Berlin-Dahlem

Kita soll für Luxuswohnungen in Container ziehen

| Lesedauer: 6 Minuten
Katrin Lange

Foto: Sergej Glanze / Glanze

Der „Berliner Mauerbau“ an der Clayallee hatte bundesweit für Schlagzeilen gesorgt. Nun empören sich Eltern erneut. Sie klagen, dass ihre Kinder für den Bau von Luxuswohnungen weichen sollen.

Es ist keine leichte Zeit für David Eckel. Er hat die Pressearbeit für zwei Dahlemer Bauprojekte an der Clayallee übernommen. Das eine – genannt „Fünf Morgen“ des Investors Stofanel – ist mittlerweile bundesweit bekannt. Der „Berliner Mauerbau“ um eine Skateranlage und eine Kita zum Lärmschutz der neuen Bewohner von Villen rund um einen künstlichen See hat auch Kamerateams von Fernsehsendern interessiert.

Jetzt könnte Eckel auch das zweite Bauprojekt auf der anderen Seite der Argentinischen Allee mehr als erwartet beschäftigen. Wieder sind es die Eltern von Kita-Kindern, die sich beschweren.

Sie beklagen in diesem Fall, dass „ihre Kinder für den vorzeitigen Bau von Luxuswohnungen in Container ziehen müssen“, so ein betroffener Vater. In einer gemeinsam verfassten Erklärung lehnen die Eltern die Container auf der Grundlage der bisherigen Informationen als Zwischenlösung ab.

Kita in Plänen des Wohnparks von Investoren berücksichtigt

Es geht um die Kita „Kiddies International“, die der Betreiber „Campus für Generationen“ einst von den Amerikanern übernommen hat. In der heute deutsch-englischen Einrichtung auf dem Gelände des ehemaligen Oskar-Helene-Heims werden 75 Kinder betreut. Auf dem Areal entsteht derzeit ein Wohn- und Gesundheitspark mit Doppel- und Reihenhäusern, Arztpraxen, einem Spa-Anbieter, Hotel und Seniorenresidenz.

Auch die Kita wurde in den Plänen des Wohnparks von den Investoren berücksichtigt. Der Projektentwickler „Die Wohnkompanie“ plant einen Neubau auf einem 2000 Quadratmeter großen Grundstück mit Platz für 100 Kinder genau an derselben Stelle, wo sie vorher stand.

Das alte Kita-Gebäude ist bereits abgerissen, die Baugrube für den Neubau ausgehoben. Aus diesem Grund mussten die Kinder in eine behelfsmäßige Unterkunft umziehen. Für 100.000 Euro habe der Bauherr dafür die ehemalige Kinderchirurgie herrichten lassen, sagt die Kita-Leiterin und Geschäftsführerin Gabriela Pfändner-Morrice. Der Weg dorthin führt vorbei an Bauzäunen und Baggern über Sand und Schotter.

Jetzt hat der Hochbau auch das Interimsgebäude erreicht. „Aufgrund des zunehmenden Baustellenverkehrs ist die Durchquerung der Baustelle für die Kinder nicht mehr vertretbar“, sagt Stephan Allner, Geschäftsführer der Wohnkompanie. Außerdem solle das Haus der Kinderchirurgie demnächst abgerissen werden, um Platz für die Wohnhäuser zu machen, ergänzt David Eckel.

Kita soll in Containern untergebracht werden

Aus diesem Grund haben sich der Investor und die Kita-Leiterin auf eine weitere Zwischenlösung für die Kita geeinigt. Die Kinder sollen auf ein Gelände nahe dem Schwesternwohnheim am nordwestlichen Zipfel an die Waltraudstraße ziehen. Dort sollen wiederum 600 Quadratmeter Spiel- und Betreuungsfläche entstehen, allerdings in Containern. „Die Gruppenräume werden exakt die gleichen sein“, versichert die Kitaleiterin.

Zudem seien die Container extra für die Kinder umgebaut worden. So seien die Sanitärobjekte in der richtigen Höhe, die Garderobe in einem gesonderten Raum und der Fußboden abwaschbar. Am 16. Juli, wenn die Kita für die Ferienzeit schließt, soll der Umzug sein. Zwischen sechs und neun Monaten soll das Provisorium dauern. Dann kann das neue Gebäude an der Clayallee 225 bezogen werden.

Gabriela Pfändner-Morrice hält die Container für eine adäquate Zwischenlösung. Sie seien sogar sauberer, übersichtlicher und gepflegter als der derzeitige Standort in der Kinderchirurgie, sagt sie. Dazu gebe es keinen Baulärm und einen Parkplatz direkt vor der Tür. Als „unbegründet“ bezeichnet sie daher die Beschwerden der Eltern. „Mein Kind geht nicht in einen Container“, solche Sätze habe sie zu hören bekommen.

Die Eltern sehen das anders. Sie kritisieren in ihrer gemeinsamen Erklärung die „bruchstückhaften und scheibchenweise erteilten Informationen des Kita-Trägers“. Die weitere Zwischenlösung in Containern beruhe einzig und allein auf dem Interesse des Investors, die auf dem Gelände des jetzigen Kita-Hauses geplanten Luxuswohnungen früher zu errichten und zu vermarkten. Diesen finanziellen Interessen des Investors sollen die Interessen der Kinder und Erzieher untergeordnet werden. Das sei nicht akzeptabel.

Eltern wollen rechtlich gegen Bauinvestor vorgehen

Am Mittwochabend haben die Eltern auf einer Versammlung mehrheitlich eine Beschlussvorlage verabschiedet, die der Berliner Morgenpost vorliegt. Darin fordern sie unter anderem den Kita-Träger auf, alle rechtlichen Schritte gegen den Bauinvestor mit dem Ziel zu ergreifen, den Verbleib der Kita im jetzigen Gebäude bis zur Fertigstellung des Kita-Neubaus zu sichern. In der Begründung ihrer Forderung beziehen sie sich auf das Nachbargebäude der Kinderchirurgie, in der sie im Moment provisorisch sind. Dort ist ein Sportzentrum untergebracht, das nach ihren Informationen solange bleiben kann, bis dessen Neubau fertig ist, also bis voraussichtlich Anfang 2015.

Die Kitaleiterin kann den Protest nicht verstehen. Mit dem Bauablauf habe der Umzug nichts zu tun, nur mit der näher kommenden Baustelle. Der Lärm sei kaum noch zu ertragen. Tatsächlich muss sie während des Gesprächs das Fenster schließen, damit die Worte noch zu verstehen sind. Sie habe eine Verantwortung für die Kinder, aber auch für ihr Team und die Eltern, sagt Gabriela Pfänder-Morrice. Und für das Kindeswohl sei es sicherer, weit entfernt von der Baustelle in die Container zu ziehen. Nur für die Zeit, bis 2015 alles fertig sei.

Auf der benachbarten Baustelle von „Fünf Morgen“, dort wo die fünf Meter hohe Lärmschutzwand hochgezogen wurde, „habe sich die Stimmung inzwischen gedreht“, sagt Baustadtrat Norbert Schmidt (CDU). Es sei auch seltsam, wenn sich 17-Jährige an die Berliner Mauer erinnert fühlen sollen – ein Bauwerk, dass sie aufgrund ihres Alters nie erlebt haben. Die Lärmschutzwand, so betont er, sei keine Ermessensfrage, sondern Pflicht gewesen. Die Werte hätten die Vorgaben, die in einem Wohngebiet eingehalten werden müssen, überschritten. Und das Gesetz schütze die Mieter.