Stadtplanung

Wie viele Wohnungen verträgt das Tempelhofer Feld?

| Lesedauer: 7 Minuten
Sabine Gundlach

Foto: school of architecture bremen

Der Senat plant 137.000 neue Wohnungen bis 2025 – auch auf dem Tempelhofer Feld. Jetzt wird über einen Masterplan für Areal diskutiert.

Der Titel klingt nüchtern, die Veranstaltung verspricht jedoch hitzige Debatten: „Standortkonferenz Tempelhofer Freiheit“ ist die öffentliche Präsentation und Diskussion der aktuellen Planungen der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung auf dem ehemaligen Flughafenareal überschrieben.

Die Zukunft der riesigen Freifläche ist schon jahrelang ein Streitthema – und das nicht erst seit dem Ende des Flugbetriebs des innerstädtischen Airports im Oktober 2008. Doch jetzt spitzt sich der Konflikt zu.

Während die Bürgerinitiative „Demokratische Initiative 100 Prozent Tempelhofer Feld e.V.“ (BI) ein Volksbegehren zur unveränderten Beibehaltung der jetzigen Freifläche anstrebt, verfolgt der Senat andere Ziele. So sollen eine Parklandschaft gestaltet und die Ränder des einstigen Flugfeldes bebaut werden. Wie das konkret aussehen und vorangehen soll, wird an Hand des aktuellen Masterplans am Mittwoch in einer Standortkonferenz öffentlich präsentiert und zur Diskussion gestellt.

Druck auf dem Wohnungsmarkt

Laut Planungen des Senats sollen zunächst drei, langfristig vier neue Stadtquartiere an den Rändern des Tempelhofer Feldes entwickelt werden. Dabei spielt neben Sportflächen sowie Bauten für Gewerbe, Bildung und Technologie jetzt Wohnungsbau eine zunehmend größere Rolle.

So wurde der noch vor einem Jahr genannte Anteil von 2010 Wohneinheiten aktuell auf die „Zielzahl“ von 5419 Wohnungseinheiten erhöht. Dabei eingeschlossen sind auch Baupläne für das Quartier Columbiadamm, das allerdings erst nach 2025 entwickelt werden soll. Den neuen Fokus auf mehr Wohnraum auf dem Tempelhofer Feld begründet Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD) mit dem wachsenden Druck auf dem Wohnungsmarkt.

So wies Müller auch am Montag bei der Präsentation des Entwurfs Stadtentwicklungsplan Wohnen (StEP Wohnen) darauf hin, dass „große Areale wie die an der Heidestraße oder auch in Tempelhof benötigt werden“. Hintergrund sind Prognosen, wonach der Senat bis 2030 mit einem Bevölkerungszuwachs in Berlin von 254.000 Neuberlinern rechnet.

Steigende Kosten für Neubauten

Um den zu erwartenden Zusatzbedarf decken zu können, sind nach Angaben der Senatsverwaltung etwa 137.000 neue Wohnungen erforderlich. „Da muss es möglich sein, dass die Randflächen des Tempelhofer Feldes bebaut werden können“, sagte Müller.

Inwiefern die geplanten Stadtquartiere am Rande des Tempelhofer Feldes allerdings bezahlbaren Wohnraum ermöglichen, bleibt unklar und angesichts aktueller Daten des Amtes für Statistik Berlin-Brandenburg eher unrealistisch. Die Statistiker registrieren für Neubaukosten in Berlin von 2005 bis November 2012 einen Anstieg um durchschnittlich 23,4 Prozent. In einigen Gewerken lagen die Preissteigerungen sogar bei über 50 Prozent.

„Gegenüber der allgemeinen Preisentwicklung mit einem Plus von etwa 14 Prozent steigen die Baupreise damit fast doppelt so schnell wie die allgemeinen Preise“, sagt Maren Kern, Vorstand beim Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen e.V. (BBU). Hinzu kämen teilweise deutliche Steigerungen bei den Baulandpreisen, die den Neubau zusätzlich verteuern würden.

Neubau der Landesbibliothek

Doch dies wird bislang von den Tempelhof-Entwicklern eher ausgeblendet. Hermann Barges von der Bürgerinitiative für den kompletten Erhalt der 320 Hektar großen Freifläche betont hingegen: „Auf dem Tempelhofer Feld sind Luxuswohnungen und Renditeobjekte geplant, die wir nicht brauchen.“

„Initialzündung“ der immer noch vagen Planungen der Entwickler des Tempelhofer Feldes soll der Neubau der Zentral- und Landesbibliothek sein. Zur Einbindung des umstrittenen Projektes, das nach Ansicht von Bauexperten „niemals für die bislang veranschlagten 270 Millionen Euro realisiert werden kann“, endete am 21. Februar ein europaweiter offener Ideenwettbewerb. Gesucht waren Konzepte zur Einbindung des Vorzeigeprojektes am Flugfeldrand im westlich gelegenen Bildungsquartier am Tempelhofer Damm. Nach Angaben der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung tagt die Jury Anfang April. Wann die Ergebnisse vorliegen, könne man derzeit nicht sagen, hieß es aus der Verwaltung.

„Wir sind am Dialog mit der Bürgerinitiative für das Volksbegehren interessiert“, sagt Gerhard Steindorf, Geschäftsführer der landeseigenen Tempelhof Projekt GmbH, im Vorfeld der Standortkonferenz. „Nach der Einführung durch Stadtentwicklungssenator Michael Müller werden wir auch den Vertretern der Initiative für ein Volksbegehren die Möglichkeit gewähren, in einem Kurzvortrag ihre Argumente zu thematisieren“, so Steindorf.

Entwurf vorerst auf Eis gelegt

Statt einer Podiumsdiskussion sind nach den Kurzreferaten drei Themenrunden mit Erläuterungen und Diskussionen geplant: Als Erstes erläutern Gerhard Steindorf und Senatsbaudirektorin Regula Lüscher den Masterplan. Danach folgen Ausführungen von Staatssekretär Ephraim Gothe (SPD) und Manfred Kühne von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung zum Thema Wohnungsbau in Berlin und auf dem Tempelhofer Feld.

Die letzte inhaltliche Runde ist den weiteren Planungen und Arbeiten der Parklandschaft gewidmet. Dazu referiert Eelco Hooftman vom Büro Gross.Max und ein Vertreter der für die Parkplanung verantwortlichen „Grün Berlin GmbH“. Die Landschaftsplaner von Gross.Max hatten mit Sutherland and Hussey Architects bereits im April 2011 den Wettbewerb für die Gestaltung der Parkfläche auf dem Tempelhofer Feld gewonnen.

Nach wachsender Kritik an den mit 61,5 Millionen Euro veranschlagten Plänen des Siegerentwurfs, insbesondere an der Idee eines Kletterfelsens, wurde die Gestaltung im großen Stil allerdings vergangenen September vom Senat auf Eis gelegt. Stattdessen sollen in diesem Jahr die ersten 150 von insgesamt 1500 Bäumen gepflanzt und ein Regenwasserauffangbecken gebaut werden.

Kleingärtner kämpfen für Erhalt ihrer Flächen

Gegenwind bekommen der Senat und die Tempelhof Projekt GmbH nicht nur von Seiten der Bürgerinitiative. Auch die Kleingärtner der Kolonien Tempelhofer und Neuköllner Berg kämpfen jetzt mit einer Petition im Internet für den Erhalt ihrer Grünflächen auf dem südlichen Randgebiet des Tempelhofer Feldes, auf denen der Senat auch Gewerbeflächen plant.

„Mit unserer Internetaktion auf ‚change.org’ erinnern wir die Eigentümerin der Kleingartenflächen, das Bundeseisenbahnvermögen, an ihre soziale Verantwortung und bitten darum, die Anlagen langfristig für Berlin als Grünflächen zu erhalten“, sagt Wilfried Buettner. Die Kleingärtner hoffen, den Verkauf der Grünflächen an den Senat noch abwenden zu können und unterstützen das Volksbegehren zum Erhalt des freien Feldes.

Darüber hinaus fordern neben der Fraktion der Grünen im Abgeordnetenhaus auch der Architekten- und Ingenieur-Verein zu Berlin (AIV) sowie das Netzwerk „Architekten für Architekten (AfA) ein Planungsmoratorium für das ehemalige Flughafen-Areal. Sie alle plädieren zudem dafür, ein Konzept für die Nachnutzung des denkmalgeschützten Flughafengebäudes zu entwickeln.

Standortkonferenz Tempelhofer Freiheit, 6. März, 17 Uhr. Haupthalle Flughafengebäude. In der Stadtwerkstatt Tempelhofer Freiheit können Interessierte am Sonnabend, 9. März, von 12 bis 18 Uhr „mit Experten diskutieren und Anregungen geben“. Ort: Alte Zollgarage am Flughafen Tempelhof.