Die Polizei hat in den ersten fünf Monaten dieses Jahres fast so viele Platzverweise erteilt wie im gesamten vergangenen Jahr. Auch die Zahl der Strafanzeigen ist gestiegen.
Darüber ärgern sich Berliner und Gäste unserer Stadt gleichermaßen: Bettler, die ein „Nein“ nicht akzeptieren, die sich einem in den Weg stellen oder am Ärmel zupfen, die Menschen, die nichts geben möchten, beschimpfen oder sogar anspucken. Gegen diese aggressive Bettelei geht die Polizei nun stärker vor. Von Januar bis Mai dieses Jahres erteilte sie 143 Platzverweise, fast so viele wie im gesamten vergangenen Jahr (154). Im Vergleichszeitraum des Vorjahres wurden nur 52 Platzverweise erteilt, von Januar bis Mai 2012 sogar nur acht. Das geht aus einer Antwort von Innenstaatssekretär Bernd Krömer (CDU) auf eine parlamentarische Anfrage des Unionsabgeordneten Joachim Krüger hervor.
Autoscheibenputzer im Visier
Auch die Zahl der Strafanzeigen ist gestiegen. In den ersten fünf Monaten dieses Jahres wurden 34 Anzeigen gestellt, im Vergleichszeitraum der Vorjahre 13 (2013) beziehungsweise eine (2012). Die Polizei ermittelte in dieser Zeit 162-mal die Identität von Bettlern, im Vorjahr tat sie dies 62-mal, 2012 allerdings 77-mal.
Staatssekretär Krömer nennt drei mögliche Gründe für den Anstieg der Fallzahlen bei der Bekämpfung des aggressiven Bettelns. Erstens habe diese Form des Bettelns vermutlich zugenommen, zweitens erstatteten Berliner und Touristen wegen solcher Vorfälle häufiger und schneller Anzeige, und drittens zeigten Schwerpunkteinsätze der Polizei Wirkung. Ein Polizeisprecher sagte, Schwerpunkteinsätze bezögen sich nicht nur auf aggressives Betteln auf Gehwegen oder im Umfeld von Straßencafés. Auch die ungebetenen Autoscheibenputzer an Ampeln nähmen die Beamten regelmäßig ins Visier. Wie der Innenstaatssekretär erläuterte, achte die Polizei aber auch im Rahmen des täglichen Dienstes auf Personen, die aggressive Straßenbettelei betreiben, prüfe dann deren Identität und spräche Platzverweise aus. Über aggressives Betteln beschweren sich Bürger vor allem auf Kudamm und Tauentzien sowie in anderen großen Einkaufsstraßen, an Bahnhöfen und im Umfeld der stark frequentierten Touristenziele in Mitte.
„Stilles Betteln“ ist geduldet
Betteln wurde 1974 als Straftatbestand im Strafgesetzbuch gestrichen. Das „stille Betteln“ wird seitdem geduldet und gilt juristisch nicht als unzumutbare Beeinträchtigung. Beim aggressiven Betteln müsse im Einzelfall geprüft werden, ob die Straftatbestände der Nötigung oder der Beleidigung erfüllt werden, sagte Krömer. Der Abgeordnete Krüger hatte bei seiner Anfrage im Landesparlament vor allem die Senioren im Blick. „Aggressives Betteln ruft offenbar verstärkt Ängste bei älteren Menschen hervor“, sagte er. Viele Ältere hätten den Eindruck, dass sich Beschimpfungen und Gewaltandrohung beim aggressiven Betteln in letzter Zeit deutlich vermehrt hätten, wenn den Wünschen der Bettler nicht nachgekommen werde.