros verübt. Eine Firma an der Kollwitzstraße in Prenzlauer Berg war innerhalb eines Jahres drei Mal davon betroffen. Und im Stadtteil Schlachtensee ist einst von Unbekannten ein Audi angezündet worden, nur weil er dem Geschäftsführer eines Bauträgers gehörte.