Donnerstagfrüh am Flughafen Tegel: grauer Himmel, dichter Nebel und Temperaturen nur wenige Grad über dem Gefrierpunkt. Die Sicht ist schlecht. Allein bei der Lufthansa haben am Vormittag neun Maschinen Verspätung. Der Tower hat am Morgen eine Landebahn aus Sicherheitsgründen schließen müssen. Den Lotsen ist das Risiko zu groß, dass zwei Flieger wegen des Nebels auf den nahe beieinander liegenden Betonpisten auf Kollisionskurs gehen. Es ist das perfekte Wetter für den Test.
Die Flughafengesellschaft will gemeinsam mit dem Bodendienstleister Globeground demonstrieren, dass sie auf den bevorstehenden Winter optimal gerüstet sind. Die Skepsis ist groß. Denn nach der Absage der Eröffnung des neuen Großflughafens BER in Schönefeld platzt Tegel aus allen Nähten. Trotz zahlreicher Kapazitätsengpässe lief der Sommerbetrieb am TXL besser als von vielen zuvor erwartet. „Doch die eigentliche Herausforderung steht nun mit dem Winter bevor“, sagt Flughafenchef Rainer Schwarz. Er sieht den Innenstadt-Airport für diese Herausforderung gut vorbereitet. So haben Flughafengesellschaft und Bodendienstleister in den vergangenen Wochen zusätzliche Mitarbeiter eingestellt und neue Technik angeschafft. Zudem wurden laut Flughafengesellschaft die Betriebsabläufe verbessert. So werden nun alle Prozesse wie zum Beispiel die Enteisung der Flieger zentral vom sogenannten Airport Control Center (ACC) gesteuert. „Auf diese Weise verkürzen wir den Informationsaustausch und sorgen für eine einfachere Abstimmung zwischen den Kollegen“, sagt Schwarz.
Rekord bei Passagierzahlen
Fast 1,8 Millionen Passagiere waren im September in Tegel gestartet oder gelandet. Das sind acht Prozent mehr als im Vorjahresmonat. Viele Airlines haben ihr Streckenangebot in Erwartung des neuen Flughafens BER deutlich erweitert. „Tegel ist ein exzellenter Flughafen, aber für solch eine Menge an Passagieren wurde er einfach nicht gebaut“, sagt Thomas Kropp, Bevollmächtigter des Lufthansa-Vorstands für Berlin. Bei einem „normalen Winter“ sei er zuversichtlich, dass Tegel die Bewährungsprobe meistert. „Sollte allerdings eine kleine Eiszeit kommen, wird es nicht ohne das eine oder andere Problem gehen“, sagt Kropp. Der Flughafen-Betreiber ist dabei vor allem auf das Team der Globeground angewiesen, das für den größten Teil der Bodenabfertigung verantwortlich ist. An den baulichen Voraussetzungen konnten sie in der kurzen Zeit kaum etwas ändern. „Es war daher besonders wichtig, die Abläufe zu verbessern“, sagt Bernhard Alvensleben, Geschäftsführer von Globeground Berlin. Eines der größten Probleme im Winter ist, dass Eis und Schnee die Flugfähigkeit der Maschinen und damit die Sicherheit der Passagiere beeinträchtigen können. Deshalb müssen die Flugzeuge vor dem Start enteist werden. Das kostet Zeit und vor allem Platz auf dem ohnehin stark beengten Vorfeld am TXL-Flughafen.
Um die deutlich höhere Zahl von Flugbewegungen zu gewährleisten, gibt es eine wichtige Änderung zur Praxis der Vorjahre: Flugzeuge, die in Tegel „übernachten“, sollen bereits auf ihren Parkpositionen und an den Gates mit Enteisungsmitteln eingesprüht werden. Denn die Zahl der Stellflächen, auf den Flugzeuge unmittelbar vor dem Start enteist werden, hat sich laut Alvensleben in Tegel nur unwesentlich von fünf auf sechs erhöht. Sind die Maschinen aber bereits vorbehandelt, dauert das Enteisen vor dem eigentlichen Start nicht mehr solange. Je nach Witterung kann es bis zu einer halben Stunde dauern, bis eine Maschine komplett von Eis und Schnee befreit ist.
21 Sprühfahrzeuge stehen bereit
Globeground hat daher bei Personal und Technik aufgerüstet. 25 neue Mitarbeiter seien eingestellt und weitere Spezialfahrzeuge angeschafft worden. Die haben so klangvolle Namen wie „Elephant“ und können aus bis zu 23 Metern Höhe Flugzeuge in wenigen Minuten komplett mit Enteisungsflüssigkeit absprühen. Insgesamt hält Globeground für diesen Winter 21 Sprühfahrzeuge bereit. Zu schlecht waren bei allen Beteiligten noch die Erinnerungen an den Winter 2010, als nach plötzlichem Eisregen in Tegel für Stunden überhaupt nichts mehr ging. Damals gab es nur 14 Sprühfahrzeuge. Zudem war wegen der anhaltenden Kälte der Nachschub an Enteisungsmitteln zusammengebrochen. Wegen vereister Fahrbahnen kamen die Lastwagen aus Süddeutschland nicht mehr über die Autobahn nach Berlin. Als Konsequenz hat Globeground nun fast doppelt soviel Enteiser-Mittel wie damals bevorratet, fast zwei Millionen Liter.
Allein in Tegel sind 280.000 Liter Enteisungsmittel deponiert, weitere 330.000 Liter stehen am Flughafen Schönefeld bereit. Weitere Reserven lagern im Westhafen sowie in Schkopau in Sachsen-Anhalt. 25 weitere Angestellte wurden geschult, so dass in diesem Winter 150 Mitarbeiter in der Lage sind, die Flugzeuge zu enteisen. Sie können in diesem Winter auch schon direkt am Terminal die Flugzeuge enteisen, da sie mehr Maschinen als in früheren Wintern zur Verfügung haben.
Während Globeground die Flieger startklar macht, muss der Flughafen dafür sorgen, dass sie auch irgendwo abheben können. Raumfahrzeuge müssen bei Schnee eine Fläche von umgerechnet 180 Fußballfeldern frei schaufeln. Dafür brauchen sie laut Flughafenchef Schwarz etwa eine halbe Stunde.