Bis Donnerstag werden 40.000 Besucher zu Deutschlands größter Jugendhilfe-Messe erwartet. Erzieher, Streetworker oder Jugendamtsleiter tauschen sich über Cybermobbing oder Schutz von Flüchtlingen aus.
Konzentriert beugt sich eine Kindergruppe über ein Blatt Papier, das bereits zur Hälfte beschrieben ist. Was sie da tun? „Wir interviewen und filmen, wir schreiben über die Messe für unseren Blog“, erklärt die elfjährige Denise. Sie ist eine von fünf Kinderreportern, die für den Blog des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Berlin vom Deutschen Kinder- und Jugendhilfetag (DJHT) berichtet. Unter dem Motto „24/7 Kinder- und Jugendhilfe. Viel wert. Gerecht. Wirkungsvoll.“ ist dieser am Dienstag in der Messe Berlin gestartet. Veranstalter des Events ist die Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe (AGJ).
Die Fachmesse, die für jeden Interessierten zugänglich und eine Austauschplattform für Erzieher, Streetworker oder Jugendamtsleiter ist, gilt als Deutschlands größter Jugendhilfe-Gipfel. 40.000 Besucher erwarten die Veranstalter bis Donnerstag. Auf 22.000 Quadratmetern stellen sich in fünf Hallen mehr als 350 Aussteller vor. Das Spektrum reicht von Jugendverbänden über Bundesbehörden und Forschungsinstitute bis zu Universitäten sowie allen möglichen Dienstleistern rund um die Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und Familien. Im Rahmen eines Fachkongresses runden 270 Fachveranstaltungen zu Themen wie Cyber-Mobbing oder Schutz von minderjährigen Flüchtlingen die Tagung ab.
Aktuell schreiben Denise und ihre kleinen Kollegen an einer Reportage über den Auftritt des Kinder- und Jugendzirkus Cabuwazi, der mit einer Einrad- und Gymnastikperformance das Durchschneiden des roten Bandes durch Bundespräsident Joachim Gauck künstlerisch untermalte. „Ja, mir macht das schon Spaß“, sagt Michael, zwölf Jahre alt. Er, Denise und die anderen Kinder, die hier fleißig arbeiten, kommen vom Kinder- und Jugendbüro Marzahn, einer von zahlreichen Anlaufstellen für junge Berliner.
Bundespräsident mahnt Besucher zu Chancengleichheit
Was Berlin im Bereich der Kinder- und Jugendarbeit zu bieten hat, verdeutlicht unter anderem ein großes Rondell in Halle 1, das dem Brandenburger Tor nachempfunden ist. Zwölf Säulen repräsentieren die Berliner Bezirke, vor jeder ist das entsprechende lokale Jugendamt mit einem Stand vertreten. „Der DJHT hier in Berlin ist eine große Sache“, sagt Thomas Juhl vom Jugendamt Charlottenburg-Wilmersdorf. Er stellt mit seinen Kollegen drei Einrichtungen des Bezirks vor, die Familien und Jugendliche unterstützen, darunter das „Haus der Familie“ in der Schillerstraße und ein Jugendparlament, bei dem sich Jugendliche politisch beteiligen können. „Ganz Deutschland ist hier vertreten. Der DJHT hilft sehr dabei, im Austausch miteinander zu bleiben und neue Ideen zu sammeln“, so Juhl. Austauschen wird er sich zum Beispiel mit einer Gruppe von Pädagogen aus Moskau, die er im Lauf des Tages erwartet.
Der Tagungsort ist auch nach Ansicht von Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) ideal gewählt. „Berlin ist spannend, hier konzentriert sich die Kinder- und Jugendhilfe“, so die Senatorin in ihrer Begrüßungsrede am Dienstagmittag, in der sie auch auf die steigende Kinderzahl der Hauptstadt hinwies. „Berlin ist die Stadt der unterschiedlichen Lebensentwürfe, der Patchwork- und der Regenbogenfamilien, der Migration und der Alleinerziehenden, der sozial Entwurzelten und der Gestrandeten.“
Bundespräsident Joachim Gauck ging in seiner Begrüßungsrede unter anderem auf die Chancengerechtigkeit ein, die er trotz vieler Bemühungen im Bildungssystem noch nicht erreicht sieht. Jeder junge Mensch solle Gelegenheit zu Mitsprache und Beteiligung haben. „Das klingt selbstverständlich, ist aber eine Mammutaufgabe“, so der Bundespräsident. Auch mahnte er, Kinder- und Jugendhilfe könne nur funktionieren, wenn sie als gesamtgesellschaftliche Aufgabe begriffen würde. „Ich gehöre nicht zu den Menschen, die Kinder- und Jugendhilfe allein als Feuerwehr betrachten“, so Gauck.
Kinder- und Jugendhilfe in stetem Wandel
Als Feuerwehr sieht sich Theresa Hawlowitsch auch nicht, wohl aber ist sich die 20-Jährige ihrer Verantwortung als werdende Erzieherin bewusst. „Ich trainiere schon seit sieben Jahren Kinder im Zirkusbereich, mache auch selber Zirkus“, so die Potsdamerin. Momentan absolviert sie ein Praktikum bei „Die Brücke e.V.“, einem Kinder- und Jugendclub im Nuthetal.
Laura Van de Sand und Nils Ittershagen sind von weiter her angereist. Die beiden 19-Jährigen aus dem Ruhrgebiet absolvieren gerade ein Freiwilliges Soziales Jahr im Schloss Hamborn bei Paderborn, einem Wohnprojekt für junge Menschen. „Ich habe immer gern mit Kindern und Jugendlichen gearbeitet“, sagt Laura Van de Sand. Nils Ittershagen blickt noch weiter nach vorn, er will Lehrer werden. Weshalb er später gerade in diesem Bereich arbeiten möchte? „Die Kinder- und Jugendhilfe ist ein so lebendiger Bereich, in stetem Wandel. Und man kann sich viel selbst mit einbringen.“