Auf der ersten Sitzung des Wirtschaftsausschusses nach dem Rücktritt der Wirtschaftssenatorin Sybille von Obernitz (parteilos, für die CDU) verhalten sich die Abgeordneten so, als wäre nichts geschehen.
Ausgelassen testen die Parlamentarier am Montag auf dem Gelände des Energieforschungsgebietes Euref am Gasometer in Schöneberg Elektro-Fahrräder und Elektro-Autos.
Allein die Grünen wollen in der anschließenden Fragestunde erfahren, wie es denn nun mit der Ausschreibung für den neuen Messe-Chef weitergehe und wie der Nachfolger von Sybille von Obernitz eingebunden werde.
Der amtierende Messe-Chef Raimund Hosch scheidet im kommenden Jahr aus dem Amt. Eine erste Ausschreibung des Messe-Aufsichtsrats hatte von Obernitz wegen rechtlicher Bedenken gestoppt, eine zweite eigenmächtig ohne Rücksprache mit dem Aufsichtsratschef auf den Weg gebracht.
An dem Streit über die Nachfolge Hoschs entzündete sich in den vergangenen Tagen der neuerliche Unmut über die Amtsführung der Senatorin – mit der Folge, dass sie wegen der Messe-Affäre am Sonnabend ihren Rücktritt erklärte.
Ausschreibung zu Unrecht erfolgt
Wissenschaftsstaatssekretär Nicolas Zimmer (CDU) übernimmt es an diesem Montag für die nicht mehr anwesende Senatorin, den Grünen zu antworten. Die Wirtschaftsverwaltung habe „nach eingehender Prüfung“ festgestellt, dass die zweite, von der Senatorin initiierte Ausschreibung zu Unrecht erfolgte, sagte Zimmer. Von Obernitz habe nicht über die entsprechende Verfügungsgewalt verfügt, sagt der Staatssekretär.
Das sehe die beauftragte Personalagentur inzwischen auch so, sodass außer den Kosten für eine Zeitungsannonce in Höhe von 15.000 Euro keine weiteren finanziellen Belastungen für das Land entstünden. Diese 15.000 Euro will Sybille von Obernitz selbst bezahlen, hatte sie am vergangenen Freitag angekündigt. „Der gesamte Vorgang hat der Messe geschadet“, sagt Zimmer zu dem Vorgang. Und: Bis zur Ernennung des neuen Wirtschaftssenators würden keine Personalentscheidungen bei der Messe getroffen werden. Danach geht der Ausschuss zur Tagungsordnung über.
Henkel seit Tagen auf der Suche
In der CDU ist das nicht möglich, denn nach dem schnellen Rückzug von Sybille von Obernitz sucht CDU-Chef Frank Henkel seit Tagen einen neuen Wirtschaftssenator. Noch ohne Erfolg. Wegen der notwendigen Regularien ist es immer unwahrscheinlicher, dass schon am Donnerstag in der Parlamentssitzung ein Nachfolger vereidigt wird. Nach dem zweiten Rückzug eines CDU-Senators innerhalb des ersten Regierungsjahres will sich Henkel die Unterstützung der Partei sichern. Er möchte den Kandidaten auf einem kleinen Parteitag vorstellen, doch der kann so kurzfristig vor Donnerstag nicht einberufen werden.
Zumal von Obernitz am Montag noch offiziell im Amt war. Ihr Gesuch, aus dem Amt entlassen zu werden, sei am Montag in der Senatskanzlei eingegangen, bestätigte Senatssprecher Richard Meng. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) prüfe allerdings noch die Begründung und das weitere Vorgehen, so Meng. Sybille von Obernitz soll ihre Entlassungsurkunde am heutigen Dienstag erhalten.
Auch von Obernitz steht Übergangsgeld zu
Bei einer Entlassung stellt sich wieder die Frage nach dem Übergangsgeld. Dies steht von Obernitz auch zu – wie im Fall von Ex-Justizsenator Michael Braun (CDU), der Ende 2011 nach nur zwölf Tagen Amtszeit ausgeschieden war, und trotz des geänderten Senatorengesetzes. Das Übergangsgeld wird entsprechend der Länge ihrer Amtszeit gezahlt.
Wäre die 50-Jährige von sich aus zurückgetreten, hätte sie keinen Anspruch auf Übergangsgeld. „Wir wollen da nicht nachhaken“, sagte CDU-Generalsekretär Kai Wegner. „Ich wüsste aber, was ich zu tun habe“, sagte er und zielte damit auf Braun ab, der auf einen Teil seines Übergangsgeldes verzichtet hatte. Gleiches erwartet die CDU von von Obernitz.
Parteichef Henkel führte auch am Montag weitere Gespräche mit möglichen Kandidaten. Er bekräftigte die Aussagen seines Generalsekretärs Wegner vom Vorabend, dass die Partei sich Zeit bei der Suche nach einem geeigneten Nachfolger lasse. Es komme nicht darauf an, ob es ein Mann oder eine Frau sei, sagte Henkel. Der oder die Neue müsse Kompetenz mitbringen und die Fähigkeit zu Dialog und Kompromiss. „Wir werden eine Persönlichkeit präsentieren, die zur Stadt passt“, sagte Generalsekretär Wegner. Geeignete Kandidaten seien teilweise noch zeitlich gebunden, hätten um Bedenkzeit gebeten oder müssten mit ihrem Arbeitgeber sprechen, hieß es.
Mehrere Kandidaten im Rennen
Mit wem er bereits gesprochen hat, verriet Henkel auf der Präsidiumssitzung am Sonntagabend auch seinen Parteikollegen nicht. Er habe lediglich von sehr guten Gesprächen berichtet, denen weitere folgen würden, verlautete aus der CDU.
Schon bei der Regierungsbildung vor einem Jahr hatte sich Henkel schwer damit getan, eine geeignete Kandidatin zu finden. Da alle anderen CDU-Posten im Senat mit Männern besetzt waren, hatte Henkel vor allem auf eine Frau für das Wirtschaftsressort gesetzt. Davon ist nun keine Rede mehr. „Die wirtschaftliche Expertise steht im Vordergrund“, sagte Wegner. Sollte sich die CDU für einen Wirtschaftssenator entscheiden, wären im neunköpfigen Senat nur noch zwei Frauen – Arbeitssenatorin Dilek Kolat und Bildungssenatorin Sandra Scheeres, beide von der SPD.
Der Rücktritt der Wirtschaftssenatorin setzt CDU-Chef Henkel unter Druck. Nachdem bereits das zweite CDU-Senatsmitglied aus dem Amt ausgeschieden ist, darf sich Henkel einen weiteren personellen Fehlgriff nicht erlauben. Die CDU war vor einem Jahr als starke Kraft für die Infrastruktur und den Ausbau der Wirtschaft in die Regierung mit der SPD gestartet. Stattdessen hatte die große Koalition in den vergangenen Monaten mit dem Flughafen-Desaster zu kämpfen und dem wachsenden Unmut der Berliner Wirtschaft.