Obwohl der Kurfürstendamm mit seinen vielen neu zugezogenen Luxusläden derzeit vor Selbstbewusstsein nur so strotzt, gibt es immer noch einen Makel, der den neu gewonnenen Glanz ganz erheblich beeinträchtigt. In den vergangenen zehn Jahren hat das Kudamm Karree, diese Bausünde aus den frühen 70er-Jahren, zwar immer wieder neue Käufer gefunden. Doch bislang scheiterten sämtliche Investoren mit ihren Plänen, die düstere Betonburg am Kurfürstendamm 207-208 in ein modernes, urbanes Stadtquartier zu verwandeln.
Der aktuelle Eigentümer, die irische Ballymore Group, will nun den mittlerweile dritten Anlauf unternehmen, um das riesige Gebäudeensemble umzugestalten. Die ersten beiden waren an den Protesten von Theaterfreuden und dem Bezirk sowie der Finanzkrise gescheitert.
Chipperfield entwirft Wohnturm mit 20 Etagen
Am Mittwoch präsentierten die Iren ihre überarbeiteten Pläne im Stadtentwicklungsausschuss des Bezirks Charlottenburg-Wilmersdorf. Im neuen Entwurf, der wie der erste, 2009 mit großem öffentlichen Brimborium vorgestellte, erneut aus der Feder des britischen Architekten David Chipperfield stammt, gibt es neben einer völlig anders gestalteten Architektur nun vor allem eine wesentliche Änderung der Nutzung.
Das mitten in dem gewaltigen Komplex zwischen Kurfürstendamm, Uhlandstraße und Lietzenburger Straße emporragende Bürohochhaus soll zum Wohnturm umgebaut werden. Auf einer Gesamtfläche von rund 17.700 Quadratmetern sollen dort Wohnungen entstehen. Damit der Turm sowohl vom Kurfürstendamm als auch von der Uhlandstraße her zugänglich wird, soll die bislang noch überdachte Passage vom Kurfürstendamm komplett abgerissen werden.
Neuer öffentlicher Platz an der Uhlandstraße
An der Uhlandstraße soll zudem ein neuer öffentlicher Platz entstehen, der zugleich einen neuen repräsentativen Eingang für den Turm mit seinen 20 Stockwerken bietet. Entlang der Uhlandstraße sind zudem weitere Wohn- und Geschäftshäuser geplant. Insgesamt sollen 29.700 Quadratmeter Fläche für Wohnungen entstehen, das entspricht rund 300 Wohnungen. Nach Angaben von Mike de Mug, Direktor bei Ballymore International, rechne man derzeit mit Eigentumswohnungen. Über Quadratmeterpreise und genaue Wohnungsgrößen könne man noch nichts sagen. „Wir lassen gerade eine Marktanalyse erstellen, dann werden wir das endgültig entscheiden.“
Als weitere Nutzungen sind Einzelhandel mit einer Verkaufsfläche von rund 33.400 Quadratmeter, Gastronomie mit rund 7700 qm Bruttogrundfläche und Büros mit rund 3.200 Quadratmetern Bruttogrundfläche geplant. Der Entwurf sieht über 750 Tiefgaragenplätze vor. Unverändert dagegen sind die Pläne für die beiden Boulevard-Theater. Sowohl das Theater am Kurfürstendamm als auch die Komödie sollen abgerissen werden.
Investor hofft auf Fertigstellung in 2017
Mike de Mug, Direktor bei Ballymore International, hofft auf die Baugenehmigung „im dritten Quartal 2014“. Die Abrissarbeiten könnten unmittelbar danach beginnen. „Die Abbrucharbeiten werden angesichts der größte des Komplexes mindestens sechs Monate dauern“, so der Projektleiter weiter. Er rechne mit einem Baubeginn im Frühjahr 2015 und einer entsprechenden Fertigstellung in der zweiten Jahreshälfte 2017.
„Mit dem neuen Kudamm Karree“, warb Mike de Mug für die Pläne, „schaffen wir einen neuen Anziehungspunkt am Kudamm und schließen die Lücke zwischen KaDeWe, Tauentzien, Breitscheidplatz und Olivaer Platz.“ Lokal, national und international steige in allen Nutzungssegmenten die Nachfrage nach Standorten im Zentrum Berlins und speziell in der City West. „Das Kudamm Karree schafft die entsprechenden Möglichkeiten und nutzt in Berlin noch offene Marktlücken“, so der Projektentwickler.
Streit um die Kudamm-Theater
Seit mittlerweile gut zehn Jahren wird bereits mit den häufig wechselnden Eigentümern um die Neugestaltung des Kudamm Karrees und die Zukunft der beiden Boulevard-Theater gestritten. Die Ballymore-Gruppe hatte das Gebäudeensemble 2007 dem britischen Finanzinvestor Fortress für rund 155 Millionen Euro abgekauft. Doch die schnelle Umsetzung der Baupläne der neuen Eigentümer scheiterten erst an der Finanzkrise, dann jedoch auch am heftigen Widerstand der Theaterfreunde, die für den Erhalt der historischen Bühnen kämpften.
Ballymore hatte 2009 den angesehenen Architekten David Chipperfield angeheuert, um wieder Bewegung in die festgefahrenen Fronten zu bringen. Chipperfield, dessen Neuinterpretation des Neuen Museums auf der Berliner Museumsinsel selbst die größten Kritiker verstummen ließ, reichte dann jedoch einen Vorschlag ein, wonach eine der beiden historischen Bühnen an die Uhlandstraße verlagert, die andere jedoch komplett abgerissen werden sollte. Es hagelte erneut Proteste, Chipperfeld überarbeitete die Pläne und präsentierte 2010 einen neuen Entwurf, wonach eines der Theater am Kudamm bleiben darf – allerdings im dritten Stock und nur mit 650 Sitzplätzen. Derzeit verfügen beide Theater zusammen über 1400 Plätze.
Höhere Investitionskosten für Neubau
Immerhin die Finanzprobleme hat Ballymore nun offenbar in den Griff bekommen. Die einst mit 500 Millionen Euro bezifferten Investitionskosten sollen nun ohne Hilfe eines Entwicklungspartners gestemmt werden. Auch eine finanzierende Bank sei gefunden, teilte der Ballymore-Chef Paul Keogh am Mittwoch mit. Die Investitionskosten würden voraussichtlich noch höher ausfallen, als damals berechnet. „Schließlich hatten wir ja damals gar nicht geplant, auch den Büroturm anzufassen“, so Keogh. Der kommen nun noch dazu.
Bezirksbürgermeister Reinhard Naumann (SPD) sprach von einer „positiven Entwicklung“. Der Schandfleck am Kudamm müsse endlich verschwinden. Er sei froh, dass die Iren nicht ein „x-beliebiges Einkaufszentrum“ bauen wollten. „Dem schlechten Beispiel Alexa am Alexanderplatz wollen wir kein weites Beispiel am Kurfürstendamm hinzufügen“, sagte Naumann. „Wir sind zuversichtlich, dass die überarbeiteten Entwürfe eine tragfähige Grundlage für die weiteren Planungen sind“, so der Bürgermeister weiter. Die Bezirksverordnetenversammlung werde die Debatte erneut aufnehmen und hoffentlich zu einem guten Ende führen“, sagte Naumann. Baustadtrat Marc Schulte (SPD) ergänzte, dass die Wohnungen ein wichtiges belebendes Element darstellen. „Im ursprünglichen Entwurf waren schließlich gar keine Wohnungen vorgesehen“, sagte er.
Ungewissheit für Theaterchef Woelffer
Für Martin Woelffer, Theaterchef der beiden Boulevard-Bühnen, ändert sich durch den neuen Entwurf nach eigener Aussage „nichts“. „Wir wissen ja noch immer nicht, wie unser neues Theater im dritten Stock genau aussehen soll“, sagte Woelffer. Allerdings begeistere ihn die Aussicht, „ein tolles Theater von Herrn Chipperfield“ zu bekommen. Die Visualisierung, die das gläserne Foyer des Theaters mit dem erhöhten Blick auf den Kurfürstendamm zeige, sei jedenfalls schon mal „wunderbar“.
Völlig offen ist allerdings noch, wo die Kudamm-Bühnen während der mehrjährigen Umbau-Phase untergebracht werden können. „Wir können natürlich erst dann mit der Suche nach einem Ausweichstandort beginnen, wenn wir entsprechende Verträge unterzeichnet haben und einen konkreten Terminplan haben“, sagte Woelffer. Schon heute sei aber klar, dass die Suche nach einem Ersatzstandort am Kurfürstendamm oder wenigstens in der Nähe schwer werde. Das sei eben die Kehrseite des Booms in der City West.
Berliner Theaterfreunde skeptisch
Widerstand gegen die Pläne hat dagegen der Verein „Rettet die Kudamm-Bühnen e.V.” angekündigt. „Wieder soll den Bürgern versprochen werden, das an Stelle der historisch bedeutsamen Bühnen von Max Reinhardt und Oskar Kaufman ein neues Dachtheater über einer neuen Shoppingmall gebaut wird“, schreibt die Initiative, der unter anderem der Chef des Berliner Theaterclubs, Otfried Laur, und Franziska Eichstädt-Bohlig, die ehemalige Fraktionsvorsitzende der Grünen im Abgeordnetenhaus, angehören.
Der Verein streitet nach wie vor für den Erhalt der beiden Bühnen. „Gerade jetzt, wo wieder neues Leben in die City West einzieht, ist es elementar wichtig, dass der Kurfürstendamm nicht nur Einkaufstraße und verlängerte Tauentzienstraße wird, sondern ein lebendiger Boulevard, der auch Theatervergnügen bietet und der seine Kultur- und Baugeschichte nicht zerstört sondern für die jungen Generationen erhält und pflegt“, argumentiert die Initiative.
Ein Bürgerentscheid gegen die Baupläne hatte 2011 das Quorum jedoch verfehlt.