Steinerne Städte statt weites Wiesenmeer – so könnte man sie auch überschreiben, die aktuelle Ausstellung mit Entwürfen für das Tempelhofer Feld in Berlin von Master-Studenten der „School of Architecture“ an der Hochschule Bremen (SoAB). Doch „Stadtleben auf dem Flugfeld“ klingt da schon lebendiger. So lautet denn auch der Titel der Schau, die seit Freitagabend in der Hinterhofgalerie „Freies Museum Berlin“ zeigt, wie sich Nachwuchsplaner die Zukunft auf dem Tempelhofer Feld vorstellen: sehr dicht bebaut.
Die Mehrzahl der 13 ausgestellten Arbeiten lässt mit der dichten Bauweise selbst die vom Senat favorisierte und teilweise umstrittene Randbebauung der beliebten Freifläche geradezu zaghaft erscheinen. Zwar gibt es auch Grün in den Plänen der Studenten, doch verschwindet dies meist innerhalb der Blockbauten, die teilweise Wohnraum für bis zu 70.000 Menschen schaffen sollen.
Es sind letztlich ganze Städte auf dem Flugfeld, die in den ausgestellten Modellen (Maßstab 1:2500), Plänen oder auch Simulationen präsentiert werden. Mit vielen Straßen – und auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln wie einer neue U-Bahn unter dem ehemaligen Flugfeld und eine ringförmige Straßenbahnverbindung, die beispielsweise Peter Brücken und Sven Jakob vorschlagen. Mindestens zwei Drittel der Fläche des insgesamt 350 Hektar großen Areals wird von den meisten Studenten in ihren Entwürfen bebaut – diese Verdichtung stellt selbst Stimmanns umstrittene Blockrandbebauung in den Schatten.
Flächen zum Arbeiten und Leben
So plant Axel Werk seine Stadt auf dem Flugfeld fast bis an die Grenze des Dachs über dem Hauptgebäude, das nur durch einen schmalen Grünzug von den Neubauten getrennt wird. Das historische und denkmalgeschützte Bauwerk des ehemaligen Flughafens werde dadurch „entmonumentalisiert“, sagt Klaus Schäfer.
Der Professor für Städtebau hat das Projekt an der SoAB betreut. Schäfer will mit der Ausstellung die Debatte über die Zukunft des Tempelhofer Feldes neu beleben. „Die Gesellschaft braucht nicht nur Flächen zum Drachensteigen, sie braucht Flächen zum Arbeiten und Leben“, sagt der Professor. Und er ergänzt: „Ich bin für eine nachhaltige Stadtentwicklung, aber Nachhaltigkeit heißt für mich nicht, dass jeder Mensch Grün vor der Nase hat, sondern bezieht sich auf eine gesunde soziale Durchmischung, und dafür brauchen wir neue Stadtviertel“.
Damit spielt Schäfer auch auf den aktuellen Streit zwischen der Bürgerinitiative „100 Prozent Tempelhofer Feld“ (BI) und der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung an. Die BI strebt ein Volksbegehren zum Erhalt des unbebauten Wiesenmeers an und wehrt sich gegen jegliche Bebauung. Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD) will hingegen an den Rändern des ehemaligen Flugfeldes vier neue Stadt- und Wohnquartiere inklusive des umstrittenen Neubaus für die Zentral- und Landesbibliothek (ZLB) realisieren. Doch für Schäfer und seine Studenten sind selbst diese Planungen „viel zu vorsichtig“. Von den Planungen des Senats gehe keine Kraft aus, kritisiert Schäfer.
Und er ergänzt: „Das sind gerade mal kleine Scherben, aber es ist kein großes Konzept.“ Man könne zudem nicht ständig über Gentrifizierung klagen, gleichzeitig aber solche Potenziale wie die des Tempelhofer Feld so wenig nutzen, sind sich der Lehrende und die Lernenden einig. Klotzen, nicht kleckern, scheint offenbar die Devise.
Denkmal als Stadtmauer zu dem neuen Quartier
So sagt auch der Student Peter Brücken, „die geplanten Stadtquartiere sind zu klein“. Dass viele Berliner aber gerade die einzigartige Weite des ehemaligen Flugfeldes schätzen und auch als Park erhalten wissen wollen, spielt bei den Bremer Planungen eine geringfügige Rolle. So wie in dem Projekt auch Fragen zu möglichen Nutzungskonzepten für das ehemalige Flughafengebäude nicht berücksichtigt werden. „Das wäre ein eigenes Projekt“, meint Klaus Schäfer. Er betrachte das Denkmal eher als eine Art Stadtmauer zu dem neuen Quartier.
Die städtebaulichen Entwürfe für das Tempelhofer Feld basieren auf Grundlagen, die bereits im vergangenen Oktober bei einem Workshop in der Alten Zollgarage des ehemaligen Flughafens mit Unterstützung von Mitarbeitern der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung erarbeitet wurden. An diesem Workshop beteiligten sich neben Studenten der SoAB auch Studenten der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus (BTU) unter der Leitung von Professor Frank Schwartze.
Die Cottbuser Studenten erabeiteten Ideen für Tegel, die sie bei dem aktuellen Schinkel-Wettbewerb 2013 des Architekten und Ingenieursverein zu Berlin (AIV) eingereicht haben. Er widmet sich der Transformation des Flughafenareals. „Da der Wettbewerb noch läuft, können diese Arbeiten zurzeit nicht im Rahmen unserer Austellung präsentiert werden“, sagt Klaus Schäfer.
Andere Bedingungen in Tegel
Grundsätzlich könne man aber sagen, dass bei den Planungen für Tegel eher die freiräumlichen Konzepte im Vordergrund stünden. „Anders als in Tempelhof liegt das Flughafenareal in Tegel ja eher in einem Übergangsgebiet zur Landschaft“, begründet Schäfer den Fokus auf Freiraumplanung für Tegel. Das Areal nehme eher eine randstädtische Position ein.
Dass die Ausstellung des Bremer Projektes nur eine Woche zu sehen ist, hat finanzielle Gründe. „Wir müssen die Räumlichkeiten in der Galerie bezahlen und können uns das leider nicht länger leisten“, bedauert Klaus Schäfer.
Die Ausstellung „Stadtleben auf dem Flugfeld“ ist bis einschließlich Freitag, 1. März 2013, täglich von 12 bis 18 Uhr (bei Bedarf auch länger) geöffnet in der Galerie „Freies Museum Berlin“ im Hinterhaus, Potsdamer Straße 91, Tiergarten.