Ursula Fritschle hat den Kampf gegen Ungerechtigkeit aufgenommen. Und für das Vertrauen. Fritschle ist Leiterin der neu eingerichteten Ombudsstelle in der Jugendhilfe. Kinder und Jugendliche, die von der Jugendhilfe betreut werden oder auch anderweitig dringend Hilfe benötigen, können sich ab sofort an die Sozialpädagogin und ihr Team wenden. Dort erhalten sie unabhängige Unterstützung, Beratung und Beistand. Ein deutschlandweit bislang einmaliges Projekt.
Bislang hat Ursula Fritschle an der Fachhochschule für Sozialpädagogik unterrichtet. Zwölf Jahre lang war sie zudem im Verein „Berliner Rechtshilfefonds Jugendhilfe e.V.“ tätig. Dort hat sie bereits zusammen mit anderen Kollegen Kinder und Jugendliche ehrenamtlich beraten und ihnen im Konfliktfall geholfen. Fritschle sagte, dass sie sich für alle Kinder, Jugendlichen und deren Familien zuständig fühle, die sich im Prozess der Jugendhilfe ungerecht behandelt fühlen würden. 2013 ist die Jugendhilfe in Berlin in 21.400 Fällen tätig geworden. Nicht alle Fälle sind reibungslos verlaufen.
Die Ombudsstelle wird durch einen Beirat, dem verschiedene Fachleute angehören, begleitet und ihre Arbeit evaluiert. Jugendsenatorin Sandra Scheeres (SPD) spricht von einem herausragenden Modellprojekt. „Bisher gab es keinen richtigen Ansprechpartner, dem sich Kinder und Jugendliche, die von der Jugendhilfe betreut werden, im Konfliktfall anvertrauen konnten“, sagte sie. Berlin setze damit ein Zeichen. „Wir zeigen, dass uns die Beteiligung der Kinder und Jugendlichen und damit ihre Rechte wichtig sind.“ Gleichzeitig gehe es um eine Qualitätsverbesserung innerhalb der Jugendhilfeeinrichtungen. Würden Kritik und Beschwerden ernst genommen, führe das zu Veränderungen in den betreffenden Einrichtungen.
Beispiel Haasenburg-Heime in Brandenburg
Wie wichtig eine Stelle ist, an der Kinder und Jugendliche die Möglichkeit haben, sich über Zustände etwa in Heimen oder ambulanten Einrichtungen der Jugendhilfe zu beschweren, zeigte nicht zuletzt der Fall der Brandenburger Haasenburg-Jugendheime. Heimbewohner und ehemalige Betreuer hatten Misshandlungen und den Einsatz von Zwangsbehandlungen, sogenannten Anti-Aggressionsmaßnahmen, gegen die dort untergebrachten Schützlinge kritisiert. Nach langem Hin und Her kam der Fall vor Gericht, das die vorläufige Schließung der Heime veranlasste.
Auch Fachleute begrüßen die Eröffnung der unabhängigen Ombudsstelle. Elfi Jantzen (Grüne), Jugendstadträtin in Charlottenburg-Wilmersdorf, spricht von einer sinnvollen Einrichtung, die Kinder, Jugendliche und Familien unabhängig informiert, begleitet und unterstützt. Senatorin Scheeres legt großen Wert auf die Unabhängigkeit der Ombudsstelle. „Es muss sich um eine Vertrauensstelle außerhalb der Jugendhilfestrukturen handeln.“
180.000 Euro für dieses Jahr
Eine Berliner Heimleiterin (Name ist der Redaktion bekannt) sagte, dass alles, was geschaffen werde, um Kindern, Jugendlichen und Familien dabei zu helfen, stärker ihre Rechte wahrzunehmen, eine gute Sache sei. „In Konfliktfällen können wir den Jugendlichen, die in unserem Heim leben, raten, zur Ombudsstelle zu gehen, wenn sie zu ihrem Recht kommen wollen“, so die Heimleiterin. Es gebe zum Beispiel hin und wieder Probleme, wenn Jugendliche 18 Jahre alt würden und das Jugendamt darauf bestehe, dass sie sofort aus dem Heim ausziehen und in einer eigenen Wohnung leben sollen. „Manchmal sind die Jugendlichen aber noch gar nicht reif dafür und wollen lieber noch einige Zeit bei uns bleiben.“ Ein solcher Konflikt sei ein Fall für die Ombudsstelle.
Kinder und Jugendliche sowie ihre Eltern können dort aber auch ihr Recht geltend machen, an der Hilfeplanung beteiligt zu werden, etwa mitzubestimmen, von welchem freien Träger sie betreut werden oder in welches Heim sie einziehen. Auch wenn eine Einrichtung Jugendlichen das Taschengeld kürzt, können diese sich, wenn sie das als ungerecht empfinden, an die Ombudsstelle wenden.
Jugendsenatorin Sandra Scheeres kündigte umfangreiche Werbemaßnahmen für die Ombudsstelle an. „Kinder und Jugendliche haben ein Recht auf Beratung“, sagte sie. Die Ombudsstelle müsse offen zugänglich sein und in den Jugendämtern und bei den Trägern der Jugendhilfe bekannt gemacht werden. Auch die Berliner Heimleiterin betonte, dass Jugendhilfeeinrichtungen verpflichtet seien, die Kinder und Jugendlichen darüber zu informieren, dass sie sich an die Ombudsstelle wenden können, wenn es Ärger gibt. Die Ombudsstelle läuft zunächst als Modellprojekt, das über drei Jahre erprobt werden soll. Der Berliner Senat hat im Doppelhaushalt für dieses und das kommende Jahr 240.000 Euro für den Betrieb der Ombudsstelle bereitgestellt. Alle Bezirke beteiligen sich darüber hinaus drei Jahre lang mit je 5000 Euro pro Jahr. Für das erste Jahr stehen damit rund 180.000 Euro zur Verfügung.
Ombudsfrau Ursula Fritschle und zwei ihrer Kollegen vom Beirat haben ihr Beratungsbüro vor wenigen Tagen eröffnet. Kinder, Jugendliche und Familien können sich an der Kienitzer Straße 110 in Neukölln beraten und helfen lassen.